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O MEIN GOTT – HABE ICH DAS GERADE WIRKLICH GESAGT?

Sobald Autumn Greene den Mund aufmacht, sagt sie unabsichtlich Wahrheiten, die emotionalen Sprengstoff bergen. Und es hat auch niemand damit gerechnet, dass sie zur Hochzeit ihrer Schwester Christine in ihr Heimat-Örtchen in der kanadischen Provinz kommt. Denn von dort ist sie vor sechs Jahren abgehauen.

Und nicht nur das: Die Mutter ist sauer, weil sie nichts von Autumns kleiner Tochter wusste, die Schwester immer noch wütend, weil deren Vater ihr Ex-Verlobter ist, und der Bräutigam im Krankenhaus, nachdem er völlig aufgewühlt mit dem Auto einen Elch gerammt hat. Wird Autumns Heimkehr Christines Hochzeit völlig ruinieren – oder gibt es die Chance auf einen Neuanfang?

 

Hochzeit mit Elch 

Originaltitel: Autumn, One Spring
Autor: Patti Grayson
Übersetzer: Karin König
Verlag: FISCHER
Erschienen: 21.08.2014
ISBN: 978-3596193752
Seitenzahl: 400 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Seit Autumn Greene, die als Sprechstundenhilfe bei einer Schönheitschirurgin arbeitet,  vor sechs Jahren nach einem Seitensprung mit dem Verlobten ihrer Schwester Christine den idyllischen Ort Hematite verließ, hatte sie weder Kontakt zu ihrer Familie, die von dem untreuen Vater schon früh im Stich gelassen wurde, noch zu dem Erzeuger der kleinen Sara. Jetzt steht der zweite Hochzeitsversuch mit dem von einem Indianervolk abstammenden Alec für Christine an - und somit die letzte Chance für Autumn, sich mit ihr vor dem großen Schritt auszusprechen. Ihre Ankunft wird jedoch alles andere als positiv aufgenommen, zumal sie unfreiwillig Wahrheiten aufdeckt, welche eigentlich unter dem roten Eisenerzsand verborgen bleiben sollten, und alte Gefühle aufwärmt, die manch einer lange zu vergessen versuchte. Dr. Jewel, Autumns Chefin, ist zwischenzeitlich auch in dem kleinen Nest gelandet und macht ihr plötzlich Avancen, dabei ist das Leben gerade schon so kompliziert genug.

Die Autorin beschäftigt sich mit der Frage, wie man mit den eigenen Fehlern umgeht und ob aus einem Vertrauensbruch dennoch neue Nähe entstehen kann. Das Vergeben der eigenen Sünden fällt dabei meist genauso schwer, wie einen anderen um Verzeihung zu bitten, und ich denke, dass wir alle ein kleines bisschen von den Charakteren lernen können, denn ein hasserfülltes Herz kann nur schwer glücklich sein.


Stil und Sprache
Auf der Rückseite wird das Buch als „Wunderbare Liebeskomödie in den kanadischen Wäldern“ angepriesen, was für mich ein wenig irreführend war. Selbstredend stehen bei dem Roman nicht nur eine, sondern gleich eine ganze handvoll Beziehungen im Mittelpunkt, sodass das schönste Gefühl der Welt nicht zu kurz kommt und uns Leser mit spannendem Herzschmerz bei Laune hält. Ebenfalls versteht es die Kanadierin, die unberührte Natur von Hematite, wo sich Bären und Elche im dichten Schneetreiben gute Nacht sagen, gekonnt einzufangen, was bei mir die Vorfreude auf einen gemütlichen Winter schürte. Als komödiantisch würde ich Patti Graysons Debüt allerdings nur bei den etwas ungeschickten Versuchen von Autumn, Konversation zu führen, ohne sich dabei um Kopf und Kragen zu reden, einordnen. Es gibt unzählige Störattribute, die für meinen Geschmack keine unbeschwerte, leichte Atmosphäre entstehen lassen. Die Ängste der Protagonistin, dass beispielsweise ihre kleine Tochter wieder von einem Epilepsieanfall geschüttelt wird, das Aufeinandertreffen mit Dämonen aus ihrer Vergangenheit oder schlichtweg das nächste Fettnäpfchen mit gigantischen Ausmaßen sind dafür zu präsent. Genau deshalb mag ich aber den Roman, wenngleich er aus diesem Grund für mich keine ausgesprochene Liebeskomödie darstellt. Erst am Hochzeitstag fällt so langsam die Anspannung von allen ab und die negativen Schwingungen werden ausgelassen in den Tanzboden verbannt.

