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"Bitte!", hörte ich mich flüstern. Die Worte kamen wie von selbst. "Bitte, William Longspee. Hilf mir."
Und plötzlich hörte ich Schritte. Klirrende Schritte, wie von Eisenschuhen. Ich drehte mich um.
Und da stand er.

Jon Whitcroft hat es schwer. Seine Mutter und ihr neuer Freund schicken ihn aufs Internat nach Salisbury. Strömender Regen, dunkle Gemäuer, enge Flure, fremde Gesichter und ein Zimmer, das er sich mit zwei Mitschülern teilen muss. Jon ahnt nicht, dass dies bald seine geringsten Sorgen sein werden. Denn in seiner sechsten Nacht im Internat erscheinen plötzlich drei Geister unter dem Fenster seines Zimmers und starren zu ihm herauf. Zum Glück gibt es jemanden in Salisbury, der sich mit Geistern auskennt …

 

Geisterritter 

Autor: Cornelia Funke
Verlag: Cecilie Dressler Verlag
Erschienen: August 2011
ISBN: 978-3-7915-0479-7
Seitenzahl: 256 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Die Zusammenfassung auf der Buchrückseite gibt den Inhalt des Buches bereits treffend wieder. Cornelia Funke präsentiert mit "Geisterritter" nach elf Jahren endlich wieder einen Roman für Kinder - die Erwartungen sind dementsprechend hoch. Leider wird die Autorin diesen jedoch nicht gerecht, reicht ihr neuestes Werk an die bisherigen Kinderbücher wie "Der Herr der Diebe", "Drachenreiter" oder "Igraine Ohnefurcht" bei weitem nicht heran. Interessant ist auf jeden Fall, dass einige der Figuren historisch belegt und auch die Ereignisse nicht gänzlich der Fantasie der Autorin entsprungen sind. Das Glossar am Ende des Buches sowie das Nachwort ermöglichen dabei einen spannenden Einblick in die Inspiration Cornelia Funkes.


Stil und Sprache
Jon Whitcroft, die Hauptfigur dieser Geschichte, führt den Leser in der ersten Person durch seine Abenteuer. Dabei blickt er acht Jahre später auf das Geschehen und sein elfjähriges Selbst zurück und erzählt dementsprechend nicht nur in der Vergangenheitsform, sondern vor allem "frei von der Leber weg" - und das mit einem gerade zu Beginn recht aufmüpfigen Tonfall. Jon ist genervt, fühlt sich von der ganzen Welt ungerecht behandelt und so sprechen seine schlechte Laune und sein Pessimismus aus jeder Zeile. Als die gruseligen Geister aufrauchen und Jon Kontakt mit Ella knüpft, wird er endlich weniger aufsässig und selbstmitleidig und gibt dem Leser damit eine Chance, sich mit ihm anzufreunden und mit der Geschichte warm zu werden.

Der ältere Jon kann durch die zurückblickende Erzählweise Andeutungen auf zukünftiges Geschehen machen, wie zum Beispiel direkt auf Seite 10: "Unterschätze niemals deine Feinde!, würde Longspee mir später beibringen. Aber leider war ich ihm damals noch nicht begegnet." Sicherlich soll dieser Kunstgriff, auf den die Autorin öfter zurück greift, den Spannungsbogen straffen, doch erreicht sie mit der Zeit eher das Gegenteil. Dadurch, dass Jon weiß, wie die Geschichte ausgeht, fühlt sich der Leser im Nachteil und künstlich hingehalten, denn über die wirklich wichtigen Ereignisse lässt er vorab nichts verlauten, während er weniger wichtige Details der Geschichte bereits vorwegnimmt.

Auch wenn der Leser immer wieder auf Cornelia Funkes schönen, bildreichen Schreibstil trifft - wie zum Beispiel auf Seite 23: "Stu war nur unerheblich größer als ein Eichhörnchen und hatte so viele Sommersprossen, dass sie kaum auf sein Gesicht passten." -, fehlt es dieser Geschichte an dem gewissen Etwas, das die Bücher der Autorin sonst auszeichnet. Der Zauber, der kleine wie große Leser in ihre fiktive Welt hineinzieht und sie gerne dort verweilen lässt, ist - wenn überhaupt - kaum spürbar. Sowohl die Umsetzung der an sich interessanten Grundidee als auch die verwendete Sprache können nicht so recht überzeugen; hin und wieder stolpert man gar über vermeidbare Wortwiederholungen. Alles in allem lässt sich das Buch mit seinem einfachen und zielgruppengerechten Schreibstil jedoch flüssig lesen.


