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Hallo Herr Hennen! Schön, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Vielleicht erzählen Sie unseren Lesern erst einmal etwas über sich und wie sie zum Schreiben gekommen sind?

Mein Lebensweg war alles andere als geradlinig. In verschiedenen Lebensaltern wollte ich Archäologe, Zahnarzt oder Künstler werden. Tatsächlich war ich Filmvorführer, Journalist, Radiomoderator, Weihnachtsmann zum Mieten und Schwertkämpfer auf Mittelaltermärkten. Mit diesem Weg verbunden sind Träume und Erlebnisse, aus denen ich noch heute schöpfe, wenn ich schreibe. Letztlich war es der Wunsch, wirklich lange und ganz eigene Geschichten zu schreiben, der mich vom Journalismus zum Autorenberuf führte. Lange Jahre habe ich beide Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt, weil weder das eine noch das andere allein zum Leben reichte.


Gibt es einen Autor oder ein Buch, der oder das in Ihnen den Wunsch geweckt hat, selbst Schriftsteller zu werden?

Mit der Frage nach den Lieblingsautoren habe ich Schwierigkeiten. Das hängt sehr vom Genre ab und meine Vorlieben haben sich auch im Verlaufe der Zeit sehr verändert. Mein Fantasy-Schlüsselerlebnis hatte ich – wie so viele – mit Tolkiens „Herr der Ringe“. Dann wären noch zu nennen Ernest Hemingway, Heinrich Böll, Günter Grass, Oscar Wilde, E.A. Poe, Stanislaw Lem, Jack London usw., usw. Vorbilder waren sie alle, aber ein Vorbild hatte ich nie. Imponiert aber hat mir der Spannungsaufbau bei dem einen, der glänzende Stil des anderen, die inneren Monologe des nächsten, die Authentizität des weiteren, die Metaphorik des folgenden. Gelernt habe ich also, was sich alles zusammenfügen muss, damit etwas gelingt. Aus der Sparte Fantasy wären David Gemmell und G. R. R. Martin hervorzuheben, die beide auf ganz unterschiedliche Art wunderbare Erzähler sind.


Ihre schriftstellerische Laufbahn wird vielerorts als Bilderbuchkarriere bezeichnet. Verlief wirklich alles so glatt oder gab es Momente, in denen sie die Brocken am liebsten hingeschmissen hätten? Wenn ja, was hat sie dazu gebracht, weiter zu machen?

Das ist alles sehr relativ. Dem großen Erfolg der letzten Jahre sind 12 Jahre vorangegangen, in denen die Einkünfte vom Schreiben kaum zum Leben reichten. Auch in diesen Zeiten habe ich keinen ernsthaften Gedanken an das Aufhören verschwendet. Was ich mir heute aber zuweilen wünsche, ist eine längere Schreibpause.


Was waren die wichtigsten Wegpunkte zum Erfolg?

Ich habe zu Beginn meiner Laufbahn viele Rollenspielabenteuer verfasst. Rollenspiele haben mich schon als Jugendlicher sehr fasziniert. Meistens habe ich die Rolle des Spielleiters übernommen. Ich glaube, es war das Erlebnis, sich gemeinsam eine Geschichte zu erzählen, die jeden Augenblick eine neue Wendung nehmen kann, was mich an dieser Form des Spielens besonders gereizt hat. Vom Schreiben eigener Rollenspiele zu den ersten Romanen war es dann eigentlich eine logische Weiterentwicklung. Es war eine Herausforderung, den Rahmen der DSA*-Welt auszudehnen und aus Konzepten für Rollenspielabenteuer schlüssige Romanhandlungen zu gestalten. Ganz so einfach, wie es im Nachhinein klingt, war es jedoch nicht; unter anderem musste ich mir ja die völlig anderen Gesetzmäßigkeiten eines neuen Genres erarbeiten. Bei meinem ersten Buch hat mir Wolfgang Hohlbein geholfen, und ich glaube, ohne ihn hätte ich nicht einen so leichten Einstieg in die Welt der Autoren und Verlage gefunden.


Ist ihr humoristisch-fantastischer Roman „Nebenan“ ein Stück weit Autobiografie?

Im weitesten Sinne stimmt das. Ich habe lange in Köln gelebt und viele der kleinen Geschichten über die Stadt, die in den Roman eingeflossen sind, sind näher an der Wirklichkeit, als das gemeinhin in einer Fantasy-Erzählung der Fall ist. Auch die Bezüge auf die Mittelaltermarktszene enthalten Anklänge auf selbst Erlebtes. Aber ansonsten ist natürlich alles frei erfunden.


Einige Schriftsteller gehen zum Schreiben tage- und wochenlang in Klausur, andere schreiben ein festes Pensum am Tag. Welcher Typ sind Sie?

