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Die 17-jährige Penelope ist gierig nach schönen Dingen. Überall stöbert sie kleine Schätze auf, kauft oder stiehlt sie und ordnet sie in ihrem Zimmer nach ganz bestimmten Regeln. Penelope muss ständig Dinge ordnen, zählen und in einen höheren Zusammenhang bringen, denn in Wirklichkeit ist ihre Welt alles andere als in Ordnung. Seit ihr Bruder Oren vor einem Jahr starb. Seit ihre Mutter sich mit Tabletten in ihrem Zimmer verkrochen und ihr Vater sich in die Arbeit geflüchtet hat.
Als Penelope auf einem Flohmarkt eine Schmetterlingsfigur entdeckt, die einem Mädchen namens Sapphire gehört hat, das vor kurzem brutal ermordet wurde, ist sie von dieser Geschichte wie besessen. Sie muss die Dinge in Ordnung bringen, sie muss Sapphires Mörder finden! Bei ihrer Suche wagt sich Penelope immer tiefer in das dunkelste Viertel der Stadt, Neverland. Dort begegnet sie skurrilen Gestalten, Striptänzerinnen und hellsichtigen Obdachlosen, und sie verliebt sich in den undurchsichtigen Straßenkünstler Flynt. Auf ihren Streifzügen durch Neverland stößt Penelope auf überraschende Verbindungen zu ihrem Bruder Oren – und gerät in höchste Lebensgefahr, als sie Sapphires Mörder schließlich begegnet.

 

Schmetterlingsjagd 

Originaltitel: The Butterfly Clues
Autor: Kate Ellison
Übersetzer: Katja Haase
Verlag: rororo
Erschienen: 10/2012
ISBN: 978-3499216473
Seitenzahl: 352 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Seit dem Verlust ihres Bruders ist die 17-jährige, zwangsgestörte Penelope auf sich allein gestellt, der Vater vergräbt sich in seiner Arbeit und ihre Mutter hat sich in das Vergessen mit Hilfe von Tabletten geflüchtet. So streift Lo stundenlang durch die Vororte von Cleveland, immer auf der Suche nach Dingen, die sie „retten” kann, und einer Spur von Oren, irgendetwas, das ihr zeigt, dass etwas von ihrem geliebten Bruder geblieben ist. In Neverland, wie ein heruntergekommener Stadtteil genannt wird, in dem alle Straßenkinder stranden, ist sie wegen eines Flohmarkts besonders gern. Dort gerät sie wortwörtlich in die Schusslinie, als die Stripperin Sapphire ermordet wird. Wieder ist es ihr innerer Zwang, der sie dazu bringt, etwas in Ordnung bringen zu wollen, sodass sie auf eigene Faust beginnt, nachzuforschen. Dabei gerät sie aber auch ins Visier des Mörders ...

Die Idee, einen Menschen mit Neurosen auf Tätersuche zu schicken, ist nicht neu, doch das sollte bei dem Buch auch nicht als zentrales Thema gesehen werden. Vielmehr geht es um ein heranwachsendes Mädchen mit Zwangsstörungen, das krampfhaft versucht, einen Schicksalsschlag zu verkraften, indem es die Welt in Zahlen, Reihen und Ordnungen unterteilt. Dabei stößt sie auf viel Unverständnis und Ablehnung, doch auch auf unverhoffte Zuneigung.


Stil und Sprache
Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Penelope in der Gegenwartsform erzählt. So fühlt man sich der Hauptfigur und ihren Zwängen gleich sehr nah, weil man direkt weiß, was dahinter steckt und wie unangenehm ihr das ist. Man bekommt ein besseres Bild von ihren Neurosen, als wenn man es nur von außen betrachten würde. Der Ton ist locker, authentisch für ein Mädchen in ihrem Alter, und durchsetzt von den Mustern, die sie einhalten muss und die sich ebenfalls textlich niederschlagen. Ihr wichtigster Ausspruch ist „Tip, tip, tip, Banane“, dreimal tippen, dann werden schlechte Dinge neutralisiert, und das Wort Banane gibt ihr Sicherheit. Es finden gut verteilt kleine Rückblicke statt, sodass der Leser nicht direkt hinter die komplette Familiengeschichte kommt, und sich fragt, wie es zu der aktuellen Situation kommen konnte. „Der Samstag hat seinen ganz eigenen Geschmack: Er schmeckt nach den Brombeeren, die Mom und ich jede Woche pflücken gegangen sind, als wir die drei Monate in Kuna, Idaho, wohnten. Damals war ich zehn Jahre alt. Ich erinnere mich noch, wie ungeheuer stolz ich war.“ (Seite 29)

Es gibt außerdem poetische Beschreibungen, wenn Lo ihre Gefühle schildert oder wenn sie einen schönen Gegenstand findet. Vor allem in extremen Situationen wird eine sehr bildhafte Sprache verwendet: „Irgendetwas flattert hoch in meinen Mund – Schmetterlinge – sie breiten ihre Flügel zwischen meinen Wangen aus, kitzeln mich am Gaumen, drücken gegen die Lippen. Ich öffne den Mund, um die herauszulassen, aber es kommt nichts.” (Seite 197)

