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Aus Candy Quakenbush, dem nörgelnden Gör aus Chickentown, Minnesota, ist eine mutige Frau geworden, die an ihren Aufgaben gewachsen ist. Sie stellt sich ihren Feinden, ihrer Familie und schließlich auch ihrer Mission: Nur sie kann die Mitternacht aufhalten, um das Abarat vor der ewigen Finsternis zu bewahren. Mit Malingo, der Gesh-Ratte, und den zänkischen Brüdern John an ihrer Seite bekämpft sie die geheimen Pläne der diabolischen Mater Motley, die die Welt in absolute Finsternis hüllen will, um sie dann neu entstehen zu lassen - mit sich selbst an der Spitze des Abarat.

 

Abarat 

Originaltitel: Abarat - Absolute Midnight
Autor: Clive Barker
Übersetzer: Falk Behr
Verlag: Heyne (Random House Gruppe)
Erschienen: Dezember 2011
ISBN: 978-3-453-00128-2
Seitenzahl: 621 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Nachdem die Fluten der Izabella, der Ozean des Abarat, Chickentown in Minnesota quasi dem Erdboden gleichgemacht haben, kehrt Candy Quakenbush unfreiwillig in den Abarat zurück. Doch schon bald ist sie froh, dass die Izabella sie wieder in das Inselreich Abarat mitgerissen hat. Kaum wurde sie sich der Präsenz von Boa in ihr gewahr, beschließt sie nun, sich von dem unfreiwilligen Untermieter zu trennen. Laguna Munn, eine mächtige Hexe, vollführt das Ritual, das für diese Trennung notwendig ist. Die Folgen, die es hat, sind jedoch gewaltig. Unterdessen verliert Mater Motley keine Zeit und leitet alles in die Wege, um Abarat mit Absoluter Finsternis zu überziehen.

Viele Anleihen aus der fantastischen Literatur, sowie der Horrorliteratur, tauchen im Verlauf der Geschichte auf. Die mentale Verbindung zwischen Candy und Boa erinnert beispielsweise sehr stark an die von Harry Potter und Voldemort. Die Nephauree, die auch "Die, die sich hinter den Sternen verbergen", genannt werden, lassen sofort an die "Großen Alten" denken, die Wesen aus dem Cthulhu Mythos von H. P. Lovecraft, einem Klassiker des Horrorgenres. Schade, dass man offensichtlich immer nach den Sternen greifen muss, um den Abgründen grenzenlosen Grauens eine Gestalt zu verleihen. Dieser Alien-Beigeschmack wirkt auf mich irgendwie plump und lächerlich, so dass bei Schilderungen dieser Art kein wirkliches Grauen aufkommt. Abgründige Angst fühlt sich ganz anders an. Sie sitzt tiefer und ist fest in jedem Menschen verwurzelt. Mit irgendwelchen tentakelbewehrten Schlabberwesen oder schattenhaften Sphärenheiten, die aus fernen Galaxien oder anderen Welten zu uns kommen, hat das rein gar nichts gemein.
 

Stil und Sprache
Für "In der Tiefe der Nacht" wurde ein neuer Übersetzer verpflichtet. Größere stilistische Unterschiede, die dadurch bedingt sein könnten, sind mir nicht aufgefallen. Der Schreibstil des dritten Bands erscheint jedoch insgesamt etwas flüssiger und insbesondere die Handlung weist nun ein sehr hohes Tempo auf. Clive Barkers Hang zu Schachtelsätzen ist immer noch sehr deutlich. Die Komplexität seiner Satzgebilde ist zum Teil sehr verwirrend, wodurch der Lesefluss stark ausgebremst wird. Hier ein Beispiel: "Und die legendäre Stadt von Eintausend Unholden, eine Kreatur von fast einem Kilometer Größe, die - wie ihr Name implizierte - die Heimatstatt für zehnhundert Unholde war, war gesehen worden, als sie durch die unbevölkerten Wüsten der Insel des Schwarzen Eis gewandert war."

