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„Eines sollte ich noch erwähnen“, sagte Carver zum Schluss. „Die Aufgabe ist nicht ganz ungefährlich. Sagen wir – sehr gefährlich.“
„Soll heißen?“, fragte Max.
„Ihre Vorgänger sind ... Es ist nicht gut für sie gelaufen.“
„Sie sind tot?“
Carver schwieg einen Augenblick. Sein Gesicht war fahl geworden.
„Nein. Nicht tot“, sagte er schließlich. Schlimmer. Viel schlimmer.“

 

  Autor: Nick Stone
Verlag: Goldmann
Erschienen: 10/2007
ISBN: 978-3-442-46336-7
Seitenzahl: 603 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Max Mingus, ursprünglich Polizist, war früher Privatdetektiv und ein erfolgreicher obendrein. Aber das ist schon eine Weile her. Die letzten Jahre hat Max im Gefängnis verbracht, und als er endlich entlassen wird, hat er nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnt. Bis Allain Carver auftaucht, ein haitianischer Milliardär, dessen Familie zu den einflussreichsten der Insel gehört. Carver bietet Max zehn Millionen Dollar, wenn er seinen Sohn Charlie findet, der vor zwei Jahren verschwand. Max ist nicht der Erste, der diesen Auftrag annimmt, doch bislang gelang es niemandem, das Kind zu finden. Schlimmer noch – manche, die es versuchten, wären froh, heute nicht mehr am Leben zu sein. Max lässt sich trotzdem auf das Wagnis ein und fliegt nach Haiti, ein Land, beherrscht von Voodoo und Schwarzer Magie. Ein Land, in dem seit über zweihundert Jahren der mysteriöse Tonton Clarinette umgehen und kleine Kinder stehlen soll. Doch selbst wer daran nicht glaubt, kann sich der düster-bedrohlichen Atmosphäre der Insel nicht entziehen. Auch die Familie Carver, die angeführt vom alten Patriarchen in einem abgelegenen Herrenhaus residiert, ist von einer Aura des Mysteriösen umgeben. Und hütet, wie Max bald argwöhnt, einige dunkle Geheimnisse. Max macht sich trotz aller Warnungen auf die Suche nach Charlie und versucht herauszufinden, was sich hinter der Geschichte von Tonton Clarinette verbirgt. Er erkennt, dass in einem Land, in dem die Toten und Sterbenden die Straßen bevölkern, der Tod selbst nicht das Schlimmste ist.


Stil und Sprache
Das Buch beginnt mitten im Handlungsstrang, im Gespräch zwischen Allain Carver und Max Mingus. Carver versucht Max zu überreden, seinen Auftrag anzunehmen. In verschiedenen, teilweise ineinander verschachtelten Rückblenden, erfährt der Leser die Vorgeschichte von Max. Dieser Teil verlangt dem Leser einiges ab. Es werden etliche Personen eingeführt, die alle irgendwie miteinander in Verbindung zu stehen scheinen. Diesen Teil des Buches empfand ich als unnötig in die Länge gezogen, zumal der Autor sich einer sehr ausführlichen, teilweise blumigen Sprache bedient.
Mit Max‘ Ankunft auf Haiti gewinnt die Geschichte langsam Fahrt. Es gibt zwar weiterhin ausführliche Beschreibungen, die aber nun dem Leser helfen, Land und Leute vor dem inneren Auge entstehen zu lassen. Ich hatte teilweise das Gefühl, den bestialischen Geruch der Cité Soleil in der Nase zu haben. Speziell bei der Begebenheit mit den UN-Soldaten hätte mir auch eine etwas weniger bildhafte Beschreibung durchaus gereicht. Mache Dinge will man als Leser so genau gar nicht wissen.
In den Kontext der Geschichte sind viele Informationen rund um Haiti eingearbeitet, ohne jedoch schulbuchmäßig zu wirken. So gibt es interessante Ausführungen über die politische Situation im Land, über den Einsatz der UN-Soldaten, aber auch über das Elend der Bevölkerung und die Drogenbarone. Aufgrund des Titels „Voodoo“ habe ich mir eine Geschichte voller schwarzer Magie, kleiner Voodoopuppen und geschlachteter Opfertiere, vielleicht auch Menschenopfer, vorgestellt. Diesen Vorstellungen wurde das Buch nicht gerecht. Es geht zwar auch um praktizierte schwarze und weiße Magie, aber eben nur am Rande.
Der Text ist in der 3.Person aus der Sicht von Max Mingus geschrieben. Wir erleben seine Tage auf Haiti, schauen ihm sozusagen über die Schulter. Der Autor lässt den Leser teilhaben an Max Gedankengängen, aber eben nur an denen von Max. Diese sind dann kursiv gedruckt.
Die Spannung baut sich kontinuierlich auf. Auch wenn an einem gewissen Punkt schon klar wird, in welche Richtung sich die Sache entwickeln wird, war für mich die letztendliche Auflösung doch ziemlich überraschend und bis dahin gab es noch einige unerwartete Wendungen.


