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«Ich habe alle Bundespräsidenten seit 1949 gut gekannt, aber er ragt heraus.» Helmut Schmidt über Richard von Weizsäcker

Kein zweiter deutscher Politiker hat dem Amt des Bundespräsidenten eine solche Ausstrahlung verliehen, wie es Richard von Weizsäcker gelang. Sein Lebensweg vom Kriegsteilnehmer zum Kirchentagspräsidenten, vom Berliner Bürgermeister bis zum Staatsoberhaupt spiegelt eindrucksvoll die Höhen und Tiefen deutscher Vergangenheit. Hermann Rudolph, der Weizsäckers Karriere seit Jahrzehnten aus nächster Nähe verfolgt, legt nun das Porträt dieses herausragenden Politikers vor. Ein glänzend geschriebenes Lebenspanorama – und zugleich eine Zeitreise durch fast ein Jahrhundert deutscher Geschichte: die große Biographie zum 90. Geburtstag.

 

 

Autor: Hermann Rudolph
Verlag: Rowohlt.Berlin
Erschienen: 20. Februar 2010
ISBN: 978-3871346675
Seitenzahl: 288 Seiten

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Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Selten ist es mir so schwer gefallen 288 Seiten zu lesen. Den Stil von Hermann Rudolph möchte ich als spröde bezeichnen. Und nicht nur das, ständig fügt er Zitate in seine Sätze ein, dies aber so ungeschickt, dass man so einen oft auch sehr langen Satz nochmals lesen muss. Man gewinnt dadurch  den Eindruck, dass Rudolph dem Leser beweisen möchte, wie belesen er ist und wie gut er recherchiert hat, obwohl er sich im Wesentlichen auf nur vier Buchveröffentlichungen stützt. Volker Ullrich hat mal gesagt, dass Biographien, wenn sie die Menschen erreichen sollen und nicht nur kleine Zirkel, unterhaltsam und gut lesbar geschrieben sein müssen. Offenbar kennt Rudolph diese Aussage nicht, oder lehnt sie für sich ab.
Von Weizsäckers Biographie könnte man auch als (politischen) Lebenslauf bezeichnen. Kindheit und Jugend sind sehr schnell abgehakt und seine Zeit in der Wehrmacht wird  geschönt dargestellt. Von Weizsäcker, der den II. Weltkrieg als Offizier mitgemacht hat, und zwar vom ersten Tag an, behauptet von sich, nichts über die Gräueltaten im Osten gewusst zu haben, gibt aber auch zu, Nachforschungen unterlassen zu haben. Rudolph stellt diese Aussage vorsichtig in Frage, kann sich aber zu einem "Er hat es doch gewusst" nicht durchringen, obwohl die von ihm angeführten Wenn und Abers dies belegen. Ähnlich ambivalent verfährt er, als von Weizsäcker seinem Vater bei den Nürnberger Prozessen als Verteidiger zur Seite steht. Danach gehts (unkritisch) weiter mit beruflichem Werdegang und Aufstieg.
Bis zu dem Kapitel in dem von Weizsäckers Zeit als Regierender Bürgermeister von Berlin dargestellt wird, wahrt der Autor eine "kalte" Distanz - versteht er sich mehr als Kommentator, ohne jedoch wie bereits erwähnt, eindeutig Stellung zu beziehen. In diesem Kapitel nun artet das Ganze in  Lobhudelei aus, die mir eindeutig missfällt. Ich habe die Zeit noch in Erinnerung und sehe von Weizsäcker als Hardliner und die Art und Weise, wie er an die Macht kam, noch immer kritisch. Rudolph verschweigt dies zwar nicht, weil er es nicht kann, versteigt sich aber dazu in Weizsäcker, den Retter Berlins aus Anarchie, Chaos und Filz zu sehen. Dieses Kapitel ist mehr als peinlich.
Als Bundespräsident macht es der Porträtierte dem Autor dann leichter, seine tief empfundene Verehrung zu äußern. Er wird bereits während seiner Amtszeit zu einer moralischen Instanz und danach erst recht. Rudolf weist hier (wie bereits mehrfach an anderer Stelle) penetrant darauf hin, dass von Weizsäcker sich immer für die Verständigung mit dem Osten eingesetzt hat (auch gegen seine eigene Partei, die CDU) und im Zuge der Wiedervereinigung auf Distanz zu Helmut Kohl ging, was zum endgültigen Bruch mit diesem, seinem einstigen Förderer, führte. Der Autor fühlt sich da ganz von Weizsäcker gegen Kohl verpflichtet. Viel Neues gibt es aus der Nach-Präsidenten-Zeit nicht zu berichten, so beschränkt sich Rudolph darauf, die vielen Reden, die von Weizsäcker gehalten hat, inhaltlich auszubreiten. Er wirft Fragen auf, versäumt, die Antworten zu geben und wandert dann zur nächsten. Eine Analyse derselben entfällt. Als Leser bleibt man etwas ratlos zurück, denn die Fraggen regen noch nicht mal zu eigenen Nachforschungen oder Nachdenken an.
Der Autor bemüht sich redlich seine Bewunderung und Sympathie zu verbergen, allem einen neutralen Anstrich zu verpassen, nur gelingt ihm dies leider nicht. Ich hätte mir gewünscht er wäre von Beginn an ehrlicher gewesen, dass Buch hätte mich dann vielleicht mehr angesprochen.


Aufmachung des Buches
Das mir vorliegende Buch hat einen zart grauen Einband und einen weißen Schutzumschlag, ferner ein schwarzes Lesebändchen. Das Cover des Umschlags zeigt ein Schwarz-Weiß-Porträt Richard von Weizsäckers. Darunter, auffällig in roter Schrift, Weizsäckers Name und in schwarz der Hinweis "Eine Biographie". Alles ganz unspektakulär, und ganz im Stil wie Memoiren und Biographien üblicherweise aufgemacht sind. Es wäre schön, wenn den Designern mal was anderes einfallen würde. Auf z.T. ganzseitige Fotos wurde nicht verzichtet, aber die allermeisten kannte ich schon. Leider auch hier nichts Neues.


Fazit
Etwas boshaft könnte man behaupten, bei dem Buch handle es sich um einen aufgeblähten Wikipedia- Artikel. Wer Privates erfahren möchte oder sich gar politisches Insiderwissen erhofft, der wird enttäuscht. Von Weizsäcker hat eine bessere Biographie verdient.


1 5 Sterne


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