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Herzlichen Dank Herr Beckett, dass Sie sich die Zeit für einige Fragen nehmen. Nachdem Sie Ihren Studienabschluss in Englisch gemacht hatten, haben Sie nicht direkt mit dem Schreiben begonnen, sondern als Lehrer gearbeitet, in verschiedenen Bands gespielt und dann als freiberuflicher Journalist gearbeitet. Wie kam es dazu, dass Sie letztendlich Krimiautor geworden sind?

Ursprünglich wurde ich freiberuflicher Journalist, um die Rechnungen zu zahlen, während ich versuchte, einen Verlag für meinen ersten Roman zu finden (‚Fine Lines‘, im letzten Jahr in Deutschland unter dem Titel ‚Voyeur‘ erschienen). Ich hatte gar nicht darüber nachgedacht, welche Art von Roman das eigentlich war – ich schrieb es als eine Auseinandersetzung mit der dunklen Seite der menschlichen Natur – und war dann überrascht, als die Menschen einen Krimi darin sahen. Ich hatte das vorher nie so betrachtet. Obwohl ich mittlerweile ganz glücklich damit bin, mich Krimi-Autor zu nennen, hüte ich mich davor, Dinge zu sehr zu kategorisieren. Wenn eine Geschichte in meinem Kopf funktioniert, spielt es keine Rolle, in welches Genre sie fällt.


Die David-Hunter-Serie ist in vielen Ländern ein großer Erfolg. Wie erklären Sie sich das? Und haben Sie diesen Erfolg erwartet, nachdem der erste Teil erschienen war?

Ich kann mir das auch nicht richtig erklären, auch wenn ich natürlich sehr glücklich darüber bin, dass die Bücher so erfolgreich sind. Ich glaube, die Leser haben David Hunter als Charakter angenommen. Natürlich tragen auch andere passende Faktoren, wie gute Übersetzungen und starke Cover zu dem Erfolg bei. Aber all das habe ich nicht voraussehen können, als ich ‚Die Chemie des Todes‘ schrieb. Zu der Zeit hatte ich seit einigen Jahren nichts veröffentlicht, so dass ich nicht einmal wusste, ob meine Agenten in der Lage sein würden, einen Verlag dafür zu finden. Ich bin sehr glücklich, dass sie es geschafft haben.


Gerade wurde in Deutschland der vierte Roman um Dr. Hunter veröffentlicht (‚Verwesung‘ ). Dort geht es auch um David Hunters Hintergrund und in die Zeit zurück, als er noch Frau und Tochter hatte. War Ihnen das schon klar, als Sie mit der Serie begannen? Hatte David Hunter von Anfang an eine vollständige „Geschichte“ oder haben Sie diese erst im Laufe der weiteren Bücher entwickelt?

Ich habe ungefähr ein Jahr damit verbracht, David Hunters Charakter und seinen Hintergrund zu entwickeln, bevor ich mit ‚Die Chemie des Todes‘ begann, und nicht alles davon hat den Weg in den fertigen Roman gefunden. Aber auch wenn ich immer einen guten Überblick über seine Geschichte hatte, habe ich doch genug Lücken darin gelassen, um die Figur während der folgenden Bücher weiter entwickeln zu können. Ich mag die Idee, dass es Dinge gibt, die die Leute nicht über ihn wissen, mich selbst eingeschlossen.


David Hunter arbeitet als forensischer Anthropologe und seine Geschichten enthalten eine Menge Details über Tod und Verwesung. Was fasziniert Sie so sehr daran?

Ich bin der Meinung, dass forensische Wissenschaft – und besonders die forensische Anthropologie – ein faszinierendes Gebiet ist, aber ich bin nicht von Tod und Verwesung an sich fasziniert. Ich hatte keinerlei Interesse daran, bis ich die Body Farm in Tennessee besuchte, um einen Artikel darüber zu schreiben. Das hat einen starken Eindruck bei mir hinterlassen und ich war sehr beeindruckt von der Arbeit, die dort gemacht wird. So etwas zu sehen, führt einem die eigene Sterblichkeit vor Augen und ich wollte ein Gefühl dafür in meinen Romanen vermitteln. Aber ich hoffe, in ihnen steckt mehr als grausige Einzelheiten. Die Psychologie und die Motivationen der Charaktere sind zuletzt ebenso wichtig wie die forensischen Aspekte.


David Hunter ist kein typischer Ermittler. Er macht gelegentlich Fehler, wird verletzt und ist wirklich kein „harter Kerl“. Haben Sie ihn erfunden oder hat er sich selbst entwickelt? Und – wichtig – mögen Sie ihn leiden? Hätten Sie ihn gern als Freund?

Von Anfang an war mir wichtig, dass Hunter kein „harter Kerl“ ist. Ich wollte, dass er verletzlich und menschlich ist, dass er eher Fehler macht als immer alles richtig. Aber er wurde nicht „fertig“ geboren – wie bereits erwähnt, hat es doch einige Zeit gedauert, seine Figur zu entwickeln, trotzdem hat er sich in gewissem Maße selbst weiter entwickelt. Was das Mögen angeht, wir sind nicht immer einer Meinung. Aber andererseits wäre es schwierig, eine Serie mit einer Figur fortzuführen, mit der man nicht gut klarkommt.