Isbesondere bei der Umschreibung irgendwelcher abartiger Abscheulichkeiten verfällt er in diesen Stil. Als würden ihm die Worte fehlen, diese Dinge so zu beschreiben, dass dabei die Vorstellungskraft des Lesers/der Leserin so angesprochen wird, dass dabei eine bildliche Vorstellung des Wesens im Kopf entstehen kann. Stattdessen bleibt man nach dem Lesen dieser geistigen Konstrukte oft ratlos zurück und von Bildern braucht man erst gar nicht sprechen. Hier ein Beispiel für diese ausufernden Umschreibungen: "Sein schlanker Körper erinnerte an ein Rückgrat, an dessen Seite ungefähr fünfzig Paar mehrfach segmentierter Beine der Länge nach angeordnet waren. Jedes Bein auf der Linken war ein perfektes Spiegelbild des Beins auf der Rechten; die Symmetrie wurde nur hier und da durch ein Zucken oder einen Krampf gestört. Das Signal des Schlüsselbeins heilte das wartende Rückgrat nicht von seinem Aufruhr. In Sekundenschnelle verwandelte sich das zehnte Teil von einer riesigen Bewegungslosigkeit, die von flackernden Wahnsinn berührt wurde, in eine Masse verschachtelter Verschiebungen, die sich huntertfach und zehnhundertfach vervielfachten." (Seite 405)

Was zunächst recht klar verständlich beginnt, endet in einer wirren Vision unkoordinierter Gedanken. Barker verwendet zwar eine Menge bildhafter Ausdrücke, ein Gesamtbild entsteht dabei aber nur selten. Er verliert sich in Einzelteilen und verliert dabei völlig aus dem Blick, was er eigentlich umschreiben wollte. Seine Wortwahl ist dabei nicht gerade das, was man als stilsicher bezeichnen würde. Munter vermengt Barker stark technisierte, abstrakte Begriffe mit einer Fülle bildhafter, fabulierender Worte zu einer disharmonischen Einheit.

Der Großteil des Buches liest sich dennoch sehr flüssig, wenngleich die Wortwahl niemals schlicht ist. Das Eindrucksvollste an Abarat ist, wie unglaublich vielfältig und facettenreich diese Welt ist. Nahezu kein Geschöpf scheint dem anderen zu gleichen und selbst die ganze Natur quillt regelrecht über vor bizarrer Vielfältigkeit. Dann die Inselwelt an sich: Jede Stunde des Tages hat ihren eigenen Bereich. Das Firmament steht absolut still... Sechs Uhr Abends, ist immer sechs Uhr Abends... Ein wirklich interessanter Einfall, den Clive Barker hier hatte. Ein Topf voller Möglichkeiten, der leider, leider weitestgehend ungenützt bleibt, denn die eigentliche Handlung ist sehr gewöhnlich. Die Bösen Mächte versuchen mal wieder die ganze Welt mit Dunkelheit zu überziehen, nur dass dies in Abarat nicht nur bildlich möglich ist. 
 

Figuren
Die Figuren, die in den vorangegangenen zwei Bänden noch sehr blaß und eindimensional waren, gewinnen im Verlauf des dritten Teils der Geschichte zunehmend an Tiefe. Obwohl sich inhaltlich die Ereignisse regelrecht überschlagen, beginnt Barker nun endlich damit, seinen Charakteren eine Richtung und vor allem ein Ziel zu geben. Was ist ihre Aufgabe? Was wollen sie erreichen? Fragen, denen er sich auf über 1000 Seiten Einleitung kein bisschen gewidmet hat. Candy ist zwar immer noch ein wenig orientierungslos, aber sie hat nun endlich erkannt, wohin sie gehört, wo sie sein möchte und, was das wichtigste ist, dass sie einen wichtige Rolle in den dunklen Tagen spielt, die den Abarat nun heimsuchen. Zur gleichen Zeit ist sie gezwungen, sich mit ihrem Vater und dem ganzen Schmerz, den er ihr zugefügt hat, auseinanderzusetzen. Die Art und Weise, wie sich die Figur ihres Vaters weiter entwickelt, ist völlig überraschend und sorgt dafür, dass die Welt ihrer Geburt und Herkunft nicht völlig in Vergessenheit gerät.

Besonders gravierend ist die Entscheidung, sich von Prinzessin Boa zu trennen. Hier eröffnen sich neue Sichweisen und Ausblicke auf zukünftige Ereignisse, die man so nicht erwartet hätte. Die einstige Beziehung zwischen Boa und Christopher Carrion und die Erkenntnis, was für eine Person sie eigentlich ist, sorgen für völlig neue Einblicke. 

