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Frankreich im Juli 1766.

Der adlige Freidenker de la Barre verliert nach einem religiös motivierten Prozess durch das Beil des Henkers den Kopf auf dem Richtblock. Neun Monate später ereignet sich in dem Ursulinenkloster, in das der Leichnam überführt wurde, Wundersames. Eine Nonne stirbt im Kindbett. Quicklebendig hingegen strahlt der kleine Denis die umstehenden Schwestern an, die nicht glauben können, was sie sehen: Der Körper des Neugeborenen in der Wiege … liegt dort mit abgetrenntem Kopf!

Zunächst dem Aberglauben und der Unbill seiner Zeit ausgesetzt, findet das “Kleine Wunder” im jungen Diakon Talleyrand einen Gönner, der ihm beibringt, in diesen stürmischen Zeiten zu überleben und sich im tückischen Umfeld der Macht zu bewegen.
Gut zwanzig Jahre später bricht die Revolution aus. Während für die Monarchie das letzte Stündlein geschlagen zu haben scheint, ist für den kleinen Denis hingegegen endlich die Zeit der Rache gekommen. Mit dem ersten Fallbeil fällt auch die unschuldige Maske …

Auf seinem erlebnisreichen Weg von den abgeschiedenen Klostermauern bis zum Palast von Versailles begegnet Denis unzähligen historisch belegten Persönlichkeiten. Und wer weiß, womöglich handelt es sich bei den Geschehnissen um den kleinen Denis gar um das bestgehütete Geheimnis der französischen Geschichte!

 

Kleines Wunder 

Originaltitel: Petit Miracle
Autor: Valérie Mangin
Übersetzer: Oriol Schreibweis
Illustration: Griffo
Verlag: Finix Comics
Erschienen: 12/2011
ISBN: 978-3-941236-52-3
Seitenzahl: 96 Seiten
Altersgruppe: ab 14 Jahren

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Die Grundidee der Handlung
Im Paris des 18. Jahrhunderts wird ein Kind geboren, dessen Kopf vom Rumpf getrennt ist und das trotzdem lebt. Von einem skrupellosen Wirt als Monster für das Theater eingesetzt und zur Unterhaltung der Königin missbraucht, wird er zudem Opfer der religiösen Verwirrung und muss viel erdulden, während sein Hass auf die Gesellschaft und die einstigen Mörder seines Vaters wächst. Doch er hat einen treuen Freund, der ihm zur Seite steht, dem selbst aufgrund einer Behinderung sein vorgezeichnetes Leben vorenthalten blieb. Doch der kleine Denis hat eigene Pläne und setzt sie gekonnt um …

Kleines Wunder ist ein Gesellschaftsportrait Frankreichs des 18. Jahrhunderts – kombiniert mit dem fantastischen Element um Denis – welches die historisch belegten Ereignisse als Rahmen für das von Mangin inszenzierte Szenario nutzt und für lebhafte Unterhaltung sorgt.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Der Plot wird in zwei Abschnitten erzählt, die mit ganzseitigen Zeichnungen – vermutlich den Originalcovern der jeweiligen Veröffentlichungen in Frankreich – eingeleitet werden. Die Geschichte setzt am 01.07.1766 direkt mit der Hinrichtung von de la Barre ein, stellvertretend für die Stimmung in Frankreich zu dieser Zeit. In den folgenden Handlungen dieses Comicbandes spielen die Gewalttaten vor, während und nach der Französischen Revolution eine entscheidende Rolle. Der Zeichner vermittelt dies in realistischen Bildern ohne Beschönigung, aber auch ohne die Brutalität der Vollstreckungen zu verherrlichen. Dennoch fließt – wie nicht anders zu erwarten – das Blut der Hingerichteten, daher empfehle ich diesen Comic erst ab einem Alter von 14 Jahren.

Dem kleinen Denis sieht man bereits im Alter von 8 Jahren an, dass er den Schalk im Nacken trägt, denn seine Augen leuchten und sein Lächeln ist ansteckend. In anderen Szenen wird schnell klar, dass ihn seine isolierte Situation sehr belastet. Besonders quälen ihn die Visionen von der Hinrichtung seines Vaters, die sich in tiefrot-monochromer Tonung deutlich von der Geschichte absetzen. Durch seine Erlebnisse verändert er sich im Laufe der Zeit; so wird er ein Meister darin, die unschuldigen Gesichtszüge, die ihm der Zeichner verleiht, als Maske zu tragen. Doch lässt er diese fallen, zeigt sich dahinter ein verschlagenes Grinsen.