Figuren
Die Figuren sind alle sehr gut ausgearbeitet. Stones ausführliche Beschreibungen erstrecken sich natürlich auch auf sie. So hat der Leser ein komplettes Bild der Person vor sich. An machen Stellen wäre weniger mehr gewesen. Es bleibt, zumindest beim Aussehen der Figuren, nicht mehr viel Platz für die Phantasie des Lesers.
Max Mingus ist kein strahlender Held: Ex-Bulle, Ex-Privatdetektiv, Ex-Knacki. Das ist kein hervorragender Lebenslauf. Er ist, als er aus dem Gefängnis kommt, ziemlich am Ende. Der Auftrag auf Haiti ist, sozusagen, seine letzte Chance. Der Autor macht die Gefühle und Gedanken von Max transparent und lässt den Leser so daran teilhaben. Es ist klar, dass Max zu den Guten gehört.
Bei den anderen Figuren ist das nicht immer so klar. Das macht auf jeden Fall mit den Reiz dieses Buches aus. Die Grenzen zwischen gut und böse verwischen. Manches ist anders, als es auf den ersten Blick scheint. Auch ein gefürchteter Drogenbaron hat in einer bestimmten Situation die volle Sympathie des Lesers, während er für die vermeintlich „Guten“ nur Abscheu empfinden kann.
Bei den Mitgliedern der Familie Carver scheinen die Motive klar und offen zu liegen, und der Leser hat keine Schwierigkeiten, diesen Motiven zu folgen. Aber auch hier werden Max und der Leser auf einige falsche Fährten geführt. Es ist interessant zu beobachten, wie sich die Figuren entwickeln und langsam ihre wahren Beweggründe ans Licht kommen.
Als ruhiger Fels in der Brandung kommt Joe Liston daher. Er und Max kennen sich schon seit dem gemeinsamen Streifendienst, und sie sind gemeinsam von Dienstrang zu Dienstrang aufgestiegen. Er sorgt dafür, dass Max seine Bodenhaftung nicht ganz verliert. Auch er ist ein Typ mit Ecken und Kanten, aber durchweg sympathisch.
Eine Figur, Solomon Boukmann, taucht nur am Rande auf und eigentlich nur in Erzählungen. Trotzdem gelingt es dem Autor, ihn fast durch das ganze Buch hinweg präsent zu halten. Man darf gespannt sein, wie es mit Max Mingus und Solomon Boukmann weitergeht.


Aufmachung des Buches
„Voodoo“ ist als Taschenbuch erhältlich. Das Cover, ein leuchtend rotes „Kreuz“ auf schwarzem Untergrund, passt gut zum Titel. Leider passt der deutsche Titel nicht zum Inhalt des Buches, denn es geht nur am Rande um Voodoo. Der Titel der Originalausgabe „Mr. Clarinet“ wäre passender gewesen. Trotzdem ist dieses Cover ein absoluter Blickfang.
Auf der Rückseite ist ein kurzer Textausschnitt abgedruckt, der den Leser mehr an schwarze Magie als an entführte Kinder denken lässt.

Der Text ist in einen Prolog, 6 Teile mit insgesamt 68 Kapiteln und einen Epilog eingeteilt.
Vor dem Prolog steht ein haitianisches Sprichwort. Für die Leser, die der Sprache Haitis nicht so mächtig sind, wäre eine Übersetzung schön gewesen.


Fazit
Wer das Buch aufgrund des Titels liest und eine Voodoogeschichte mit allem, was dazu gehört, erwartet, wird enttäuscht sein.
Der Leser aber, der seine Gedanken von Voodoo lösen kann, findet eine hoch spannende Geschichte mit überraschenden Wendungen, die vielleicht etwas schwer in Gang kommt, aber letztendlich alles hat, was man von einem guten Thriller erwartet, inklusive der Aussicht auf eine Fortsetzung.


4 Sterne


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