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Es gibt Augenblicke im Leben, die lassen das Herz stillstehen und das Blut kalt werden. Heute weiß ich, es ist der Kuss des Todes, der uns in jenen Sekunden streift und uns alle Wärme nimmt. Das fremde Gesicht, in das ich damals blickte, war von der eisigen Schönheit des Todes und der Hässlichkeit eines Leidens, tiefer und schmerzhafter, als ein Lebender es ertragen könnte. Ich sah erloschene Augen und totenfahle Haut. Ich sah schwarze Zähne. Und Lippen, die kaum mehr vorhanden waren. Ich roch Taubenfedern und Regen und sah, wie die Gestalt nach meiner ausgestreckten Hand griff.

 

Totenbraut 

Autor: Nina Blazon
Verlag: Ravensburger Buchverlag
Erschienen: 02/2010
ISBN: 9783473353040
Seitenzahl: 429 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Serbien im Jahr 1731: Obwohl es der Vater einst am Totenbett der Mutter schwor, gibt er seine Tochter Jasna vor ihrem 16. Geburtstag für reichlich Geld an den vorbeikommenden Gutsherren Jovan Vucović, der auf Brautschau für seinen Sohn ist. So muss Jasna Abschied nehmen von ihren geliebten Geschwistern, vor allem von Bela, die ihr am nächsten steht, und in die Fremde ziehen, weit weg von ihrer Heimat bis hin zur Grenze des Osmanischen Reichs, wo die Türken herrschen. Der tief gläubigen Jasna kommt es seltsam vor, wie schnell und wenig feierlich sie mit Danilo vermählt wird, und bald stellt sie fest, dass ihre neue Familie düstere Geheimnisse vor ihr verborgen hält. Sogar die Dorfbewohner machen einen großen Bogen um das Anwesen von Jovan, ein Fluch liege darauf und auf seinen Bewohnern. Der einzige Lichtblick für Jasna ist der Fahrende Dušan, der sich frech in ihr Leben schleicht und immer mehr ihr Herz erobert. Als sich schließlich seltsame Todesfälle ereignen, werden immer mehr Stimmen laut, ein Vampir treibe sein Unwesen. Ist es Jovans Frau, die einst auf tragische Weise bei einem Brand ums Leben kam und nun die Lebenden verfolgt? Oder ist es gar Jovan selbst, den stets ein Schatten zu umgeben scheint? Auch Jasna bekommt es mit der Angst zu tun und nachts in ihren Träumen ist es Bela, die ihr Warnungen zuflüstert.

Nina Blazon geht den Vampir-Mythos nicht minder fesselnd von der historischen Seite an und entführt den Leser in die Vergangenheit, als der Aberglaube noch lebendig in allen Menschen wohnte und Brauchtümer unterschiedlichster Art unerlässlich waren.


Stil und Sprache
Die Geschichte wird aus der Sicht von Jasna erzählt, rückblickend in der Ich-Form. Eindringlich und in authentischer Sprache schildert sie ihre Erlebnisse, widmet sich ausführlich poetischen Landschafts- und Personenbeschreibungen und lässt einen sogleich tief in der Vergangenheit versinken. Bildhaft und märchengleich werden so dem Leser Menschen und Landschaft aus einer anderen Zeit vorgestellt und vor Augen geführt.

„Doch so schön Bela war, das Allerschönste an ihr waren die Hände. Weiß und feingliedrig, schienen sie ein Eigenleben zu haben. Sie nähten und strickten von ganz allein mit dem roten Garn, während Belas selbstvergessener Blick in die Ferne schweifte. Sie sah niemanden direkt an, auch mich nicht, aber sobald ich vor ihr stand, lächelte sie und ihre Hände umschlossen zart wie Lilienblätter mein Gesicht, strichen über Wangenbögen und Brauen.“ (Seite 37)