Figuren
Jon Whitcroft - zum Zeitpunkt der turbulenten Ereignisse elf Jahre alt - ist die Hauptfigur dieser Geschichte. Er macht zunächst keinen allzu liebenswerten oder sympathischen Eindruck. Sein scheinbar grenzenloses Selbstmitleid nervt mit der Zeit ungemein, wodurch es schwer fällt, mit dieser Figur warm zu werden und ihre Erlebnisse an sich heran zu lassen. Im Verlauf der Handlung wird Jon jedoch deutlich umgänglicher und gibt dem Leser die Möglichkeit, sich auf ihn und seine Abenteuer einzulassen. Vor allem seine Freundschaft mit Ella trägt dazu einen großen Teil bei. Sie ist ein hartnäckiges, liebenswertes, kluges und mutiges Mädchen - und eine wunderbare Freundin!
Ihre Großmutter Zelda ist eine außergewöhnliche Frau, die der Geschichte ein wenig Würze verleiht. Sie ist noch dickköpfiger als Ella, flucht gerne mit Pflanzennamen (z.B.: "Nesseldreck") und sammelt Kröten, die nicht nur ums Haus herum, sondern auch darin überall herum hüpfen. Sie schließt man direkt ins Herz.

Darüber hinaus gibt es noch weitere Figuren, wie Jons Zimmergenossen Stu und Angus, den geisterhaften Ritter Longspee oder den wenig freundlichen Antagonisten Lord Charles Stourton. Sie alle sind ihren Rollen entsprechend ausgearbeitet.


Aufmachung des Buches
Cornelia Funkes neuestes Werk kommt als gebundenes Buch daher. Für den Einband sowie die 17 ganzseitigen und 5 doppelseitigen Bilder im Innern des Buches zeichnet der Illustrator Friedrich Hechelmann verantwortlich. Eine verkleinerte Abbildung eines der Bilder ist jedem der nummerierten und betitelten Kapitel voran gestellt.
Leider scheint der Illustrator die Beschreibungen mal nicht ganz so aufmerksam gelesen zu haben - so ist auf Seite 57 von Zeldas Bluse mit Blumenmuster die Rede, auf dem Bild auf Seite 53 trägt sie jedoch einen grünen Pullover mit weißem Muster -, ein andermal nimmt er den bildhaften Schreibstil Funkes jedoch zu wörtlich. Die Autorin schreibt dem verstorbenen Choristen zwar ein verschlagenes Grinsen wie der Grinsekatze aus "Alice im Wunderland" zu (Seite 186) und schreibt, dass er große Ähnlichkeit mit einer Katze hat, aber letztendlich ist er ein verstorbener Junge und kein Tier. Dennoch hat Hechelmann ihn mit einem Katzenkopf dargestellt - und ihm dabei auch nicht die geisterhafte Durchsichtigkeit angedeihen lassen. Gerade dieser auffällige Bruch gegenüber der Geschichte zerstört beim Betrachten das Gesamtbild. Das ist besonders schade, da die Illustrationen an sich wunderschön und sehr atmosphärisch sind. Gerade der "Weichzeichner-Effekt" trägt einen großen Teil dazu bei, dass die Bilder eine verzauberte Wirkung haben.

Im Glossar am Ende des Buches werden Begriffe wie "Abtei" und Personen wie "Lord John Cheney" der Zielgruppe entsprechend erklärt bzw. vorgestellt. Ein Nachwort mit Danksagung fehlt ebenfalls nicht.


Fazit
Cornelia Funke kann mit ihrem neuen Kinderbuch "Geisterritter" leider nicht überzeugen und enttäuscht die hohen Erwartungen ihrer Leser. Die Grundidee der Handlung ist dabei durchaus gut, an der Umsetzung hapert es jedoch, sodass es schwer fällt, vollends in die Geschichte einzutauchen. Schade, das kann die Autorin wahrlich besser!


2,5_Sterne


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