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1945: Frankreich und Großbritannien haben vor vier Jahren den Zweiten Weltkrieg gewonnen!

Im Osten geht der Konflikt zwischen Deutschland und Sowjetrussland weiter. Dank materieller Unterstützung seiner ehemaligen Gegner ist es der deutschen Wehrmacht gelungen, die Rote Armee in den Vororten Berlins aufzuhalten. Keine der beiden Mächte scheint in der Lage, den Sieg über die andere zu erringen – sehr zum Gefallen der Regierungen von London und Paris.

Nestor Serge, ehemaliger Pilot der französischen Luftwaffe und Held des Frankreichfeldzugs, ist seit Kriegsende Reporter bei „France-Soir“. Als das Prunkstück der Luftschiffflotte der Air France, die „Charles de Gaulle“, auf mysteriöse Weise über dem Nordpol explodiert, wird Nestor vom französischen Geheimdienst gebeten, an dem eilig aufgestellten Suchtrupp teilzunehmen. Noch während der Reisevorbereitungen gerät er in die Schusslinie von Kommunisten und Faschisten und stößt so auf geheime und dunkle Machenschaften, die weit in der Zeit zurückreichen ...

 

  Autor: Jean-Pierre Pécau
Illustration: Leo Pilipovic
Verlag: Bunte Dimensionen
Erschienen: 10/2009
ISBN: 978-3-938698-07-5
Seitenzahl: 48 Seiten
Altersgruppe: ab 14 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)


Die Grundidee der Handlung
Als das Luftschiff „Charles de Gaulle“ abgeschossen wird, steht Frankreich vor einem Rätsel: Naturphänomen oder ein Angriff? Und wenn ja, welcher Staat bzw. welche Gruppierung steht dahinter? Der Journalist Nestor Serge wird zu einem Suchtrupp abkommandiert, der ab Hamburg starten und die Ursachen untersuchen soll. Doch Serge gerät schnell in Lebensgefahr, denn an dieser Suche – oder ihrer Verhinderung? – sind mehr Kräfte beteiligt, als man zunächst meint ...

Jean-Pierre Pécaus Szenario, ein Mix aus Fantasy und Thriller, spielt in einem Europa, dessen geschichtlicher Kriegsverlauf sich anders ergeben hat als in der uns bekannten Welt. Aber damit nicht genug, es gibt sehr viele Mysterien, die nach und nach in der Geschichte auftauchen: ein scheinbar unverletzlicher Comicheld, der Serge angreift; Wolfskrieger in der faschistischen Armee; die tibetische SS; … Je mysteriöser dabei die Handlungen werden, desto mehr fesseln sie den Leser.

Wenngleich sich manche Begebenheiten nicht ausreichend zu erklären scheinen, so verwundete mich, dass sich Nestor heimlich nach Hamburg begeben muss, will er an einer (offiziellen?) Suchexpedition teilnehmen. Genauso überraschend kam es mir vor, dass ausgerechnet Stalinisten, welche die Faschisten an der Frontlinie bei Ostberlin gestoppt haben, große Teile Hamburgs beherrschen sollen, obwohl der Hafen und die Stadt wiederum von der SA abgeriegelt ist ... Ich tue mich hier etwas schwer, die politische Situation vor Ort zu erfassen So warte ich gespannt auf den nächsten Teil, um die Puzzle-Stücke besser zusammensetzen zu können.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Mit einer recht großformatigen Grafik, beginnend über Grönland, wird der Comic eröffnet. Den Vordergrund dieses Bildes dominiert eine Landschaft im Eis, gehalten in deutlichem Stil europäischer Comics, während der Hintergrund mit seinen schönen Farben an die Aufnahme eines Sonnenuntergangs erinnert, denn die Aufmachung hat durchaus fotorealistische Züge.

