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In der Liebe ist alles erlaubt … oder?

Single-Frau Anfang 40 mit zwei kleinen Kindern sucht Mann – zieht man damit seinen Traumprinzen an Land? Eher nicht. Zu dem Schluss kommt zumindest Sophie, nachdem der jüngste potenzielle Liebhaber vor ihrem Nachwuchs Reißaus genommen hat. Als die Münchner Lokalreporterin bei einem Auffahrunfall den schicken Anwalt Roland kennenlernt, verschweigt sie die lieben Kleinen daher kurzerhand – ganz à la Suppenschildkröte, die ihre Brut allein am Strand zurücklässt. Sobald Roland sich in sie verliebt hat, wird Sophie ihm reinen Wein einschenken. Eine winzige Schwindelei, die spektakulär nach hinten losgeht …

 

Das Liebesleben der Suppenschildkroete 

Autor: Theresia Graw
Verlag: Blanvalet
Erschienen: 17.02.2014
ISBN: 978-3442382019
Seitenzahl: 320 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Sophie ist eine alleinerziehende Mutter im Vollzeitmodus, die nebenbei auch noch als Teilzeitkraft für das Münchner Morgenblatt arbeitet, um ihren Wunsch als erfolgreiche Journalistin mit geschätzten Theaterkritiken irgendwann zu verwirklichen. Momentan verdingt sie sich ihren Lohn hauptsächlich im Lokalreport, aber durch den krankheitsbedingten Ausfall einer Kollegin steigt sie intern auf der Karriereleiter hoch, denn sie darf die in Bayern beliebte Kolumne „Kathis Kosmos“ übernehmen. Im Zuge eines wichtigen Meetings wird sie allerdings durch eigene Unachtsamkeit in einen kleinen Unfall verwickelt, der ihr die Bekanntschaft mit dem galanten und überaus attraktiven Anwalt Roland beschert. Nach vielen Dates mit Männern, die sich leider als Niete entpuppt haben, spätestens sobald sie von Sophies beiden Kindern Timo und Lina hörten, beschließt die Doppelmutti erst einmal Stillschweigen zu bewahren und sich ganz als kokette Frau von Welt zu geben. Ob das gutgehen kann?

Die Autorin hat mit ihrem Romandebüt eine humorvolle Lanze für Alleinerziehende gebrochen, die alles für ihre Sprösslinge tun würden, aber die eigenen Bedürfnisse in dem ganzen Trubel Zuhause und Stress im Job nicht komplett herunterfahren können und wollen.


Stil und Sprache
Besonders Augenmerk hat die Münchnerin auf den straffen Tagesplan von der Lokalreporterin gelegt und so viel Dynamik und Tempo geschickt eingeflochten, damit Langeweile gar nicht aufkommen kann. Die meist kurzen Kapiteln wurden mit der jeweiligen Uhrzeit betitelt und in Verbindung mit der persönlichen Erzählperspektive im Präsens hetzen wir so gefühlt im Schatten der Singlefrau von einem Termin zum nächsten. Entfernt erinnert der lockere Stil, der je nach Gesprächspartner in verständnisvolle Erklärungen (bei den Kleinen) oder fluchende Ausflüchte (z.B. bei ihrem Bruder) unterteilt ist, an mögliche Tagebucheinträge, die von einer schlanken Bridget Jones mit charakteristischem Selbstbewusstsein-Problem geschrieben sein könnten. Denn obwohl Sophie am Abend eine ellenlange „To do Liste“ abhaken könnte, zweifelt sie immerfort an sich, ihrer Erziehung und der Wirkung auf ihren Liebsten. Erst am Schluss horcht die gebürtige Wuppertalerin in sich hinein und kommt zu einem schönen Bildvergleich: „Ich schaue hinauf zum Himmel, wo ein paar stolze Bergadler ihre Kreise ziehen. Vielleicht ist es auch aber nur ein Schwarm blöder Dohlen. Manchmal sehen die Dinge von weitem schöner aus, als sie es aus der Nähe betrachtet sind.“ (S.279)

Die Metapher des Titels finde ich herausragend stark, denn ich würde wetten, dass kaum Jemand sofort auf die Bedeutung der „Suppenschildkröte“ im Zusammenhang mit der Partnersuche kommt. Es geht dabei um das eher an eine Rabenmutter erinnernde Verhalten jener Tiere, die ihre ungeschützten Eier am Strand ablegen und sich dann wieder für das eigene Vergnügen in die Fluten stürzen und auf den Menschen angewendet an Mütter, die ihre Kinder bei einer Verabredungen verschweigen oder schlimmer noch abschieben, damit sie nicht zum Lustkiller avancieren. Witzig und origineller geht es bei einem Liebesroman nur schwerlich und lässt auf weitere Romane der Autorin hoffen, die ebenfalls überraschen können und einen kleinen Insider unter Frauen hervorbringen.


