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Kategorie: Thriller

Er kennt alle Deine Ängste

Am Straßenrand steht ein Kreuz mit roten Rosen: zum Gedenken an einen Autounfall. Das Todesdatum: morgen. Und tatsächlich entdeckt die Polizei am nächsten Tag eine junge Frau gefangen in einem Kofferraum – eine Rettung in letztere Sekunde. Ihr Peiniger wusste offensichtlich, dass sie unter schwerer Klaustrophobie leidet. Die Verhörexpertin und psychologische Ermittlerin Kathryn Dance erkennt als Erste, dass der Täter es darauf abgesehen hat, die schlimmsten Ängste seiner Opfer wahr werden zu lassen. Und weitere Kreuze kündigen weitere Morde an …

 

  Autor: Jeffery Deaver 
Verlag: blanvalet
Erschienen: 02/2010
ISBN: 978-3764503369
Seitenzahl: 544 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Kathryn Dance ist noch mit dem Abschluss ihres letzten Falles beschäftigt, da geschieht ein Mordversuch: ein junges Mädchen wird im Kofferraum eines Autos gefesselt zurückgelassen, während die Flut immer näher kommt. Nur knapp entkommt sie und schon bald wird ein Verdächtiger ausgemacht. Der mutmaßliche Täter, ein siebzehnjähriger Junge aus der Schule des Opfers, flieht und bleibt verschwunden. Dann geschieht ein weiterer Mordversuch, auch hier überlebt das Opfer nur knapp. Kathryn Dance findet heraus, dass die Geschehnisse im Zusammenhang mit einem privaten Internet-Blog stehen und versucht alles, weitere Angriffe zu verhindern und einen durchgedrehten Killer zu schnappen. Nebenbei muss sie sich zu allem Überfluss noch um ihre Mutter kümmern, der Sterbehilfe und damit Mord vorgeworfen wird.


Stil und Sprache

„Allwissend“ schließt nahtlos an „Die Menschenleserin“, Kathryn Dances ersten Fall, an und wirft den Leser sofort mitten hinein in einen neuen, spannenden Fall für die Verhörspezialistin. In der ihm eigenen, detaillierten und präzisen Schreibweise baut Jeffery Deaver eine komplexe Geschichte mit vielen unvorhersehbaren Wendungen auf. Dabei werden -  ähnlich wie bei den Fällen von Lincoln Rhyme und Amelia Sachs die umfangreichen Listen mit Indizien -  hier teilweise lange Abschnitte aus einem Internet-Blog wiedergegeben. Dieser Blog ist Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, dennoch nimmt die endlose Wiedergabe von teilweise schwer lesbaren User-Kommentaren hier etwas überhand. Eine witzige Idee ist allerdings, dass man zumindest die Startseite des Blogs auch tatsächlich im Internet wiederfinden kann.

Kathryn Dances besondere Begabung für Kinetik, also Körpersprache, hat in diesem Fall nicht ganz so großen Anteil an den Ermittlungen wie im ersten Teil, so dass das Thema sicher noch nicht ausgereizt ist und Raum für weitere Fortsetzungen lässt. Schlussendlich sind es aber trotzdem wieder ihre Hinweise, die zur Lösung des Falles führen. Auch hier ein kleines Manko: manche entscheidenden Details werden dem Leser vorenthalten, so dass ein Mitraten um den Täter kaum erfolgreich sein kann.


Figuren

Im Gegensatz zum ersten Teil bekommt in diesem Band Kathryn Dance für mich ein Gesicht, es wird viel mehr auf ihr Privatleben und ihre Gefühlswelt eingegangen. Als ihre Mutter verhaftet wird, ist Kathryn gezwungen, neben ihrer professionellen Einstellung auch ihre persönlichen Gefühle zu hinterfragen, sie merkt, dass es auch hinderlich sein kann, anhand der Körpersprache die Gefühle und Motive anderer erkennen zu können. Ihrer Mutter kann sie selbst auch nichts vormachen und stößt diesbezüglich schnell an ihre Grenzen, was sie wiederum verunsichert. Insgesamt wirkt sie viel runder, authentischer und wesentlich sympathischer als im ersten Teil, man merkt, dass Jeffery Deaver deutlich an ihr gefeilt hat.

Da die Story im Wesentlichen aus Kathryn Dances Sicht erzählt wird, weiß man von den übrigen Akteuren meist auch nur das, was sie sieht und bemerkt. Da sie aber naturgemäß sehr genau beobachtet, bekommt der Leser auch von den Randfiguren ziemlich viel mit, sei es von Jon Bolinger, dem hinzugezogenen Computerexperten, der sich als sehr hilfreich und außerdem überaus sympathisch herausstellt, oder von Charles Overby, Kathryns Chef, dem die Presse wichtiger ist als seine Mitarbeiter und der notfalls über Leichen geht. Sie alle haben sowohl gute Seiten als auch Ecken und Kanten, bleiben aber trotz ihrer großen Anzahl recht gut auseinanderzuhalten. Alle Akteure leben von diesen Widersprüchen, es geht nicht alles glatt und ein bisschen Schicksal spielt auch noch eine Rolle. Das ist höchst authentisch und lebensnah dargestellt und das, was mir an diesem Buch besonders viel Spaß gemacht hat.


Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch besticht durch eine wunderschöne Aufmachung, die einem im Laden direkt nach dem Buch greifen lässt: Das Cover zeigt eine weite Ebene vor einem düsteren Himmel, im Zentrum befindet sich ein abgestorbener Baum, dessen Silhouette sich zusammen mit einem Menschen und dessen Hund davor abzeichnet. Auch der Titel ist schwarz gedruckt, der Autorenname hebt sich in weiß vor dunklen Wolken ab. Der Baum sowie das flache Gras sind glänzend gehalten, der Rest schimmert matt in grünlichen Farbtönen. Ein echter Eyecatcher eben!


Fazit

"Allwissend“ ist deutlich besser als sein Vorgänger gelungen, spannend von der ersten bis zur letzten Seite und mit allem ausgestattet, was ein guter Thriller braucht: eine wendungsreiche Handlung und interessante Figuren mit Potential für mehr.


4 5 Sterne


Hinweise
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Backlist:
Band 1: Die Menschenleserin