Eine Überraschung war für mich, dass die Autorin einige recht ausdrucksstarke Metaphern in die Handlung mit einbaut, die meistens aus Autumns Grübeleien erwachsen und ihren Sinn für Harmonie hinter der etwas holprigen Fassade erahnen lassen, wie zum Beispiel: „Eine Myriade von Eisteilchen passt sich an das quietschende Hin und Her der Scheibenwischer an – ein unstetes Frühlingsorchester“ (Seite 213). Die Protagonistin ist es auch, der ich ein weiteres witziges stilistisches Mittel anrechnen muss, denn sobald ihre Gedanken abschweifen, was sie sehr gerne tun, versucht sie sich selbst wieder zurechtzuweisen, was in jener Form an einen kleinen Mann im Ohr erinnert, der ihr beispielsweise „Zu viel Melodramatik, Autumn“ (Seite 330) zuflüstert.


Figuren
Bei diesem Roman spielt tatsächlich das komplette Dorf, und somit eine Menge Nebencharaktere mit, denn bei einer Hochzeit auf dem Lande wäre es ein Ding der Unmöglichkeit einzelne Personen auszuladen. Die fleißigen, kanadischen Bienchen, die das Fest im Hintergrund vorbereiten, haben eines gemeinsam: ihre Skepsis gegenüber der Rückkehrerin aus dem Fluchtort Winnipeg. Lediglich Gabriel, Autumns ehemaliger Englischlehrer, ist sofort hilfsbereit und freundlich zu der Verstoßenen, weil er ihr damals eine eindeutige Abfuhrt erteilte, was ihn noch immer wurmt.
Alec, der zukünftige Ehemann, gerät dagegen schnell ins Visier von Autumns vermeintlicher Boshaftigkeit, denn ausgerechnet mit ihrem Truck baut er einen gefährlichen Unfall mit einem Elch und ist die nächsten Stunden von Schmerztabletten benebelt. Kann er so aus eigenem Willen „Ja“ zu Christine sagen?

Die Greene-Frauen mussten in der Vergangenheit schon ein starkes Trio sein, denn nach der Trennung von Norm war das Geld knapp und der Ruf einer Geschiedenen haftete an der Mutter wie ein dunkler Schatten, was in den 80er Jahren (wo der Roman spielt) noch ein kleiner Skandal war.
Christine, die Ältere, war stets brav und schlüpfte wie selbstverständlich in die Rolle der Leidensgenossin ihrer Mutter, dagegen zog sich Autumn in die Welt der Gedichte in der freien Natur zurück und machte schlussendlich mit ihrem unüberlegten One-Night-Stand die endlich wieder geflickte Welt ihrer Schwester zunichte. Es wirkt fast wie eine gerechte Strafe, dass die Fremdgeherin ihre Unbekümmertheit als alleinerziehende und gehasste Mutter innerhalb von neun Monaten ablegen muss. In dieser Zeit war nur Dr. Jewel ihr eine Stütze, Freundin und Arbeitgeberin in einem. Mit ihrer Professionalität macht sie Autumn auch bei der Diagnose von Epilepsie bei der süßen Sara wieder Mut. Der jüngste Greene-Spross ist mir am meisten ans Herz gewachsen und ihre kindliche Herzensgüte war glaubhaft und sehr erwärmend dargestellt.


Aufmachung des Buches
Bei der Auslese des Covermotivs wurden für das Taschenbuch passgenau drei Elemente gewählt: Als folgewidriger Titelheld und Beteiligter an einem der großen Schreckmomente der Geschichte durfte der Elch natürlich nicht fehlen, auch wenn er hier sicherheitshalber nur als Plastiktier vertreten ist. Dazu liegt auf der Untertasse noch der goldene Ehering, der logischerweise das chaotische Fest symbolisiert, und abschließend zeigt das kanadische Ahornblatt auf dem Tassenrand noch den Ort des Geschehens an.


Fazit
Ein kurzweiliger Roman, der die Probleme von Mutter-und-Tochter-Beziehungen genauso aufdeckt, wie es das unzertrennbare Band von Schwestern preist, und zeigt, dass der Sprung über den eigenen Schatten durchaus ein Neuanfang sein kann – auch ohne den perfekten Mann an der Seite.


4 Sterne


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