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Die 14-jährige Becca King ist auf der Flucht. Ihr Stiefvater hat seinen Geschäftspartner ermordet - und er weiß, dass Becca es weiß, denn sie kann die Gedanken anderer Menschen hören. Nun ist sie auf einer abgeschiedenen Insel untergetaucht, ganz allein, mit einem neuen Namen, einer neuen Haarfarbe und einer neuen Identität. Ein Neuankömmling versetzt die Inselbewohner in Aufregung. Die junge Meeresbiologin Annie hofft auf eine wissenschaftliche Sensation - die Entdeckung einer unbekannten Spezies. Die Inselbewohner misstrauen Annie, und auch Becca will herausfinden, was Annie wirklich vorhat. Bei einem dramatischen Tauchgang macht Becca eine ungeheuerliche Entdeckung - und trifft eine Entscheidung auf Leben und Tod ...

 

Whisper Island Wetterleuchten 

Originaltitel: The Edge of the Water
Autor: Elizabeth George
Übersetzer: Bettina Arlt und Ann Lecker
Verlag: Egmont INK
Erschienen: 17.10.2013
ISBN: 978-3863960025
Seitenzahl: 448 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Becca Kings Leben hat sich auf Whidbey Island mittlerweile eingependelt, denn sie lebt versteckt in dem Baumhaus von Seths Großvater und kommt gut über die Runden. Auch sonst droht durch ihren Stiefvater, der sich wegen des Mordes an seinem Geschäftspartner verantworten muss, gerade keine Gefahr. Ein Ende ihrer Flucht vor der Vergangenheit ist jedoch nicht in Sicht und so muss sie weiterhin vorsichtig sein. Ihr junge Beziehung mit Derrick wird von den Geheimnissen beschattet, denn er glaubt, dass sie ihm nicht vertraut und zieht den Schlussstrich. Eine wunderbare Ablenkung von dem Liebeskummer ist das große Fest für die schwarze Robbe „Nera“, die jedes Jahr für eine Weile vor der Küste herumschwimmt und eine wahre Sensation ist. Ihre Wiederkehrt lockt auch die Meeresbiologin Annie aus Florida in das kühle Klima, denn sie will für ihre Doktorarbeit einige DNA-Proben nehmen, hofft sie doch, dass Nera eine bisher unentdeckte Art ist. Das kleine Fischerdorf steht ihr skeptisch gegenüber, deswegen sucht sich Annie Hilfe bei Beccas Erzfeindin Jenn und so beginnt ein Kampf zwischen Mensch und Natur.

Die ohnehin schon interessante Idee einer Gedanken lesenden Protagonistin hat Elizabeth George hier mit einem Mythos um eine Spezies erweitert, die den Roman durch die Fantasy-Elemente eine weitere Nuance aufwertet und „Wetterleuchten“ noch vielschichtiger macht. Bis zum Schluss wird wahrscheinlich kein Leser Neras Geheimnis aufdecken können und ungeduldig auf ihren nächsten Besuch im Hafenbecken warten.


Stil und Sprache
Zu dem Schreibstil der Bestseller-Autorin gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, denn wer einmal ein Buch der Amerikanerin gelesen hat, weiß, wie gekonnt sie einen Sog aufbaut, ohne sich dabei mühsam wohlklingende Sätze aus dem Ärmel zu schütteln. In dritter Person der Vergangenheitsform wechselt Elizabeth George regelmäßig die Perspektiven und überspielt damit winzige Durchhänger im Plot mit Leichtigkeit. Für das jugendliche Publikum hat sie versucht, deren Sprachgewohnheiten einzufangen und beispielsweise Jenn, die auf circa 440 Seiten den Löwenanteil an Aufmerksamkeit (neben Nera natürlich) bekam, mit Worten wie „Was? Was? Was?“ um sich kreischen lassen. Störend ist das nicht, weil es mehr sporadische Zwischenrufe der Pubertät sind. Tiefsinnige Gefühle brodeln bei "Wetterleuchten" nur unter der Oberfläche und meist in der tröstenden Dunkelheit der einsamen Nächte, weil keiner der Charaktere sich diese vermeintliche Schwäche eingestehen möchte und die Liebe mehr oder weniger auf das Abstellgleis verfrachtet wird.

Das herausstechende an der Geschichte wird eindeutig durch Cilla verkörpert. Sie ist ein verwahrlostes Mädchen mit panischer Angst vor Wasser und nicht in der Lage zu sprechen. Genauso unerwartet, wie wir im Prolog in ihre Gedankenwelt eintauchen dürfen, erscheint sie plötzlich auf der Bildfläche und verschwindet dann auch fluchtartig wieder. Sie ist zwar permanent im Hinterkopf der Leser, aber mehr wie eine blasse Fata Morgana, die durch gelegentliche und sehr kurze Kapiteleinschübe in Erinnerung gerufen wird. Im Nachhinein fragt man bzw. die Charaktere sich, ob alles nur eine Einbildung war. Im ersten Moment war ich unentschlossen, ob Cillas Schicksal zum Werdegang der Story passte, doch es dauerte nicht lange, da war ich ganz begeistert von der geheimnisvollen Aura, die sie dadurch umgibt.