Candys Gefährten und Wegbegleiter bleiben weiterhin völlig blaß und zu allem Überfluss betritt dann auch noch Gazza die Bühne, eine weitere Figur, die völlig belanglos und wie eine leere Hülle den Schauplatz betritt. Auch die Rolle, die Barker ihm zugedacht hat, ist vom ersten Augenblick an viel zu offensichtlich. Das Ganze wirkt reichlich platt und dermaßen aufgesetzt, dass es regelrecht peinlich ist.
 

Aufmachung des Buches
Bücherliebhaber aus Leib und Seele werden sich der fast schon magischen Aura dieses opulenten Prachtbandes kaum entziehen könnnen. Die haptische Erfahrung, die dieses überaus hochwertig gestaltete Werk vermittelt, grenzt beinahe schon an Dekadenz. Es hat fast etwas sexuelles, dieses wunderschöne, in dunkelgrünes Satin (oder vieleicht auch Seide) eingeschlagene und mit Metallicgrünen geprägten Buchstaben versehene Buch aus dem massiven Schuber zu entnehmen und es genüsslich, voller Ewartungen an den Inhalt, aufzuschlagen. Doch schon zerstört die erste Disharmonie den Eindruck vollkommener Buchbindekunst: Warum nur hat man den Buchtitel und den Namen des Autors in grünen Buchstaben aufgebracht? Der Vorgängerband konnte hier mit wundervoll kontrastierenden Farben aufwarten. Goldene Schrift auf blutrotem Grund... Wundervoll! Kaltes Silber, umgeben von diesem herrlich tiefen Grün, wäre eindeutig die bessere Wahl gewesen.

Das satte Gewicht des perfekt verarbeiteten Buches tröstet jedoch über dieses flaue Farbenspiel hinweg und lenkt die Aufmerksamkeit auf andere Dinge. Auf schwerem, hochweißem, glänzendem Papier hat man sich bemüht, die Ausdruckskraft der über 100 Ölgemälde, die Clive Barker eigens für dieses Werk erschuf, wiederzugeben. Hier scheiterte man jedoch aus vielerlei Gründen. Eine gelungene Reproduktion von Ölgemälden erfordert vom Fotografen die hohe Kunst, mit Licht zu formen. Denn erst das Licht und die Art, wie es auf die Leinwand fällt, erweckt das Bild zum Leben. Die Leuchtkraft der Farben, die Struktur der Pinselführung, müssen mit Hilfe der richtigen Ausleuchtung herausgearbeitet werden, um die Essenz der Darstellung einzufangen. Ein weiteres großes Problem sind die enormen Größenunterschiede zwischen Original und gedruckter Reproduktion im Buch. So stark verkleinert geht das meiste von der Brillanz und viele der Details des Originals komplett verloren. Da es dem Druck insbesondere an Schärfe und Kontrast mangelt, wird dieses Defizit noch zusätzlich verstärkt. Die vielen abgedruckten Bilder wirken meist flau und langweilig, sehr oft gar kindlich primitiv, obwohl die Aussagekraft der Originale sicherlich weit eindrucksvoller wirkt.
 

Fazit
"In der Tiefe der Nacht" ist bislang der überzeugendste Teil der auf insgesamt fünf Bände ausgelegten Serie. Die Absolute Finsternis bricht über den Abarat herein, und die epische Wucht, mit der sie das tut, zieht den Leser in einen gnadenlosen Bann. Für ein Buch, das ursprünglich als Jugendbuch veröffentlicht wurde, enthält dieser Teil der Geschichte viel zu viele Horrorelemente. Zudem bremsen immer wieder viel zu komplex geratene Satzgebilde das Lesevergnügen aus. Die optische Präsentation kann diesmal nicht so überzeugen. Die abgedruckten Bilder konnten qualitativ und auch darstellerisch eh noch nie überzeugen, was angesichts des erhöhten Preises der Ausgabe nur noch peinlicher ist. So mancher Comic bietet für deutlich weniger Geld eine weitaus bessere Abbbildungsqualität.


3 5 Sterne


Hinweise
Rezension von Thomas Lang
Herzlichen Dank an den Heyne Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

Backlist:
Band 1: Abarat
Band 2: Abarat - Tage der Wunder, Nächte des Zorns 


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