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Denn keiner ist ohne Schuld.

Emma Bennett sieht sich mit dem schlimmsten Trauma ihrer Kindheit konfrontiert: Zehn Jahre zuvor entdeckte sie an einem frostigen Wintertag in einem Graben die Leiche ihrer besten Freundin. Eine Frau wurde verhaftet, doch nun taucht ein Zeuge auf, der ihr umstrittenes Alibi nach all den Jahren bestätigt.

Kommissarin Vera Stanhope würde den Mordfall gerne lösen, doch das gestaltet sich unerwartet schwierig: In dem Dörfchen Elvet findet sich kaum ein Einwohner, der kein Motiv gehabt hätte, die hübsche, verzogene und sehr gerissene Abigail zu töten. Binnen kürzester Zeit ist die Atmosphäre vergiftet. Und Vera fragt sich: Haben die Dorfbewohner Angst vor dem Mörder oder vor ihrer eigenen, schuldbeladenen Vergangenheit?

 

 

Originaltitel: Telling Tales
Autor: Ann Cleeves
Übersetzer: Stefanie Kremer
Verlag: rowohlt
Erschienen: 02/2011
ISBN: 978-3499253621
Seitenzahl: 432 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Vera Stanhope kommt nach Elvet, ein verschlafenes Dorf nahe am Fluss, in dem sich traditionsgemäß die Lotsen der nahen Bucht niedergelassen haben. Eigentlich nicht ihr Revier, aber bei den Ermittlungen zu einem spektakulären Mordfall vor zehn Jahren ist offenbar die Falsche verhaftet und verurteilt worden. So soll Vera als Außenstehende neu ermitteln und den wahren Täter finden. Das gestaltet sich jedoch schwierig, denn nach so langer Zeit ist kaum ein Beweis zu finden, Zeugen erinnern sich nicht mehr oder schweigen aus Angst. Aber Vera gibt nicht auf und als es einen weiteren Toten gibt, ist ihr Ehrgeiz erst recht geweckt …

Die Idee eines mehr oder weniger abgeschlossenen Ortes, an dem fast jeder ein Motiv oder die Gelegenheit zum Mord hat, ist beileibe nicht neu, aber von Ann Cleeves meisterhaft umgesetzt. Lange hat man keine echte Idee, wer es denn nun war, und ist am Ende wirklich überrascht von der doch so logischen Auflösung.


Stil und Sprache
Ann Cleeves wendet auch im zweiten Band mit ihrer Ermittlerin Vera Stanhope wieder denselben Trick an wie schon im ersten Teil: Nicht Vera steht im Mittelpunkt, vielmehr geht die Handlung von außen auf sie zu. Emma Bennett ist hier die Hauptperson, dazu einige andere, und Vera hat ihren ersten Auftritt erst relativ spät. Von da an wechseln die Perspektiven immer wieder zwischen den beiden Frauen, dabei ist besonders auf Emmas Seite viel Geduld erforderlich, denn sie berichtet sehr detailliert, schildert fast ausschweifend ihr Leben und ihre Gedanken. Das verschafft dem Leser einen tiefen Einblick in ihr Seelenleben und manchmal möchte man sie schütteln und aus ihrer Lethargie aufwecken. An diesen kleinen Dingen merkt man erst richtig, wie geschickt Ann Cleeves es versteht, Atmosphäre und Nähe zu ihren Charakteren aufzubauen. Auch die wilde, flache und immer windige Landschaft rund um Elvet baut sie immer wieder ein und vermittelt so eine Aura der Trostlosigkeit rund um ihre Protagonistin. Dazu tragen auch ihre kurzen, das Wesentliche ausdrückenden Sätze bei, die neben ein paar Spritzern Humor und den energischen Dialogen, die insbesondere Vera führt, das Besondere an diesem Buch ausmachen.

Die Spannung des Kriminalfalls ist allerdings nicht so ausgeprägt, wie ich es mir gewünscht hätte. Vera tappt einfach zu lange im Dunkeln, befragt alle Zeugen immer wieder, ohne dass viel dabei herauskommt. Gerade im Mittelteil sackt so die Spannung etwas ab, hier wäre eine etwas straffere Erzählweise sicher angebracht gewesen. Aber insgesamt bleibt am Ende eine überraschende und doch logische Auflösung zurück, die Ann Cleeves durchaus würdig ist.


Figuren
Wie schon erwähnt, baut Ann Cleeves ihre Geschichte rund um Emma Bennett auf, naturgemäß wird sie auch sehr genau charakterisiert. Sie ist im Dorf groß geworden und nach der Heirat wieder hierhin zurückgekommen. Nun lebt sie mit ihrem Mann, der als Lotse arbeitet, und ihrem kleinen Sohn in einem etwas abgeschiedenen Haus. Zu Hause langweilt sie sich zu Tode, kann sich aber auch nur selten aufraffen, etwas zu unternehmen. Der Schock, damals ihre Freundin tot aufzufinden, hat sie nie losgelassen und als jetzt alles wieder ans Licht gezerrt wird, wird ihr Leben zur Hölle. Tief traumatisiert ist sie nicht in der Lage, im Jetzt zu leben, ihr Mann versteht sie noch weniger als ihre Eltern und von Vera Stanhope fühlt sie sich bedroht. Sensibel und authentisch versteht Ann Cleeves es, Emmas Charakter mit wenigen Worten darzustellen und genauso viel Mühe gibt sie sich mit allen anderen Figuren. Hier gibt es keine Schwarz-Weiß-Malerei, jede der - vielen - vorkommenden Figuren wirkt lebendig und echt.

Vera Stanhope ist eine Ausnahmeerscheinung unter den üblichen Krimi-Ermittlern. Sie widersetzt sich jeder Kategorisierung, ist laut, dick und manchmal richtig unsympathisch. Aber sie kann auch anders, nämlich sensibel auf Menschen eingehen und aus den Antworten auf ihre Fragen die richtigen Schlüsse ziehen. So ist sie weitaus intelligenter, als man es ihr auf den ersten Blick zutraut, und damit eine Gefahr für jeden Mörder. Leider scheint sie kein Privatleben zu haben, ein Phänomen, das schon im ersten Band der Serie auftauchte. Da dachte ich noch, das würde noch kommen, aber bisher warte ich vergeblich. Schade eigentlich, denn gerade die privaten Sorgen und die kleinen Dinge drum herum machen einen guten Serienermittler für mich erst aus. Aber was nicht ist, kann ja noch werden …


Aufmachung des Buches
Wie schon der erste Teil um Vera Stanhope ist auch dieses Taschenbuch eher schlicht gestaltet, mit einem geschmiedeten Eisengitter vor einem nächtlichen Himmel wirkt es düster und bedrohlich. Diese Aufmachung passt durchaus zur kahlen, düsteren Landschaft, in der die Handlung sich abspielt. Innen ist das Buch in drei Teile und insgesamt 46 Kapitel eingeteilt.


Fazit
"Opferschuld" ist ein Krimi der leisen Töne, aus ungewöhnlicher Perspektive erzählt, mit tollen Charakteren und einer ganz besonderen Ermittlerin. Ein Lesevergnügen für alle, die keine große Action brauchen, sondern ihre Fälle lieber mit Logik und gesundem Menschenverstand gelöst haben wollen.


4 Sterne 


Hinweise

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Backlist:
Band 1: Totenblüte

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