Pilipovic überzeugt den Leser schon auf den ersten Seiten mit seinem Zeichenstil, als er das Geschehen an Bord der „Charles de Gaulle“ wiedergibt. Seine Arbeiten zeigen dabei – beliebig, ob bei Personen, der Technik oder dem Aufbau des Luftschiffes – die Konzentration und das hohe Können des Illustrators. Die Figuren sind auf anspruchsvolle Weise gezeichnet, die Bekleidung und auch Ausrüstung (z.B. Fotoapparate der Reisenden) zur gezeigten Epoche stimmig ausgewählt. Besonderen Eindruck hinterließen bei mir die wenigen, aber in ihrer Machart umso fesselnderen Bilder, welche die Dramatik der Geschehnisse an Bord des Luftschiffes wiedergeben. Die Spannung greift sofort auf den Leser über und würde ihn die Dynamik noch stärker spüren lassen, wenn er nicht mit seinem Blick an den detailreichen Zeichnungen hängen bleiben würde. Entgegen dem Trend im Comicbereich, in vielen Werken noch mehr Blut zu zeigen, beweist Pilipovic, dass seine Szenen auch ohne den Einsatz von spritzendem Rot die volle Tragik auszudrücken vermögen. Ähnlich schaut es mit der Schlacht von Maastricht aus. Menschen und Maschinen, aber auch Gebäude und Landschaften bringt der Zeichner mit Bildern aufs Papier, die durch Action, Dynamik und schlimme Wendungen die Situation des Krieges glaubhaft schildern. Die Ereignisse in Hamburg holen die heutige Comicrealität dann doch wieder etwas ein, ganz ohne blutige Szenen geht es bei den Kämpfen nicht, um glaubhaft zu wirken - jedoch nutzt Pilipovic das Stilmittel so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich.

Mit aufwendigen, lebendigen Arbeiten bringt der Grafiker den Charme und den Frieden einer französischen Kleinstadt rüber oder transportiert die Atmosphäre vom Paris der 40er Jahre. Mit ähnlich großer Mühe macht er sich an so manches Gemäuer, bei einigen Bildern in der Kanalisation baut er die Wände und Decken der unterirdischen Wasserläufe sorgfältig Stein für Stein auf. Die Figuren, zeichnerisch sauber und jederzeit individuell erstellt, sind charakteristisch und ausdrucksstark, sowohl in den Gesichtszügen, als auch dem Wesen der Personen. Sei es nun der herrlich zynische und skeptische Nestor Serge, der kernige Stalinist Netschajew oder der geheimnisvolle Bergier, der immer in der richtigen Minute kommt – die Charaktere gefallen.

Die vom Koloristen gewählte Farbpalette ist zurückhaltend und unaufdringlich, aber bei weitem nicht langweilig. Überwiegend fallen die Töne pastellartig aus, in Lazareffs Büro trifft man dagegen auf recht kräftige Farben. Insgesamt ein angenehmer Mix, der – durch geschickte Kontraststeuerung – die Plastizität von Pilipovics Zeichnungen unterstützt und den Bildern zur Tiefe verhilft. Die Panels sind mit weißem Hintergrund umrandet, was gut zum Gesamtkonzept passt.

Keine Überraschungen gibt es bei den Textgestaltungen, die comictypisch in Großschrift gehalten sind. Geräusche sind eher selten als Wörter dargestellt, meistens reichen die Bildinhalte völlig aus, um die passende Geräuschkulisse in der Fantasie des Lesers zu erzeugen.


Aufmachung des Comics
Die mir vorliegende Fassung des Comicbandes kommt als A4 großes und zwischen zwei festen Buchdeckeln eingebundenes Werk daher, die Verarbeitung ist – wie man es vom Verlag kennt – von einwandfreier Qualität. Das Papier im Innern ist griffig und dick genug, dass die Rückseiten nur bei gezieltem Lichteinsatz durchscheinen können.
Sowohl die umfassende Beschreibung auf der Rückseite, durch die man den nötigen Background für die Szenerie bekommt, als auch die Gestaltung der Buchvorderseite haben bei mir sofort Interesse geweckt. Schon das Bild des Covers verbindet mehrere Elemente der ersten Seiten miteinander und gibt sich mystisch mit dem im Eis gefangenen U-Boot, den auf Stöcken aufgespießten Schädeln deutscher Soldaten und dem so merkwürdigen wie tödlichen Fluglicht, das über dem Unterseeboot seine Bahn zieht.
Die Vorsatzpapiere sind als ein Sammelsurium von deutsch- und französischsprachigen Zeitungsartikeln gestaltet, über deren Leitartikel der Leser weitere Stichworte zur Grundlage des Szenarios von Jean-Pierre Pécau erhält und das die Beschreibung der Buchrückseite letztlich abrundet.


Fazit
Der Auftakt zu „Das Große Spiel“ präsentiert sich als eine rätselhafte wie auch stellenweise verwirrende, denn nicht immer ausreichend erklärte Geschichte, die ihre Wirkung auf den Leser aber nicht verfehlt und ihn schnell für sich einnimmt. Das gilt auch für das Artwork von Leo Pilipovic mit seinen hervorragenden Zeichnungen. Da ist man mehr als nur gespannt auf den zweiten Teil.


3 5 Sterne


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