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Hallo Nicolaus. Vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein Interview nimmst.
Nicolaus Equiamicus – ein interessanter Name. Aus welchen Gründen hast du dich für dieses Pseudonym entschieden? Und wer steckt hinter diesem Künstlernamen?

Hallo Jana!
Die Frage nach meinem Pseudonym ist stets die erste (lach).
Ich wählte es, weil die Bücher, die ich veröffentliche, in dem Zeitraum vom 15. bis zum 18. Jahrhundert erschienen sind, und sich Autoren und Gelehrte in dieser Zeit oft latinisierte Namen zulegten.
Zu meiner Person: Ich bin 34 Jahre alt, verheiratet und wohne mit meiner Familie im Saarland. Beruflich habe ich mich bisher, wie sollte es anders sein, hauptsächlich mit Büchern befasst, und auch eine Buchbinderlehre hinter mir.


Du überarbeitest vergessene Schriften und machst diese interessierten Lesern wieder zugänglich. Was hat deine Leidenschaft für Themen wie Okkultismus, Mythologie und Religionsgeschichte, im speziellen Vampire, Hexen, Geister und Dämonen geweckt?

Für Geschichte und Religion habe ich mich schon als Kind interessiert.
Da ich mich viel bei meinen Großeltern und Urgroßeltern aufhielt, eigentlich dort meine Kindheit verlebte, kam ich früher mit Geschichte und Geschichten in Berührung als meine Altersgenossen. Es ist heutzutage ja sehr ungewöhnlich, seinen Kindern vor dem Einschlafen aus der Bibel vorzulesen, oder von der örtlichen „Hexe“ zu erzählen, die den Dorfbewohnern in der Jugendzeit meiner Urgroßeltern nicht geheuer war
Es waren auch meine Urgroßeltern, die mir erstmals von Poltergeistern und Umgängern erzählt haben. Mein Ururgroßvater nämlich hatte um 1900 ein Haus gekauft, das einem praktizierenden Okkultisten gehört hatte. Nach dessen Tod fand man höchst ungehörige Dinge im Haus, unter anderem auch einen Altar und seltsame Ritualgegenstände. Von dieser Zeit an soll ein Poltergeist lärmend im Haus umgegangen sein...
Als ich älter wurde und meine Bibliothek mehr und mehr anwuchs, blieb es natürlich nicht aus, dass ich sowohl in theologischen als auch in historischen Werken immer wieder auf Aspekte des Volksglaubens stieß, auf Geister, Vampire, Gestaltwandler und Dämonen. Der Schritt zu den Quellschriften war dann nicht mehr weit.


Glaubst du an Geister, Vampire und dergleichen? Oder ist es einfach ein faszinierender Stoff, mit dem du gerne deine Zeit verbringst?

Ich glaube prinzipiell nur das, was ich selbst gesehen habe, und ich habe noch keinen blutsaugenden Toten, eine mit dem Besen herumschwirrende Hexe oder einen Geist gesehen. Man darf aber nicht die Kraft der Einbildung und des Aberglaubens unterschätzen.
Eine Universalantwort gibt es nämlich für keine Kategorie, seien es die vermeintlichen Wirkungen eines Vampirs auf Lebende oder die Macht eines Zaubers auf den Bezauberten. Jeder Fall muss für sich gesondert betrachtet und analysiert werden. Schauen wir zum Beispiel in die Zeit der Hexenprozesse: Es wurden eine Unmenge unschuldiger Personen im Zuge der Hexenverfolgungswellen in Europa zum Tode verurteilt. Waren aber alle Verurteilten Unschuldige? Diese Frage muß mit einem klaren Nein beantwortet werden. Es gab Personen, die sich den Aberglauben ihrer Zeitgenossen zunutze machten und sich als Segensprecher und Kurpfuscher ihren Lebensunterhalt verdienten. Die Leute betrachteten diese Menschen mit Ehrfurcht und Scheu, da ihnen vermeintlich übernatürliche Fähigkeiten zur Verfügung standen. Um diese milde für sich zu stimmen und damit sie nicht den Spieß umdrehten und statt des Segens einen Fluch aussprächen, bedachte man sie daher oft auch mit Geschenken und Spenden. Sehr gute Beispiele dafür findet man heutzutage noch in Afrika und auch in Osteuropa, wo die Menschen solchen Personen niemals etwas verwehren würden, wenn diese sie darum bäten, aus Angst, es würde ihnen dann von jenen ein Unheil in Form eines Zaubers geschehen.
Einige dieser Leute glaubten wohl auch wirklich an ihre Fähigkeiten, und auch sehr reale Verbrechen wie Vergiftungen oder Mord geschahen in dieser vergangenen Zeit. Man muss sich nur die Zutaten ansehen, die Einbrecher dazu gebrauchten, um sich eine sogenannte „Diebskerze“ herzustellen oder sich unsichtbar zu machen. Derart üble Verbrechen haben natürlich nur die Wenigsten verübt, aber die Ursache dafür war eben der im Volk fest verwurzelte Glaube an Zauberei. Der Grund für die Hysterie aus den Zeiten der großen Hexenverfolgungswellen im 16. und 17. Jahrhundert liegt also im Aberglauben der damaligen Zeit – auf Seiten der Opfer sowie der Täter – und erst der unermüdliche Einsatz vieler aufklärerischer Gelehrter hat diesen Aberglauben in Europa weitgehend beseitigt.


