Smaller Default Larger

Die Geschichte von "Der Junge im gestreiften Pyjama" ist schwer zu beschreiben. Normalerweise geben wir an dieser Stelle ein paar Hinweise auf den Inhalt, aber bei diesem Buch - so glauben wir - ist es besser, wenn man vorher nicht weiß, worum es geht. Wer zu lesen beginnt, begibt sich auf eine Reise mit einem neunjährigen Jungen namens Bruno. (Und doch ist es kein Buch für Neunjährige.) Früher oder später kommt er mit Bruno an einen Zaun. Zäune wie dieser existieren auf der ganzen Welt.

 

Der Junge im gestreiften Pyjama  Originaltitel: The Boy in the Striped Pyjamas
Autor: John Boyne
Übersetzer: Brigitte Jakobeit
Verlag: Fischer
Erschienen: 06.02.2009
ISBN: 978-3-596-80683-6
Seitenzahl: 272 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Bruno lebt mit seinen Eltern und seiner Schwester in einem wunderschönen und großen Haus in Berlin. Doch als er eines Tages aus der Schule nach Hause kommt, ist das Hausmädchen dabei, all seine Sachen einzupacken und Bruno erfährt von seiner Mutter, dass sie umziehen werden. Der Neunjährige ist entsetzt. Er soll fort von seinem geliebten Zuhause mit dem wunderbaren Rutschgeländer? Fort von seinen drei besten Freunden? Doch kein noch so gutes Argument, das gegen den Umzug spricht, bewahrt Bruno vor seinem Schicksal, denn der Umzug ist für Vaters Arbeit zwingend notwendig. In seinem neuen Heim – das viel kleiner und bei weitem nicht so schön ist – gibt es keine Kinder zum Spielen, keine Straßen mit Cafés und Ständen zum daran entlang Schlendern. Es ist einfach nur langweilig, trüb und schrecklich. Doch dann lernt Bruno Schmuel kennen ...

John Boyne hat sich mit "Der Junge im gestreiften Pyjama" eines schwierigen Themas angenommen, auf das ich jedoch nicht weiter eingehen möchte, um der Geschichte nichts vorweg zu nehmen. Nicht umsonst hat der Verlag auf eine Kurzbeschreibung im eigentlichen Sinne verzichtet, denn der Leser sollte sich selbst in Brunos naiv-kindlicher Welt verlieren, ohne zu wissen, wohin das Ganze führen wird. Es ist eine lohnenswerte Reise, die man so schnell nicht vergisst.
Vielleicht mag das eine oder andere in dieser Geschichte nicht durchweg logisch sein, doch John Boyne wollte es sich wohl kaum herausnehmen, eine komplett getreue Darstellung der damaligen Zeit und der Tatsachen zu Papier zu bringen, sondern einen eindringlichen Roman zu schaffen, der nachdenklich macht (nicht umsonst heißt es im Innern des Buches unter dem Titel "Eine Fabel"). Und das ist ihm gelungen!


Stil und Sprache
Ein allwissender Erzähler führt den Leser durch diese ergreifende Geschichte, der sich jedoch vor allem auf Brunos kindlich-naive Sicht der Dinge beschränkt und nur selten einen kurzen Einblick in die Gedanken einer der wenigen anderen Figuren erlaubt. Brunos ehrliche, aber auch nachdenkliche Art besticht den Leser schon auf den ersten Seiten. Mit dem Umzug ändert sich für Bruno alles: das Haus ist schäbig und klein, er hat keine Freunde mehr und überhaupt wirkt alles trostlos. Das spiegelt sich auch in dem atmosphärischen Schreibstil wieder: "Wenn er die Augen schloss, fühlte sich alles um ihn herum leer und kalt an, als befände er sich am einsamsten Ort der Welt" (Seite 21). Es gibt so viele wunderbare und den Punkt treffende Formulierungen in diesem Buch, dass das Lesen trotz des schwierigen Themas eine Freude ist. Insbesondere das Ende hat es in sich, lässt den Leser mit einem mulmigen Gefühl zurück, macht traurig und nachdenklich. John Boyne hat es hervorragend verstanden, das Thema, das hier behandelt wird, feinfühlig zu Papier zu bringen, ohne auch nur einmal eine gewalttätige Szene darzustellen. Das, was der Leser durch Brunos unschuldige Augen zu sehen bekommt, genügt völlig – auch wenn Bruno selbst nicht versteht, was vor sich geht.


Figuren
Die Figuren – wie Oberleutnant Kotler – werden durch Bruno einfach herrlich und eingängig dargestellt, sodass man sie nach wenigen Zeilen lebhaft vor Augen hat. So heißt es auf Seite 201 über Kotler: "Da war einmal die Tatsache, dass er nie lachte und immer aussah, als suchte er jemanden, den er aus seinem Testament streichen könnte." Brunos Vater bleibt dem Leser ebenso fremd wie dem Jungen selbst, auch wenn einige Rückblicke ihm etwas Kontur verleihen. Diese Distanz ist allerdings gewollt und vom Autor sehr gut umgesetzt worden. Etwas näher kommt man da schon seiner Schwester und der Mutter. Und Bruno? Er ist ein neunjähriger Junge, der nicht versteht, was um ihn herum geschieht. Doch ist er wirklich so dumm, wie es manchmal scheint? Verschließt er die Augen tatsächlich so sehr vor der Realität? Oder ist es Brunso Art, mit all dem umzugehen?


Aufmachung des Buches
Das handliche Taschenbuch ist schlicht, aber überaus passend zu Titel und Inhalt gestaltet. Übrigens hat der Fischer-Verlag den Originaltitel wortwörtlich übersetzt, was ich ganz hervorragend finde, denn einen treffenderen Titel hätte man kaum finden können.
Leider weist das Büchlein nach dem Lesen einige Knicke im durchgebogenen Buchrücken auf. Darüber hinaus gibt es an der Verarbeitungsqualität jedoch nichts auszusetzen.


Fazit
Dieses Buch trägt man in Gedanken noch lange Zeit mit sich, und das ist auch gut so! Unbedingt empfehlenswert, auch weit über die angestrebte Zielgruppe hinaus.


5 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo