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Grafschaft Perche, Frankreich 1190. Die Nachricht von der Eroberung Jerusalems durch die Heiden hat im christlichen Europa Wellen der Empörung hervorgerufen. Als Jean Corbeille dem Ruf des Papstes folgt und sich den Kreuzfahrern anschließt, schmuggelt sich seine 17-jährige Tochter Tiessa in die Reisegesellschaft. Gefahrvolle Abenteuer erwarten die junge Frau im Heiligen Land, sie gerät in Gefangenschaft und ist ganz auf sich allein gestellt. Doch Tiessas Lebenswille brennt unbändig. Und sie findet eine Liebe, die größer ist als das Leben selbst …

 

Die Braut des Kreuzfahrers 

Autor: Hilke Müller
Verlag: blanvalet
Erschienen: 17. Juni 2013
ISBN: 978-3442376872
Seitenzahl: 672 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Jean Corbeille, der Verwalter des Grafen von Perche, will seinen Herrn ins Heilige Land begleiten, um in Jerusalem für die Seele seiner verstorbenen Frau zu beten. Gegen seinen Willen folgt ihm seine Tochter Tiessa als Magd verkleidet nach. Als sie entdeckt wird, ist es zu spät, sie zurück zu schicken, und der Graf muss sie notgedrungen mitnehmen. Aber die junge Frau bereitet ihm nicht nur durch ihren Eigensinn Sorgen, sondern sie gefällt ihm mehr, als es einem verheirateten – und sehr frommen – Mann erlaubt ist.

Die Autorin stellt die Ereignisse des dritten Kreuzzuges recht glaubhaft und gut verständlich dar. Die fiktive Liebesgeschichte kann allerdings nicht so ganz überzeugen und lässt einige Fragen offen.


Stil und Sprache
Hilke Müller lässt den Leser die Handlung wechselweise als Beobachter ihrer beiden Hauptfiguren erleben. Durch Graf Gottfried von Perche erfährt man viel über die Rechte und Pflichten eines Adligen des 12. Jahrhunderts gegenüber seinem Lehnsherren, seiner Ehefrau und seinen Untergebenen, den Alltag auf einer Burg, die Vorbereitungen zum Kreuzzug und das Leben im Feldlager und im Kampf. Aus Tiessas Sicht gewinnt man Einblick in die Familie eines höheren Beamten, die Stellung der Frauen – sei es im Haushalt oder bei der Heilkunde – die Aufgaben einer Magd sowie das schwere Los einer Gefangenen.
Das alles erzählt die Autorin in einer schönen, bildhaften, der Zeit angemessenen Sprache. Man kann sich teilweise gut in das Geschehen hineinversetzen. Allerdings sind einige Schilderungen – der Gegend, der Dialoge, der immer wiederkehrenden „sündigen“ Gedanken des Grafen – häufig etwas zu detailliert und langatmig, was den Lesefluss hemmt und die Handlung nicht voranbringt. Dadurch flacht der Spannungsbogen zeitweise stark ab. Erst im letzten Drittel des Buches steigt er an und wird bis zum Schluss – den man sich ein wenig ausführlicher gewünscht hätte – weitgehend gehalten. 

Während relativ unwichtige Dinge also oft einen sehr breiten Raum einnehmen, bleiben dagegen manche Fragen, deren Antworten den Leser interessiert hätten, offen bzw. werden nur sehr unbefriedigend geklärt, so z.B.: die Herkunft von Tiessas Halbbruder; wie Tiessa ihre Dienstherrin Yolanda überhaupt kennen lernte; was zwischen dem Arzt Petrus Habakus und dem Sultan vorgefallen ist und nicht zuletzt, was sich zwischen Tiessa und dem Grafen abgespielt hat. Dass sie ihm nämlich plötzlich ganz selbstverständlich  „auf das Lager folgt“, ohne dass eine Aussprache zwischen den beiden Beteiligten vorausgeht, mutet schon etwas seltsam an. Bei den vielen sehr ausführlichen Dialogen, die vorher oft die Handlung verzögerten, fehlt ausgerechnet bei dieser wichtigen Gelegenheit ein Gespräch, bei dem die Beiden sich ihre Gefühle eingestehen, sodass man als Leser meint, etwas verpasst zu haben.

Figuren
Tiessa ist nach Auffassung ihrer Zeit mit 17 Jahren erwachsen, viele Frauen waren in diesem Alter bereits verheiratet und hatten schon mehrere Kinder. Von daher passt der Ausspruch ihrer Mutter Corba – Zitat S. 56: „Du bist noch zu jung“ nicht so recht. Doch ihr Benehmen ist oft das eines verwöhnten Kindes, Neugier, Trotz und eine gute Portion Selbstüberschätzung bringen sie mehr als einmal in Gefahr und sie lernt erst daraus, als sie die bittere Erfahrung der Gefangenschaft machen muss.
Graf Gottfried unterscheidet sich von vielen seiner Kampfgenossen dadurch, dass er fromm ist und tatsächlich um des Glaubens willen am Kreuzzug teilnimmt, und nicht wegen Macht und Beute. Dadurch gerät er auch immer wieder in Konflikte, weil er sein Verlangen nach Tiessa als Sünde ansieht. Wirklich tiefe Gefühle für sie sucht man auch zunächst vergeblich. Eigentlich ist nur immer von „Begierde“ die Rede, der Gottfried am Ende doch nachgibt, die ihm aber neben der körperlichen Befriedigung jedesmal Gewissensbisse wegen seines Ehebruchs einbringt. Von einer Liebe, die - Zitat Klappentext: „…größer ist als das Leben selbst …“ ist sogar 90 Seiten vor dem Ende noch nichts zu spüren.

Einige wichtige Figuren des Romans sind historisch – unter anderem Richard Löwenherz und König Philipp von Frankreich – zu ihnen hätte man sich ein Nachwort gewünscht, in dem etwas auf die tatsächlichen Personen und ihren Einfluss auf die Ereignisse eingegangen wird. Manches klingt zwar in den Dialogen der Kreuzfahrer an, aber weniger gut informierte Leser würde sicher interessieren, in wie weit die Autorin Fakten und Fiktion verknüpft hat. Das betrifft auch die Person der Gräfin von Perche, die ihrem Mann tatsächlich 2 Söhne – und keine Tochter - geboren hat.


Aufmachung des Buches
Das Cover des Taschenbuches zeigt eine junge Frau vor einer Ansicht der Stadt Jerusalem. Damit passt es gut zur Handlung, was auf den Titel nicht zutrifft: Tiessa folgt ihrem Vater ins Heilige Land und ist zu keinem Zeitpunkt eine Braut, hier wäre „Die Tochter des Kreuzfahrers“ korrekter gewesen.
Die Erzählung gliedert sich in 4 unterschiedlich lange Teile mit 51 Kapiteln und endet sehr aprupt direkt auf der letzten Seite vor dem hinteren Buchdeckel.
Ein Nachwort der Autorin zu den geschichtlichen Ereignissen und den daran vorgenommenen Veränderungen fehlt leider völlig. Auch ein Personenverzeichnis wäre hilfreich gewesen, da viele der handelnden Figuren historisch belegt sind und dem Leser somit die Zuordnung erleichtert worden wäre.

Fazit
Ein teilweise recht unterhaltsamer Roman, der aber einige Längen hat. Ein „paar“ Seiten weniger - bzw. an deren Stelle ein Anhang zu Historie und Personen - hätten dem Buch gutgetan.


3 5 Sterne


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