Mir stellt sich die Frage, wo du die vergessenen Werke ausgräbst, um sie Interessierten wieder zugänglich zu machen.

Oft finde ich sie als Quellenangaben in Sekundärwerken, manchmal suche ich aber auch gezielt danach. Das Internet hat diesbezüglich ja vieles vereinfacht.

Wie sieht der Weg vom Auffinden des Werkes bis zur Veröffentlichung des Buches aus? Wie aufwendig ist die Bearbeitung der alten Texte?
Wenn möglich, versuche ich das Werk über den antiquarischen Handel immer im Original zu beschaffen. Andernfalls besorge ich es mir in Form von Kopien.
Die Bearbeitung der alten Texte ist sehr unterschiedlich, ältere Texte sind natürlich generell schwieriger zu bearbeiten als jüngere. Gute Vorkenntnisse in Geschichte und Theologie sind für die Aufarbeitung einer Neuausgabe stets unabdingbar, da die Bücher für den Laien bei einem bloßen Textreprint streckenweise missverständlich oder gar unverständlich wären. Nach der Übertragung des Ausgangstextes in den Computer folgt die eigentliche Überarbeitung. Das Glätten und Entschachteln der langen komplizierten Sätze, von denen sich nicht selten einer auf über mehr als eine Buchseite hinziehen kann. Veraltete Begriffe, oder Worte, deren Sinn sich gewandelt hat, werden gegen heute gebräuchliche ausgetauscht, Fremdwörter, oder auch ganze fremdsprachige Passagen ins Deutsche übersetzt. Dort wo es nötig erscheint den Text näher zu erläutern, werden Fußnoten eingefügt. Je nachdem wie lang oder alt ein Buch ist, und womit es sich beschäftigt, arbeite ich zwischen drei Monaten bis zu anderthalb Jahren an einem Buch. Die Bearbeitung der jüngst neu erschienenen Daemonolatria Nicolas Rémy’s dauerte bisher am längsten, da bei dieser Ausgabe aufwendige Recherchen notwendig waren. Ich denke aber, dass sich das Ergebnis sehen lassen kann.


War es schwer, den passenden Verlag für diese nicht gerade gewöhnlichen Werke zu finden?

Erstaunlicherweise nicht. Es gibt ja durchaus einen „Markt“ für diese Art Literatur. Mit den bearbeiteten Quelleneditionen versuche ich zudem einen Mittelweg zu begehen, damit sie sowohl für wissenschaftliche Zwecke nutzbar als auch für den Privatgebrauch lesbar sind.