Die Bücher der Hunter-Serie haben immer ein etwas offenes Ende, so dass Ihre Leser immer lange Zeit darauf warten müssen, wie es mit ihm weitergeht oder ob er überhaupt überlebt (am Schluss von ‚Kalte Asche‘). Warum tun Sie das? Wollen Sie Ihre Leser quälen? Und wissen Sie selbst immer, wie es im nächsten Buch weitergeht, wenn Sie eins beenden?

Ich mag es, eine Idee davon zu haben, was im nächsten Buch passieren wird, so dass man eine Fortführung der Geschichte spüren kann. Und ich tendiere auch deshalb zu „offenen“ Enden, weil man so den Eindruck hat, dass Hunters Leben weitergeht, auch nachdem das Buch vorbei ist, was meiner Meinung nach wichtig für eine Serie ist. Aber quälen will ich meine Leser nicht und sicherlich will ich kein Ende so schreiben, um sie dazu zu bewegen, die Fortsetzung zu kaufen. Bei ‚Kalte Asche‘ war die Schlussszene so unerwartet aber auch so stark, dass ich sie, nachdem die Idee einmal da war, so schreiben MUSSTE.


Aus dem Ende von ‚Verwesung‘ schließe ich, dass es auch einen fünften Teil mit Dr. Hunter geben wird. Können Sie unseren Lesern schon etwas darüber verraten?

Hmmm…nein. Leider nicht.


Vor Ihrem großen Erfolg mit der Hunter-Serie haben Sie einige andere Romane veröffentlicht, die nun auch in Deutschland wieder aufgelegt werden. Wie fühlt sich das an, diese „Frühwerke“ nach so vielen Jahren wieder zu lesen? Mögen Sie sie immer noch?

Ich war sehr erfreut, dass meinen früheren Romanen neues Leben gegeben wurde, besonders weil ich noch einige Änderungen vornehmen konnte, die sie – hoffentlich – verbessert haben. Normalerweise hat man diese Gelegenheit nicht, aber in diesem Fall war genug Zeit für mich vergangen, um beim erneuten Lesen objektiv zu sein. Diese Romane sind ganz anders als die David-Hunter-Bücher, aber ich bin immer noch stolz auf sie. Besonders für ‚Fine Lines‘ und ‚Animals‘ (der am 24. Februar im Rowohlt Taschenbuch Verlag unter dem Titel ‚Tiere‘ erscheint) habe ich immer noch eine Vorliebe.


Haben Sie besondere Rituale, die Sie beim Schreiben befolgen, zum Beispiel besondere Zeiten zum Schreiben oder eine Anzahl von Seiten am Tag? Wie darf man sich einen Tag im Leben eines Autors vorstellen?

Schreiben ist ein Schreibtisch-Job. Man schließt sich in seinem Büro ein  - oder wo immer man normalerweise arbeitet – und gibt sein Bestes, um seine Vorstellungen aufs Papier zu bringen. An manchen Tagen klappt das gut, an anderen weniger gut. Ich versuche, so gegen neun Uhr zu beginnen und bis ungefähr sechs Uhr zu arbeiten, aber ich kann nicht behaupten, die ganze Zeit über stringent zu schreiben. Da gibt es auch eine Menge „in die Luft oder aus dem Fenster starren“, während ich versuche, heraus zu finden, was ich tue. Mein gesetztes Ziel sind 1000 Wörter am Tag, aber das schaffe ich nicht immer. Oft ist es weniger, gelegentlich mehr, und normalerweise bin ich nicht zufrieden mit dem, was ich geschrieben habe und schreibe es später um. Das mache ich dann, bis das Buch fertig ist.


Ein deutscher Krimi-Autor hat über seine eigenen Lesegewohnheiten gesagt, dass er es vermeidet, Krimis zu lesen, damit niemand ihm vorwerfen kann, er habe Ideen gestohlen. Was lesen Sie selbst gern? Haben Sie Lieblingsautoren oder -genres?

Simon_Beckett_2_kleinIch lese sehr wenige Krimis, aus den gleichen Gründen. Wenn ich außerdem den ganzen Tag Kriminalliteratur geschrieben habe, ziehe ich es vor, etwas anderes zur Entspannung zu lesen. Im Moment springe ich zwischen einem Roman über den Architekten Frank Lloyd Wright von T.C. Boyle und dem neuesten Roman des britischen Science-Fiction-Autors Neal Asher, die sich sehr unterscheiden, aber trotzdem beide zu meinen Favoriten zählen. Mir ist nicht so wichtig, aus welchem Genre ein Buch kommt – ich mag einfach eine gute Geschichte, in der ich mich ein paar Stunden verlieren kann.


Herzlichen Dank für dieses Interview!

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