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Theologie ist der wissenschaftlich-theoretische Umgang mit christlicher Gottesgelehrsamkeit, die dazu gehörige Anwendung jener „Theorie“ bildet die gläubige „Praxis“, das heißt die gelebte pietas, die Frömmigkeit. Öffentlich Frömmigkeitsformen des christlichen Spätmittelalters waren in den Fürstbistümern am Main besonders ausgeprägt. Eine barocke Konfessionsfrömmigkeit prägt noch heute das Bild von Kulturlandschaft und Siedlungen. Innerhalb des neuen bayerischen Staatsverbandes ist ein mehr säkuläres Frankenbewusstsein, dessen äußere Abzeichen aber immer noch christlich besetzt sind mit Kreuzberg, Kilian, Käppele sowie Marientürmen, -säulen und -bildstöcken.
Unsere Wahrnehmung der historischen Gestalt von Frömmigkeit lehrt ihre einstigen Formen besser zu verstehen und ihre heutigen genauer zu betrachten.

Wolfgang Brückner, geb. 1930, Dr. phil. em. o. Prof. für deutsche Philologie und Volkskunde der Universität Würzburg, seit 1989 Gutachter für religiöse Volkskunst des BR bei der regelmäßigen Fernsehsendung „Kunst & Krempel“, Mitglied der Kunstkommission der Diözese Würzburg.

 

  Autor: Wolfgang Brückner
Verlag: Echter-Verlag Würzburg
Erschienen: 2008
ISBN: 978-3-429-03012-4
Seitenzahl: 208 Seiten 


Stil und Sprache
„Frommes Franken“ ist ein volkskundlich / kulturwissenschaftlich orientiert geschriebenes Buch, aber hier werden die Bereiche der Kirchengeschichte / Regionalgeschichte und Kunstgeschichte gestreift. Das Buch hat einen stärkeren Fachbuchcharakter, als es der Titel und die Aufmachung zunächst vermuten lassen. Die Texte sind auf einem relativ hohen Abstraktionslevel, wobei aber anschauliche Beispiele zur Erläuterung nie fehlen. Die Lektüre setzt tatsächlich auch einige Kenntnisse z.B. im Katholizismus oder in Diskursen der Volkskunde voraus. „Frommes Franken“ weiß aber durch Inhalte zu fesseln und dadurch, dass es auch oft mit überraschend spitzer Feder - etwa dann, wenn es darum geht, mit alten Fehlurteilen im Bereich der sogenannten „Volksfrömmigkeit“ aufzuräumen – geschrieben ist.


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
In „Frommes Franken“ geht es um die Entwicklung des „gelebten Glaubens“ breiter Bevölkerungsschichten vom Mittelalter bis in heutige Tage in der heute bayerischen Region Franken.
„Was können wir von vergangenen religiösen Entwicklungen vor Ort alles wissen und wie können wir dies aus heutiger Sicht wissenschaftlich verstehend einordnen?“ (S.9). Wolfgang Brückner geht streng nach archivalischer Methode vor und lässt nur gelten, was sich sicher belegen lässt. Auf Spekulationen über vorgeblich uralte Gebräuche, vor allem im Rahmen katholischer Feierlichkeiten, die noch in vorchristliche Zeiten zurückreichen sollen, gibt er nicht viel. Vieles lässt sich nämlich oft nicht einmal bis ins Mittelalter zurück belegen und vorgeblich sehr Altes (Verehrung bestimmter Heiliger etc.) ist oft ein Kind der Gegenreformation oder der Phase der Restaurierung der Kirche in den Jahren nach 1840. Es geht Brückner aber nicht darum, den Glauben zu dekonstruieren sondern darum, den hier als falsch erkannten Begriff der Volksfrömmigkeit ins rechte Licht zu rücken, denn: Anstatt nach möglichen „eigentlichen Bedeutungen“ hinter den Bräuchen zu forschen, ist es wesentlich interessanter über die Glaubensäußerungen der Bevölkerung etwas über die mentale Befindlichkeit, hier u.a. Hoffnung auf das Seelenheil, Bewältigung des Alltagslebens, Trostsuche in Krisen (vgl. S.60) herauszufinden. Brückner geht nach Perioden der Kirchengeschichte vor: „Öffentliche Frömmigkeitsformen im Mittelalter“ , „Konfessionsfrömmigkeit zwischen Trienter Konzil und Säkularisation“, „Kirchlich geprägte Lebensstile im 19. und 20. Jahrhundert“, „Frommes Frankenbewusstein, gepflegte Mittelalterästhetik, moderne Barockimagination“.
Ich finde, sein Ziel, zu zeigen, dass Religion nie abgetrennt von einem Kontext der Gesamtkultur existiert und dass es eine von kirchlichen Eliten unbeeinflusste „natürliche“ oder auch „Volksfrömmigkeit“ nicht in der Form gegeben hat, hat Wolfgang Brückner mit diesem Buch erreicht.

Das Buch dürfte sich eher an kulturwissenschaftlich oder kirchengeschichtlich Interessierte, wahrscheinlich sogar in einem eher wissenschaftlichen Kontext richten. Das bedeutet allerdings nicht, dass es für jeden anderen nicht mit Gewinn zu lesen wäre. Wolfgang Brückner weiß eben auch ein zunächst vielleicht etwas trocken wirkendes Thema lebendig darzustellen.


Aufmachung des Buches
Es handelt sich um ein großformatiges, gebundenes Buch, eine gelungene Mischung aus (Text-)Sachbuch und Bildband. Das Cover zeigt den Kopf eines Bildstocks von 1573, bemoost und verwittert – Das Zentralmotiv des christlichen Glaubens und typisch für Zeugnisse religiöser Kunst im Alltag, die man in Franken oft antrifft. Im Innenteil sind zahlreiche farbige und schwarz-weiße Abbildungen enthalten.


Fazit
Das Buch ist sicher interessant für alle, die sich mit Kirchen- aber vor allem auch Alltagsgeschichte beschäftigen. Trotz regionalem Kontext ist es sicher nicht nur für Franken interessant. Spannend fand ich die punktgenaue Dekonstruktion des Begriffs der „Volksfrömmigkeit“. Das Buch ist ein gutes Beispiel für eine in der Methodik genaue Auswertung von Quellen und den kritischen Umgang mit vermeintlich gesichertem Wissen. Das alles findet man in diesem auch repräsentativen und geschenktauglichen Band.


5 Sterne


Hinweise
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