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Berlin, im Sommer 1890. Dr. Otto Sanftleben erforscht die Körpersprache von Kriminellen. Als eine junge Handschuhnäherin gekreuzigt und mehrere anarchistische Attentate verübt werden, erklärt er sich bereit, den ermittelnden Commissarius zu unterstützen und zur schnellen Aufklärung beizutragen. Eine geheimnisvolle Revueschauspielerin gibt den entscheidenden Fingerzeig und weckt tot geglaubte Gefühle in ihm. Zu spät begreift er, dass er in Lebensgefahr schwebt.

 

Mord unter den Linden 

Autor: Tim Pieper
Verlag: Emons
Erschienen: 8. März 2012
ISBN: 978-3897059146
Seitenzahl: 271 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Das ausgehende 19. Jahrhundert ist eine Zeit des großen industriellen Umbruchs und genau diese Jahre hat Tim Pieper sich für seinen Krimi gewählt. Die Forensik steckte noch in den Kinderschuhen, wenngleich es sehr wohl schon Pioniere gab, die sich eingehend mit dieser Thematik beschäftigten. Gerade die Psychologie wie: Was treibt einen Menschen an, einen Mord zu begehen? Erkennt man einen Mörder durch besondere äußerliche Merkmale oder gibt es gar gewisse Charakterzüge, aus denen man herauslesen kann, dass dieser Mensch eines Tages einen Mord begehen wird? beginnt sukzessive eine größere Rolle zu spielen.

Pieper hat sich eines absolut interessanten Themas angenommen und zeigt mit seinem Protagonisten, wie damals die ersten Schritte dieser neuen Ermittlungsmethode ausgesehen haben könnten.


Stil und Sprache
Tim Piepers zweites Buch unterscheidet sich wesentlich von seinem ersten, im Mittelalter spielenden, Roman „Der Minnesänger“. Von Beginn an spannend und mit einem Protagonisten, der sich mit einem für die Zeit sehr außergewöhnlichen Thema beschäftigt - nämlich der Körpersprache. Steckt dies zwar alles noch in den Kinderschuhen, so hat Pieper es dennoch geschafft, einen sehr interessanten Einblick in die Gedankengänge der damaligen Kriminalisten zu gewähren. Man fällt förmlich ins Geschehen; wird mit einer Tat konfrontiert, die erschreckt, bestürzt und schier unglaublich wirkt. Dieser Prolog wird offen im Raum stehen gelassen und jeder Leser wird seine eigenen Schlüsse aus diesen ersten vier Seiten ziehen. Welch immens wichtige Rolle dieses Geschehen aber noch spielt, wird einem beim Weiterlesen relativ schnell bewusst.

Tim Pieper hat eine klare, glatte Sprache. Schnörkellos und ohne unnötige Ausschweifungen hält er die wichtigsten Informationen fest und lässt dem Leser so noch genug Freiheit, um seine eigene Phantasie zu beflügeln. Die Sprache ist dem Zeitgeist angepasst, wirkt aber dennoch nie altmodisch oder aufgesetzt. Durch den leicht lockeren Erzählstil gelingt es dem Autor stets den richtigen Ton zu treffen. Die von manch grausamen Szenen geforderte Ernsthaftigkeit wirkt ebenso authentisch wie die smarten, humorvollen Einschübe.

Steht natürlich das Mordgeschehen im Vordergrund, so ist es Pieper dennoch hervorragend gelungen, eine der neuesten Errungenschaften in der Fortbewegung des Menschen und die dadurch ausgelösten konträren Fronten in seine Geschichte mit einzubauen: das Radfahren. Heute kaum mehr vorstellbar, waren die „metallischen Ungetüme“ vielen Menschen damals ein Dorn im Auge und so liest man auch Passagen, die zum Schmunzeln anregen: „Diese Fahrräder sind Ungetüme aus Stahl und Blech, die die Sittlichkeit untergraben. Wir dürfen es nicht zulassen, dass sie unsere Straßen bevölkern. Wir müssen diese Bewegung bekämpfen, und zwar mit allen Mitteln.“ (Seite 20). So wird die durchgehend spannende Geschichte immer wieder aufgelockert und gibt der ganzen Szenerie ein sehr authentisches Flair.


Figuren
Einem Kaleidoskop von vielfältigen Charakteren begegnet man in diesem Roman. Ob dem sympathischen, aber keineswegs fehlerfreien Protagonisten, einer undurchsichtigen jungen Frau, einem zeitweise etwas frechen, aber dennoch sehr loyalen Diener, einem kompetenten Kommissar, einem verlässlichen Bruder, einem grausamen und kaltblütigen Mörder oder einfach nur einem mit tunnelblick behafteten Kriminaldirigenten - alle Darsteller sind glaubhaft gezeichnet und bereichern die schon innovative Geschichte zusätzlich. Die Figuren entwickeln sich alle und keine Figur, und sei sie noch so nebensächlich, bleibt grau oder blass. So manches Mal fühlt sich der Leser in die Irre geführt, wenn er versucht, dem Mörder auf die Spur zu kommen, zu verschleiert wirken manche Darsteller. Bis zum Schluss hin wendet sich das Geschehen mehrmals und die eine oder andere Figur schätzt man falsch ein und ist überrascht, wie alles endet.

Pieper hat auch eine sehr zarte und mit viel Feingefühl dargestellte Liebesgeschichte mit eingebaut, die sich aber ganz anders entwickelt als man zuerst annehmen möchte. Alleine mit diesem Part ist dem Autor eine Überraschung gelungen, da sie fern der üblichen Klischees ist.


Aufmachung des Buches
Ein Taschenbuch mit hervorragend passendem Covermotiv. Viel zu selten wird darauf geachtet, dass das Äußere eines Buches den Inhalt wiederspiegelt, dem Emons-Verlag ist dies bei diesem Buch bravourös gelungen. Übersichtlich sind die unzähligen, kürzeren Kapitel, die jeweils einen eigenen Subtitel tragen, gestaltet. Ganz zum Schluss findet sich noch eine Übersetzung der französischen Passagen.

Einzig was dem interessierten Leser fehlen wird, ist eine Erläuterung seitens des Autors, wie sich seine Recherche gestaltet hat. All zu spannend wäre es gewesen, hätte man noch erfahren, in welchen Schritten sich die Kriminalpsychologie weiterentwickelt hat oder aus welchem Grund Tim Pieper gerade diese zu seinem erwählten Thema machte. Ein kleiner Wermutstropfen, der jedoch nur bestätigt, dass er beim Leser einen Gusto nach „mehr“ geweckt hat.


Fazit
Ein äußerst kurzweiliger, interessanter historischer Krimi, der sich schon von der Thematik her aus der Masse abhebt. Der feine Humor lässt einen immer wieder schmunzeln und die gelungene Zeichnung der damaligen Zeit schafft beim Leser eine Wohlfühlatmosphäre, die das auslaufende 19. Jahrhundert noch einmal lebendig werden lässt. Eine volle Empfehlung für vergnügliche Lesestunden!


4 5 Sterne


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