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Angeblich gehöre ich zur Generation der Vollidioten, Bausparer und Lahmärsche. Ich bin verzagt, unpolitisch und konsumorientiert. Ich verblöde vor der Glotze, verblöde im Internet, verblöde mangels Bücher im Schrank. Ich höre auf Dieter Bohlen, bin wertkonservativ, kann auf einer Landkarte nicht oben von unten unterscheiden. Ich glaube, dass der Deutsche Bundestag ein Feiertag ist. Apropos feiern: Ein Hoch auf die Spaßkultur!

Klaus Raab hat es satt, als doof, angepasst und verzagt bezeichnet zu werden. Denn was ihn wirklich auszeichnet – was seine ganze Generation auszeichnet -, ist der Umstand, in einer Zeit jung zu sein, in der sich die Gesellschaft wandelt wie lange nicht. Dieser Wandel geschieht schon seit geraumer Zeit, und er heißt: Digitale Revolution.

 

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Autor: Klaus Raab
Verlag: Blanvalet
Erschienen: 21. März 2011
ISBN: 978-3-7645-0403-8
Seitenzahl: 336 Seiten

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Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Raab steig in sein Thema - digitale Generation und digitale Revolution – ein, indem er einen ironischen Rückblick aus dem Jahr 2111 auf 2011 verfasst. Er schließt es übrigens mit einer Reportage aus dem Jahr 2041 ab. Dazwischen widmet er sich der Ist-Zeit. Der Autor zählt sich selbst noch zur digitalen Generation, aber er ist kein digital native (ab Geburtsjahr 1980), also jemand, der die Welt noch ohne Google und Wikipedia kennt und seine Hausaufgaben auch noch ohne erledigen musste. Trotzdem ist er zunächst ziemlich verschnupft angesichts des Urteils (siehe Klappentext), das die analoge Generation, also alle ab Mitte 30, über ihn und die noch Jüngeren fällt. Er nennt es ein Zerrbild von Jugendlichen. Während bis vor ca. 10 Jahren die Musik, die Jugendliche hörten, an allem schuld war, ist es jetzt das Internet. Kaum einer, der nicht der digitalen Generation angehört, fühlt sich dort zu hause und die allermeisten sehen nur deshalb den Untergang des Abendlandes voraus, weil sie fürchten von der Jugend abgehängt zu werden, denn die tut was alle Generationen vor ihr schon taten: sie schafft sich die Welt von morgen, in der sie einmal leben will. Die Älteren spüren es, die Jungen wissen es – im Moment findet die größte Umwälzung der Gesellschaft seit - ja seit wann? - statt. Im Netz sind die Hierarchien flach und die Machtverteilung geht eher von unten noch oben, als umgekehrt. Das bisherige Medienmonopol mit seiner Vorauswahl von Information wird aufgebrochen, die User sind mehr Produzenten denn Konsumenten, und weltweit stellen Menschen Informationen ins Netz, die für alle schnell und jederzeit verfügbar sind. Das macht Angst und führt zur gegenwärtigen Gut / Böse Diskussion, wo doch eine sachliche Argumentation über Chancen und Risiken dringend von Nöten wäre. Die Gestaltung des Netzes ist eine generationenübergreifende Aufgabe, die ein "allgemeines Menschheits-WIR " (Seite 290) braucht, kein wir gegen die. Das Netz muss frei bleiben - frei von übermäßiger staatlicher Kontrolle und vor allem muss verhindert werden, dass Konzerne sich das Netz unter den Nagel reißen.

Natürlich geht der Autor in seinem, übrigens sehr gut recherchierten, Buch auch auf die Kritik der Gegner ein und führt diese manchmal ad absurdum (z.B. Killerspiele) oder fordert im Falle des Urheberrechts neue, den Nutzergewohnheiten des Netzes angepasste, Regeln. Da sich das Netz stetig wandelt, muss ein neuer Wertekonsens gefunden werden, auch oder gerade bei den personenbezogenen Daten. Hier möchte er weltweit geltende Datenschutzbestimmungen durchsetzen.
Raab wendet sich aus meiner Sicht mehr an die analoge Generation, der er erklärt - oder es zumindest versucht -, wie heutige Jugendliche und junge Erwachsene denken. Diffusen Vorurteilen und Ängsten stellt er Fakten entgegen ohne zu werten. Er versteht sich als Aufklärer und als Angehöriger einer digitalen Avantgarde, dabei bekennt er gleich zu Beginn, dass er hier seine subjektive Sichtweise präsentiert und ist doch paradoxerweise in vielen Dingen objektiver, als die, die angeblich objektiv berichten, z.B. Journalisten, denn die haben ein berechtigtes Interesse alles beim Alten zu lassen, fordert das Netz doch von ihnen, sich und ihren Beruf völlig neu zu erfinden. Dennoch werden aber auch die digitale Generation, inklusive der digital natives, das Buch mit Gewinn lesen, schließlich bringt der Autor ihnen ihre Eltern etwas näher, erklärt wie deren Rebellion in der Vergangenheit funktionierte.

Wer jetzt einen schwer verdaulichen Schinken erwartet, kennt den Autor noch nicht. Der redet oft wie ihm der Schnabel gewachsen ist und brachte mich mehr als einmal zum Lachen. Er spielt mit den Erwartungen der Leser, führt sie manchmal an der Nase herum, und hält manchem einen Spiegel vor; verdeutlicht Inhalte anhand von kurzen Dialogen (meist zwischen Kindern und Eltern) und Anekdoten. Ein wenig Hintergrundwissen wird aber auch verlangt. Man sollte schon wissen wer Mark Zuckerberg ist, und Facebook nicht für die Abizeitung des letzten Jahres halten. Klug und sachkundig, manchmal philosophisch, wirbt er für ein Miteinander der Generationen, möchte Gräben zuschütten, statt neue aufzureißen oder alte zu vertiefen. Und ich denke, dass ihm das gelungen ist.


Aufmachung des Buches
Raabs Buch ist ein Taschenbuch mit einem etwas ungewöhnlichen Einband. Ein Teil des Covers - Grafik und Schrift - sind glänzend und ein wenig erhaben, das weiße "Mittelband" dagegen matt, dadurch fühlt es sich schon anders an als gewohnt. Der Titel in Rot hebt sich gut ab und ist dadurch auch sofort gut zu lesen. Der grafische Teil stellt Schattenrisse dar, die wie Passbilder wirken. Sie bilden ein fliesen-ähnliches Muster, wobei einige Kacheln keinen Schattenriss enthalten, sondern ein Fragezeichen. Wer also fehlt? Das ist ein gelungener Einstieg ins Thema dieses Buches. Abgeschlossen wird das Buch durch die Quellenangaben, die aber nicht durch Fußnoten im Text gekennzeichnet sind. Ob das nun die richtige Art zu zitieren ist, oder nicht, vermag ich nicht zu beurteilen, jedenfalls ist zu Guttenberg noch kein Thema im Buch, obwohl der Autor sich sehr wohl zu Tagesereignissen äußert.


Fazit
Ein kluges Buch, ein sachliches noch dazu. Vielleicht das politischste Buch seit langem. Unbedingt lesen, egal ob man nun der digitalen Generation angehört oder nicht!


5 Sterne


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