Die Bewohner von Paris, ob nun in den Schänken, am Schafott oder in den Klöstern und Kirchen, sind alle individuell zu Papier gebracht und gut zu unterscheiden. Solange für eine Szene wichtig, sind sie ordentlich gezeichnet, wenngleich auch der letzte Feinschliff fehlen mag. Ihr Gebaren, ihre Uniformen oder Kleidung, der Schmuck und die Waffen entsprechen der Mode des 18. Jahrhunderts. Statisten hingegen, die sich in den Hintergründen herumtreiben oder in Menschenmassen die Bilder nur füllen sollen, sind vernachlässigter, teils nur sehr schemenhaft gezeichnet. Dies tut der Geschichte jedoch keinen Abbruch, lenkt es den Fokus doch auf die bildwichtigen Bestandteile.

Die meisten seiner Bilder hat Griffo mit dem entsprechenden Umfeld versehen, so dass man sich jederzeit orientieren kann. Spannend ausgearbeitet und schön anzuschauen ist die sakrale Architektur des Klosters der Ursulien. Die vielen Verzierungen, Räumlichkeiten und auch der Klostergarten sind recht detailreich wiedergegeben, besonders beeindruckend ist die Sicht aus der Vogelperspektive auf Seite 17. Ab Seite 31 gelingt es dem Zeichner gut, einen Teil der Schönheit Versailles einzufangen. Die säulenreiche Fassade gibt er mit vielen Einzelheiten wider. Auch das Innere ist nett illustriert, hält sich in den punktuellen Details aber eher zurück. Dennoch vermitteln die Räume den verschwenderischen Reichtum und die Dekadenz am Hofe des Königs. Und natürlich darf die Bastille als Wahrzeichen der Französischen Revolution nicht fehlen. Hier ist es ähnlich, wie bei den Figuren: Der Blick des Lesers wird bewusst gelenkt. Während die Vordergründe sehr ansehnlich gezeichnet sind, werden die Bildtiefen – vor allem fällt dies bei Straßenszenen auf – verhaltener inszeniert.

Griffo versteht es, in seinen Bildern Atmosphäre zu erzeugen, ob nun in Kirchen, in den regenverhangenen Straßen Paris‘ oder in Denis‘ Club. Beeindruckend sind die Lichtstimmungen wie in der Kathedrale, in der die Exorzierung durchgeführt wird.

Die Darstellung der Panels folgt dem klassischen Stil, sie sind mit feinen schwarzen Rändern versehen, während weiße Stege für die Trennung sorgen. Bei der Farbpalette wurde zu natürlichen, aber gedeckten Farben gegriffen, während Farb- und Schattenverläufe teilweise weniger deutliche Konturen hätten haben dürfen. Die Schrift ist – typisch für Comics – in Großschrift gehalten; auf Geräuschworte wird bis auf sehr wenige Ausnahmen vollständig verzichtet.


Aufmachung des Comics
Bereits das Cover vermittelt mit den kühlen Farben des Himmels, der blutigen Guillotine und dem spöttisch-grausamen Lächeln von Denis eine bedrohliche Atmosphäre, dennoch ist es ansprechend gestaltet und verlockt dazu, den Comic in die Hand zu nehmen. Die Schriftzüge, die Guillotine und Denis heben sich mit Spotlack von dem ansonsten matt gehaltenen Umschlagdeckel der Hardcover-Ausführung ab.

Die Vorsatzpapiere bieten Kurzinformationen zu historischen Persönlichkeiten, Orten und anderen Begriffen der französischen Revolution. Die Verarbeitung und Materialwahl sind – wie man das von Finix kennt – wieder tadellos. Auf eine Zusatzausstattung und Informationen zur Autorin und zum Zeichner wird im Comic verzichtet, jedoch finden sich – bei Finix ebenfalls ein bekannter Service – umfassende Infos auf der Verlagshomepage.


Fazit
Die Französische Revolution bildet den Rahmen zu dieser ungewöhnlichen Geschichte um den kleinen Denis, der blutige Rache für die Ermordung und Verunglimpfung seines Vaters und die Gesellschaft, in der er aufwächst, nimmt. Ein Plot um Intrigen, Macht und den Tod – spannende Unterhaltung für Fans historischer Comics.


4,5 Sterne


Hinweise
Rezension von Sven Trautmann
Herzlichen Dank an den Finix Comics-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.


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