Insgesamt war auch tatsächlich das ganze Tamtam um die schwarze Robbe, dem Touristenmagneten, ein guter Schachzug der erfolgreichen Schriftstellerin. Die Spekulationen um ihre ungewöhnliche Farbe, dessen Ursprung in einer Ölkatastrophe vor rund 20 Jahren zu suchen war und in Tötungsstrategien gipfelte, weil der Säuger angeblich rachsüchtig und gefährlich war, beleben den eigentlich eher tristen Insel-Alltag auf tierische Weise und peitschen den Spannungsbogen wie die Wellen kontinuierlich höher. Niemand wird Nera kalt lassen, denn „Selbst Squat [der Kindergartenfreund von Jenn], der die Vernunft in Person war, schien das Nera-Fieber gepackt zu haben.“ (S.311), obwohl er eigentlich ein ziemlich ruhiger und besonnener „Nerd“ ist.


Figuren
Wie schon erwähnt wird Becca in diesem Buch beinahe in der Hintergrund gedrängt, aber mit ihrer außergewöhnlichen Gabe schafft sie es dennoch, auch mit weniger Raum die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ihre ungeheure Bescheidenheit, der unendliche Kampfeswille und ihre Empathie sind Eigenschaften, die es unmöglich machen, sie nicht zu mögen. Obwohl sie zum Ende hin fast zu sehr in die „Opferrolle“ schlüpft, die sie im dritten Band dann hoffentlich nicht mehr ausfüllen muss und dadurch minimale Sympathiepunkte einbüßt.

Jenn McDaniels, Mitschülerin und Fußball-Junkie, hat dagegen keinerlei Hemmungen in der Hinzugezogenen ein „Hassobjekt“ zu sehen, denn in ihren Augen ist Becca einfach nur eine Besserwisserin mit Gewichtsproblemen. Die Autorin lässt sie zudem eine Art Selbstfindungsphase durchlaufen, denn alle an der Highschool scheinen zu wissen, dass Jenn homosexuelle Neigungen hat, doch davon will die Außenseiterin nichts hören und stemmt sich dank Squats Hilfe mit Händen und Füßen gegen die Gerüchte. Ob es zum gewünschten Erfolg führt? Es fiel mir schwer, hinter die kratzbürstige Fassade zu schauen, doch Elizabeth George lässt das kühle Eis um das Mädchen mit den sportlichen Träumen immer weiter auftauen, sodass ich mich auf ein Wiedersehen mit ihr im finalen Band schon freue.

Bei Annie, der Meeresbiologin, ist es schwierig, ihre genauen Absichten zu durchschauen, da sie einerseits eine mädchenhafte und süße Seite auslebt, aber andererseits auch kalt und berechnend agiert. Deshalb ist sie als Person ein guter Spannungsgarant.

Derrick hat, obwohl er sich mittlerweile nach anderen Mädchen umsieht, noch immer einen Platz in Beccas Herzen und so dürfen wir ihn erneut auf seinem Zwiespalt begleiten, ob er seinen Eltern von seiner zurückgelassenen Schwester Freude erzählen soll. Der Weg zum Erwachsenwerden ist genau wie bei Jenn von Stolpersteinen begleitet und führt zu philosophischen Gedanken, wie: „Manchmal weiß ich nicht, ob ich ein Junge oder ein Mann bin. Als wäre ich in einem Netz gefangen, das ich nicht selbst gesponnen habe.“ (S. 204)

Alte Bekannte wie Diana Kinsale, die Frau mit den richtigen Worten zur richtigen Zeit; Seth, der freundliche Helfer in der Not; Debbie, die Motel-Besitzerin und Co. und viele neu eingeführte Bewohner der Insel sind natürlich auch dabei und bereichern die Handlung ungemein.

 
Aufmachung des Buches
Das Cover der gebundenen Ausgabe passt  durch das bedrohlich anmutende Meer, was Whidbey Island umschließt, hervorragend zum Vorgänger und steigert die Dramatik somit schon von außen. Auf dem Buchdeckel wird das Bild des Mädchens identisch abgebildet, was mir sehr gefällt, zumal in diese Person wunderbar das verstörte Kind Cilla hineininterpretiert werden kann, die eine Schlüsselrolle innehat. Eine Karte gibt es auch hier zwar wieder nicht, aber so weit gefächert ist der Schauplatz nicht, als dass dies negativ auffallen würde.


Fazit
„Wetterleuchten“ ist alles andere als ein Lückenfüller, verliert aber leider ein wenig den Fokus auf die Protagonistin und könnte deshalb gut als Einzelband stehen. Nichtsdestotrotz hat der zweite Teil der „Whisper-Island“-Reihe die lange Wartezeit fast komplett vergessen lassen und die Erwartungen auf das Finale noch einmal hochgeschraubt.


4 5 Sterne


Hinweise
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Backlist:
Band 1: Sturmwarnung

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