Hast du dich schon von jeher für Bücher interessiert? Immerhin hast du unter anderem eine Buchbinderlehre gemacht.
Das Interesse war schon von kleinauf da, ja. Bücher faszinieren mich einfach, sie sind das größte Kulturgut, das ein Volk haben kann. Wenn ich zum Beispiel einen 400 Jahre alten Folioband betrachte, halte ich in diesem Moment Jahrhunderte der Weltgeschichte in Händen. Solch ein Buch ist älter, als manche große Staaten auf der Erde existiert haben! Allein dass sich ein Buch über einen solch langen Zeitraum hinweg bis in die heutige Zeit erhalten hat, macht es zu etwas ganz Besonderem, dessen sich die meisten Menschen nicht bewusst sind, für die Bücher lediglich eine Konsumware ohne eigentlichen Wert sind.


Nun ist diesen Monat dein erstes komplettes „Eigenprodukt“ erschienen: „Kleines Rezeptbuch der historischen Tinten“. Wie kommst du darauf, mit Tinten und Siegellacken zu experimentieren? Das ist ja nicht unbedingt ein alltägliches Hobby.

Ich kam im Zuge meiner Buchbinderlehre dazu, habe mich aus Interesse weitergebildet und herumexperimentiert. Nach und nach wurde ein Hobby daraus und mittlerweile stelle ich regelmäßig einige Fläschchen voll Tinte her, die z. B. auf den Schulbasaren meiner Kinder reißenden Absatz finden.


Dürfen wir uns auf weitere eigenständige Werke von dir freuen?

Ich habe schon vor, in den kommenden Jahren noch einige Bücher zu Themen zu veröffentlichen, die auch die von mir herausgegebenen Werke behandeln, werde aber wegen meiner bevorstehenden Geschäftsgründung wohl nicht mehr so viele Bücher in kurzer Folge herausgeben können.


Wie kann man sich einen Tag in deinem Leben vorstellen, wenn du an einem Buch arbeitest?

Ich arbeite morgens von 8 bis 13 Uhr und dann abends noch einmal zwei, drei Stunden am Computer. Die Mittage nutze ich in der Regel für andere Arbeiten.
Wie ich schon sagte, muss ich, wenn ich ein Buch bearbeite, den Quelltext zuallererst in mein Textprogramm bekommen. Dann habe ich ihn als reinen Textreprint vorliegen, inklusive all meiner Vertipper. Wenn es dann ans Bearbeiten geht, muss ich häufig das Original zu Rate ziehen, beziehungsweise, wenn es mehrere Ausgaben gibt, auch diese. Direkt neben meinem Schreibtisch befindet sich ein Regal mit verschiedenen alten Fremdwörterlexika und Wörterbüchern für Latein, Französisch, Englisch und Griechisch. Zu diesen Büchern greife ich natürlich sehr häufig. Ich besitze auch einige alte Lexika, die mir oft nützlich sind, alte Ausgaben so ziemlich aller antiker Autoren sowie der Kirchenväter. Die Nachschlagewerke müssen in meinem Fall möglichst alt sein, denn in moderneren Werken werde ich zumeist nicht fündig. Internetrecherche betreibe ich zwar auch, allerdings nur dann, wenn ich in meinen Bücherregalen die Antwort nicht finde. Meistens lande ich dann im englischsprachigen Raum, denn dort gibt es sehr viele seltenere Werke online. Aber auch die Internetenzyklopädie Wikipedia, die ich durchaus mal für einen ersten Überblick nutze, war mir schon nützlich, wenngleich ich sie niemals ungeprüft zitieren würde.
Meine Arbeit an den Büchern hört sich nun vielleicht langweiliger an, als sie in Wirklichkeit ist; denn bei der so genauen Durcharbeitung, dem „Studium“ eines Textes, entdecke ich immer wieder interessante Details, und vor allen Dingen versetze ich mich zwangsläufig so gut in den eigentlichen Autor, dass ich seine Gedanken und dadurch auch ihn sehr gut kennenlerne.


Was liest du selbst gerne?

Genau das, womit ich arbeite. Ich lese selten Belletristik, und wenn, dann meist ältere Klassiker, wie z. B. die Klassiker der gothischen Literatur aus dem 18. und 19. Jahrhundert.


Gibt es etwas, dass du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?

„Niemals aufgeben, niemals kapitulieren!“


Ich danke dir für das Interview.

Ich habe zu danken!

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