Vordergründig wird dieser Roman als Thriller bezeichnet. Die Thriller-Elemente sind zwar vorhanden, aber nicht konstant da und vor allem nicht einfallsreich genug, um mit anderen Büchern dieses Genres mithalten zu können. So manche Auflösung überrascht den aufmerksamen Leser überhaupt nicht und einige Wendungen sind etwas platt. Nichtsdestotrotz fiebert man mit, wenn Lo auf der Suche nach Sapphires Mörder ist, und will wissen, was damals mit Oren geschah. Und auch fürs Herz wird etwas geboten.


Figuren
Das Leben der Hauptfigur Penelope, genannt Lo, ist geprägt von Zwangsstörungen, die seit dem Tod ihres Bruders Oren immer schlimmer geworden sind. Ihr Tag wird bestimmt von Zahlen und Ritualen, denen sie sich unterwerfen muss, egal wie es auf ihre Mitmenschen und vor allem ihre Mitschüler wirken muss. Alles wird gezählt und in gute oder schlechte Zahlen einsortiert. Wenn etwas ihren Ordnungssinn stört, muss sie das mit Wiederholungen von bestimmten Bewegungsabläufen und Worten ausgleichen. Außerdem sammelt sie Gegenstände, die sie nicht selten aus einem inneren Drang heraus stiehlt, und hortet sie gruppenweise in ihrem Zimmer, wo sie sie je nach Gemütszustand oftmals stundenlang umsortiert. „Ich sehe ihn aus dem Augenwinkel und erstarre. So beginnt es jedes Mal. Mein ganzer Körper kribbelt. Das Blut rauscht in meinen Ohren: ein leises Summen wie ein weit entfernter Insektenschwarm, und jede einzelne Zelle meines Körpers schreit: Rette ihn, rette ihn, rette ihn. Ich kann nicht anders, ich muss gehorchen.“ (Seite 7)
Auf ihre Eltern kann sie sich nicht mehr verlassen, auch wenn es früher einmal anders war und sie sich gern an schöne Momente aus der Kindheit erinnert. Los Vater arbeitet extrem lang und wenn er Zuhause ist, kann er die Störung seiner Tochter kaum ertragen. Die Mutter, die früher genau auf die Bedürfnisse von Penelope eingegangen ist, hat nur noch wenig wache Momente, sie dämmert im Schlafzimmer dahin und lässt sich vom Shoppingkanal beschallen. In der Schule ist Lo zwar eine Außenseiterin, weil niemand ihre Ticks versteht, doch sie bekommt unerwartet Unterstützung von dem sportlichen Jeremy, der ihr den Hof macht, und der hübschen Keri, die ständig ihre Nähe sucht. Ihren Seelenverwandten findet sie aber in Neverland in Flynt, einem witzigen Straßenjungen und Lebenskünstler, der im Müll Schätze entdeckt und die traurigsten Orte in Märchenszenen verwandelt.

Alle Figuren sind glaubwürdig und wirken authentisch, auch Nebenfiguren - wie der schmierige Nachtclubbesitzer, die unterschiedlichsten Tänzerinnen und der verrückte Prophet - haben eine erzählerische Dichte.


Aufmachung des Buches
Der Schutzumschlag des gebundenen Buches ist in einem zarten Gelbton gehalten, der nach oben hin schwarz ausläuft. Hier steht in verspielter Schrift der Name der Autorin, was im Gegensatz zum technisch wirkenden Titelschriftzug steht, der von der rot gesetzten Bezeichnung „Thriller“ ergänzt wird. Zentral ist ein abgesofteter Schmetterling zu sehen, der von einer illustrativen Stecknadel festgepinnt wird. An der Kontaktstelle ist ein schwarzer Klecks zu sehen, der mit einem Schnörkel verbunden ist. Der Einband unter dem Umschlag ist zartgelb, die Vorsatzseiten in einem tiefen Mattschwarz. Im Innenteil werden zu Beginn Ausschnitte des Schmetterlings wiederholt, die Kapitelüberschriften sind in der schnörkeligen Schrift gehalten und der Schnörkel selbst steht am Kapitelende. Die Gestaltung ist insgesamt ansprechend und passt zum Genre Thriller, jedoch hätte ich mir nach der Lektüre etwas Bildhafteres gewünscht, etwas, dass mehr zu Penelope, ihren Zwängen und Sammlungen passt.


Fazit
Tip, tip, tip, Banane. Schmetterlingsjagd ist ganz wie die Hauptfigur – einzigartig, faszinierend, befremdlich und doch liebenswert, eine Geschichte über das Erwachsenwerden, das Loslassen von festigenden Strukturen und die erste zarte Liebe.


4 Sterne


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