Figuren
Sophie hat mir als Protagonistin sehr gut gefallen, da sie mit ihrer liebenswürdigen Art eine gewisse Narrenfreiheit in Bezug auf Fettnäpfchen und pure Kopflosigkeit innehatte. Sie ist zudem das perfekte Beispiel dafür, dass Frauen echte Multitasking-Profis sind und selbst mit einem Energielevel im roten Bereich noch ihre Aufgaben einigermaßen erfüllen können. Ein bisschen gestört hat mich nach einer Weile trotzdem ihre Unpünktlichkeit, weil ich das im wahren Leben bei Verabredungen auch nicht mag und es bei fast täglicher Wiederholung dann auch langsam unhöflich wirkte. In die gleiche Kategorie gehörte auch ihr panisches Suchen nach Babysittern im nahen Bekanntenkreis, die verständlicherweise alle schon sehr genervt von Sophies Hundeblick waren, wenn es um einen freien Nachtmittag ihrerseits ging. Alle Beteiligten (mich eingeschlossen) werden ihr das Vergnügen auch aus vollstem Herzen gegönnt haben, aber in ihrer verzwickten Lage wäre eine Tagesmutter oder bezahlte Babysitterin deutlich besser gewesen, obwohl die Handlung dann eventuell gelitten hätte.

Lina und Timo waren für quengelige Zwerge erstaunlich niedlich, was ich Theresia Graw hoch anrechnen muss. Natürlich mussten sie ein Repertoire an typischen, altersgerechten Disputen à la „Sind wir bald da“ abspulen, aber im Grunde hätte ich mich auch gerne eine Weile zu ihnen gesetzt, sofern sie nicht gerade mit Magenproblemen zu kämpfen hatten.

Das aktuelle Herzblatt Roland hat relativ kurze Auftritte dafür, dass sich in Sophies Gedankenwelt alles um ihn dreht. Trotz der kurzen Zeitspanne macht er die größte Wandlung durch, die aber Jeder für sich selbst entdecken sollte.

Ein kleiner Kritikpunkt wäre, dass es vielleicht keine richtigen Bösewichte in der Geschichte gibt und alle Nebencharakter ungefähr auf einem Sympathielevel stehen. Selbst Sophies untreuer Ex-Mann ist (wenn er nicht gerade sein Papa-Wochenende vergisst) ziemlich korrekt und die neidische Kollegin Kathi, die durch eine vom Arzt verordnete Ruhepause ihre Kolumne abgeben musste, blitzt höchstens mal durch zwei gemeine Sticheleien aus der Reserve auf. Sophies „Wochenabschnittsgefährten“ mit Kinderphobie, wie beispielsweise der adlige Dieter, sind ebenfalls rundherum in Ordnung, sodass ich hier ein garstiges Biest oder, um das andere Extrem zu bemühen, eine abgedrehte Betreuerin aus dem Kindergarten vermisst habe, welche noch mehr für Stimmung bzw. Abwechslung gesorgt hätte. So verläuft die Handlung nahe am Rand einer zu weichgespülten Romanze.


Aufmachung des Buches
Johannes Wiebel, der für die Umschlaggestaltung des Taschenbuchs verantwortlich war, hat für meinen Geschmack eine perfekte Arbeit geleistet. Die Grundfarbe des Covers entspricht in etwa dem von groben Recyclingpapier auf das mit ein wenig Phantasie die beiden Kinder von Sophie den Titel und viele Herzchen gemalt haben. Auch die Haptik des Romans ist gelungen, denn auf der Vorderseite heben sich die roten Formen dem Käufer entgegen, sodass man es im Geschäft gar nicht mehr aus der Hand legen möchte.


Fazit
Lügen haben kurze Beine und in Sophies Fall sind es sogar gleich zwei zuckersüße Kinderbeine, die jede noch so gute Organisation mit Worten und Taten zunichte machen, aber uns Lesern dabei gehörig Spaß bringen.


4 Sterne


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