Bis vor gar nicht allzu langer Zeit habe ich mich selbst zum Schreiben einige Wochen im Jahr in ein abgelegenes Hotel zurückgezogen, um dort 14 bis 16 Stunden am Tag zu arbeiten. Inzwischen habe ich aber eine so gute Kombination von Privat- und Berufsleben gefunden, dass solche – oft auch schmerzlichen – Trennungen nicht mehr nötig sind.


Wie sieht ein „normaler“ Arbeitstag im Leben von Bernhard Hennen aus?

Theoretisch würde ich nach dem Frühstück gerne die wichtigste Post bearbeiten, einige dringende Telefongespräche führen und dann ein paar Besorgungen machen. Es bliebe dann der überwiegende Teil des Tages für die schriftstellerische Arbeit. Nur leider stimmt die Theorie nicht allzu häufig mit der Wirklichkeit überein. Etwa jeden zweiten Tag hat sich dieser Zeitplan schon um die Mittagszeit erledigt. Da heißt es dann improvisieren und regelmäßig „Nachtschichten“ einzulegen, um Termine einhalten zu können. Alles in allem erledige ich meine schriftstellerische Arbeit am besten am Abend und in der Nacht.


Wie bereits erwähnt, haben Sie lange Zeit Aventurien, die Welt des Rollenspiels „Das Schwarze Auge“, durch verschiedene Publikationen mit gestaltet. Mit „Rabensturm“ erschien vor nicht allzu langer Zeit eine Neuauflage Ihrer erfolgreichen Aventurien-Trilogie „Drei Nächte in Fasar“. Für April 2009 ist ein Roman mit dem Titel „Rabengott“ angekündigt. Handelt es sich hierbei ebenfalls um die Neuauflage eines Ihrer frühen Aventurien-Werke?

Das ist eine richtige Vermutung. Es handelt sich um eine bearbeitete Neuauflage von „Das Gesicht am Fenster“. Der neue Name bezieht sich auf Al´Anfa, die Stadt des Rabengottes. „Rabengott“ ist ein eigenständiger Roman, der nur einige lose Verknüpfungen mit meinen anderen DSA-Romanen hat.


Verfolgen Sie die Weiterentwicklung der Welt Aventurien? Wird es zukünftig von Ihnen neue Publikationen in diesem Bereich geben?

Natürlich verfolge ich die Entwicklung. Weitere Publikationen in diesem Bereich sind jedoch – zumindest auf längere Sicht – nicht vorgesehen. Allerdings werden meine alten Rollenspielabenteuer in einer überarbeiteten Form neu erscheinen.


Welchen Einfluss hat Ihre Erfahrung als Rollenspieler und Rollenspielautor auf Ihre heutigen Texte, insbesondere die Erschaffung der Charaktere?

Als Spielleiter habe ich gelernt, wie man Geschichten so aufbaut, dass eine stetig steigende Spannungskurve entsteht. Kombiniert mit dem theoretischen Wissen meines Germanistikstudiums, erweist sich das auch nach vielen Jahren noch als gutes Rüstzeug, um aus Ideen Romane werden zu lassen.


Wie viel Sekundärtext entsteht, wenn Sie eine Welt wie die der Elfen-Reihe erschaffen? Wie müssen wir uns das vorstellen? Gibt es eine komplette Weltenbeschreibung?

Bei einem so ausführlichen Werk ist „Sekundärtext“ erforderlich. Am Anfang war alles noch in groben Zügen entwickelt, woraus sich die Einzelheiten bei der Gestaltung ergaben. Inzwischen habe ich jedoch in einem ausführlichen Register vieles festgehalten. Dies wurde zur Grundlage für ein umfassendes Glossar, das im Magazin ‚Nautilus‘ in der ersten Ausgabe 2009 erschien. Auch die Geographie wird immer präziser, was am Fortschritt einzelner Karten erkennbar ist. Daneben wird eine Chronologie der Alben- und der Menschenwelt fortgeschrieben. Ein größerer Teil davon ist inzwischen in „Elfenlied“ nachzulesen.


Ihr Roman „Die Elfen“, wie auch teilweise der Nachfolger „Elfenwinter“, wurden bereits ins Italienische, Niederländische, Spanische und Tschechische übersetzt. Wird es noch eine Übersetzung ins Englische geben oder ist es für deutsche Fantasy-Autoren schlicht unmöglich, den Sprung über den Kanal bzw. den großen Teich zu schaffen?

Es gibt sogar inzwischen noch mehr Übersetzungen, z.B. ins Französische, an einer ukrainischen Ausgabe wird gearbeitet. Eine Übersetzung ins Englische zu schaffen, ist allerdings die größte Hürde. Da kann nur das Prinzip Hoffnung gelten.