Genauso wie Jasna tappt auch der Leser lange Zeit im Dunkeln, was die Ereignisse auf Jovans Hof und das Geheimnis um seine verstorbene Frau betrifft. Der Aberglaube ist allerorts lebendig und es liegt nahe, einen Vampir hinter den schrecklichen Todesfällen zu vermuten. Wird von Jasna ein Stück der Geschichte aufgedeckt, so tun sich im nächsten Moment noch mehr Geheimnisse auf. Doch nach und nach lüftet sich der Schleier der Vergangenheit, da Jasna nicht ruhen kann, bis sie schlussendlich die Wahrheit erfährt. Die Ereignisse auf Jovans Hof und im Dorf werden immer dramatischer und spitzen sich zu, sodass das Ende überraschend kommt und verblüffend schlüssig ist, was den historischen Hintergrund der Geschichte doppelt unterstreicht.


Figuren
Jasna ist die Ich-Erzählerin und zugleich die Hauptfigur des Romans. Um ihre entrückte Schwester Bela zu beschützen, nimmt sie es auf sich, mit dem Gutsherren Jovan in die Ferne zu reisen, um dort seinen Sohn Danilo zu heiraten. Jasna ist ein sehr gläubiges und auch abergläubisches Mädchen, der traditionelle Brauchtümer und Riten viel Sicherheit bieten, um im Alltag zu bestehen. Doch auf dem Gut von Jovan spürt sie nicht nur den Einfluss der Türken, auch alles andere, an das sie bisher glaubte, scheint hier nicht viel Macht zu haben. Ihr Mann Danilo ist von der arrangierten Ehe genauso wenig begeistert wie sie und begegnet ihr mit Zurückweisung, die sich bestenfalls in ständiger Abwesenheit ausdrückt. Die stumme Haushälterin Nema führt mit ihr einen stillen Kampf um die Vorherrschaft im Haus, indem sie ihr den Schlüssel zu vielen Zimmern vorenthält. Nur der Getreue Simeon antwortet Jasna manchmal auf eine der Fragen, die ihr so oft auf der Zunge liegen. Während die Konflikte auf dem Gut eher unterschwellig gären, begegnet Jasna im Dorf offener Feindseligkeit, sogar in die örtliche Kirche wird sie nicht eingelassen. Einzig in der vermeintlich ruchlosen Witwe Anica und dem frechen Holzfäller Dušan scheint sie Verbündete zu finden, doch das ist der rechtschaffenen Jasna nicht genug, sie möchte in der Dorfgemeinschaft als vollwertiges Mitglied akzeptiert werden.

Alle Figuren, sowohl die Haupt- als auch die Nebenfiguren, sind vielschichtig und nie schwarz oder weiß. Beschließt man als Leser in einem Moment, einer Figur nicht mehr zu trauen, so erfährt man schon bald etwas, was das zuvor gefügte Weltbild zum Wanken bringt. Selbst der unsympathischste Charakter hat eine menschliche Seite, die einen verzeihen lässt, und gerade das macht Nina Blazons Charaktere so liebenswert und echt.


Aufmachung des Buches
Die Umschlagsgestaltung ist auffällig – eine Frau in einem leuchtend roten Kleid hebt sich vor einem düsteren Wald ab, während der Schriftzug Totenbraut silbern, an den Rändern wie angekokelt und historisch anmutend dem Betrachter zentral entgegen springt. Rückwärtig ist noch mehr von den Bäumen zu sehen, die im Nebel zu versinken scheinen, um den in blutrote Farbe gesetzten Text zu betonen. Der Einband des Buches ist schlicht schwarz gehalten, nur auf dem Rücken glänzen Titel, Autorin und Verlag ebenfalls silbern geprägt. Das Design passt durchaus zu den Einbänden anderer Bücher, die sich mit Vampiren beschäftigen, ist aber weniger romantisch und verspielt, da das Gesicht der Frau nur angeschnitten im Profil zu sehen ist und Schnörkel allenfalls im Titelnamen auszumachen sind.


Fazit
Nina Blazon ist eine Meisterin des historischen Romans – märchenhaft und unvergleichlich lässt sie die Vergangenheit und mit ihr den Mythos Vampir auferstehen, herrlich unverkitscht, spannend und sehr unterhaltsam.


5 Sterne


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