Von 2002 bis 2004 veröffentlichten Sie zusammen mit Hadmar von Wieser, Thomas Finn und Karl-Heinz Witzko unter dem Pseudonym Magus Magellan das äußerst innovative und lesenswerte Gezeitenwelt-Epos. Sie eröffneten die Serie damals mit dem ersten Band „Der Wahrträumer“. Nach insgesamt 6 Bänden aber war Schluss für die auf insgesamt 14 Bände angelegte Serie. Damals hieß es von Seiten der Autoren, die Serie würde irgendwann weitergeführt werden. Hand aufs Herz: Gibt es ernsthafte Bestrebungen, die Gezeitenwelt jemals fortzusetzen?

Das war in der Tat ein sehr engagiertes Projekt, in dem unglaublich viel Recherchearbeit steckt. So wäre eine Fortsetzung schon sehr wünschenswert. Aber wann? Das ist die Frage. Zurzeit bin ich noch in einem längerfristigen Projekt gebunden. Und so weit ich weiß, sieht es bei meinen Kollegen ähnlich aus. Wir alle haben noch Hoffnung, dass es weitergeht. Aber es wird mit Sicherheit noch Jahre dauern, bis wir die Arbeit am Gezeitenwelt-Zyklus fortsetzen können.


War das Gezeitenweltprojekt, in dem Sie ja weitestgehend auf klassische Muster der Fantasy verzichtet haben, zu „anders“? Muss Fantasy-Literatur ein bestimmtes Format inklusive Elfen, Zwergen und Zauberern haben, um erfolgreich zu sein?

Daran ist leider etwas Richtiges. Die „Durchsetzung“ am Markt ist bei solchen Projekten ungleich schwieriger. Erfolgreiche Fantasy bewegt sich leider in relativ engen Bahnen. Selbst gegen die Einführung von Schießpulverwaffen in meinem Elfenritter-Zyklus, der in einer Epoche spielt, die an die irdische Renaissance angelehnt ist, sind etliche Leser Sturm gelaufen. Dennoch werde ich versuchen, ein Grenzgänger zu bleiben. Nur so kann man hoffen, etwas wirklich Neues zu schaffen.


Nach dem Ausflug in die Elfenritter-Trilogie nehmen Sie den Faden des ursprünglichen Elfen-Zyklus wieder auf. Gerade ist das oben bereits erwähnte „Elfenlied“ erschienen und mit „Elfenkönigin“ ist ein weiterer Band für Mitte 2009 angekündigt. Erzählen Sie uns doch etwas über diese Bücher!

„Elfenlied“ wird für viele sicherlich überraschend sein. Darin enthalten sind eine Novelle über die Lutin Ganda, die in Ich-Form erzählt wird, 99 Gedichte ihrer Auenfeenfreundin Mondblüte, eine Chronologie der ersten drei Elfen-Bände, sowie ein „Making-of“ und eine Vorschau auf einen Elfenbildband.
„Elfenkönigin“ knüpft an „Elfenlicht“ an und erzählt die Ereignisse während der Herrschaft der Trolle und Kobolde.


Ist die Elfenreihe mit diesen beiden Bänden abgeschlossen? Gibt es schon neue Projekte, auf die wir uns freuen dürfen?

Es gibt durchaus noch Pläne für die Zukunft, u. a. ein Band über die „Schattenkriege“, von denen in den Elfenritter-Bänden des Öfteren die Rede war.


Sie haben in der Vergangenheit ausschließlich phantastische und historische Romane veröffentlicht. Welche Lektüre bevorzugt der Leser Bernhard Hennen?

Da bin ich nicht festgelegt. Mein Interesse ist breit gestreut, und das nicht nur in der Belletristik. Historische und archäologische Fachliteratur gehören auch immer dazu.


Haben Sie abschließend noch einen Buchtipp für die Besucher der Leser-Welt?

Eine verhängnisvolle Frage! Ich bin mit vielen Schriftstellern befreundet, etwa Wolfgang Hohlbein, Kai Meyer, Christoph Hardebusch, Markus Heitz und Karl-Heinz Witzko. Da kann ich schlecht einen Einzelnen hervorheben. Deshalb als Buchtipp das Werk eines berühmten Toten. Kurzgeschichten von O. Henry lese ich immer wieder gerne. „Die Stimme der Stadt“ zum Beispiel ist eine wunderbare Geschichtensammlung.


Herr Hennen, ich bedanke mich für das Interview!


*DSA = Das Schwarze Auge, Deutschlands erfolgreichstes Fantasy-Rollenspiel.

 


Die offizielle Homepage des Autors: http://www.bernhard-hennen.de/

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