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Zauberer nähren sich von der Verwirrung des Publikums wie ein Vampir von der Unschuld seiner Opfer.
Paris 1926, ein Varieté am Montparnasse. Eigentlich hatten der Bühnenzauberer Ravi und seine Assistentin Blanche nur ihr harmloses Zauberkunststück im Sinn. Dann aber wird der große Ravi gezwungen, die älteste Regel der Zaubererzunft zu brechen: Vor aller Augen setzt er echte Magie ein.

 

  Autor: Oliver Plaschka
Verlag: Klett-Cotta
Erschienen: 15.02.2010
ISBN: 978-3-608-93874-6
Seitenzahl: 427 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Der Bühnenzauberer Ravi hat mit seiner Assistentin Blanche einen Auftritt in einem Varieté am Montparnasse. Doch plötzlich hakt ein Mechanismus und Ravi – und damit auch Blanche – schweben in Lebensgefahr. Für Ravi gilt es, das Publikum in dem Glauben zu lassen, alles sei in Ordnung, den Zaubertrick also erfolgreich zu Ende zu führen. Gleichzeitig bangt er um Blanche, deren Zeit allmählich knapp wird. Und so entschließt er sich, echte Magie einzusetzen, um alles zu einem guten Ende zu führen. Damit bricht er eine strenge Regel und die Probleme beginnen schon bald darauf, denn die Zaubererzunft kann diesen Verstoß nicht unbehelligt lassen …

Eine interessante Geschichte, die eigene Wege beschreitet und dabei Bekanntes umsetzt. So erinnert das Buch ein wenig an „Und täglich grüßt das Murmeltier“, denn der schicksalsträchtige Sonntag wiederholt sich ein ums andere Mal, es ändern sich jedoch immer wieder einige Details, bis Ravi und Barneby endlich dahinter kommen, was zu tun ist, um dieser Schlaufe zu entkommen. Dabei handelt es sich nicht um eine reine Fantasy-Geschichte als vielmehr um einen fantastischen Kriminalroman, gespickt mit undurchsichtigen Motiven und Intrigen.


Stil und Sprache
Direkt vorweg möchte ich anmerken, dass dies ein interessanter Roman ist – nicht nur vom Inhalt her, sondern auch von der Umsetzung. So wird das Geschehen stets in der ersten Person wiedergegeben, doch kommen dabei nicht gerade wenige Figuren zu Wort. Die Wechsel der Perspektive werden stets durch Leerzeilen kenntlich gemacht, zudem ist der jeweilige Abschnitt mit dem Namen der Figur betitelt, aus deren Sicht nun die Handlung erzählt wird. Dabei kommen natürlich Ravi und Blanche zu Wort, aber auch Justine, Alphonse, Barneby, Esmée und Gaspard. All diese Figuren spielen eine mehr oder minder wichtige Rolle in der Geschichte und durch die regelmäßigen Wechsel der Perspektive erfährt der Leser die Sicht der Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln bzw. das Geschehen an unterschiedlichen Schauplätzen. Dabei gilt es natürlich, stets aufmerksam zu sein, sonst können die häufigen Wechsel durchaus verwirrend sein.
Eine wirklich interessante Umsetzung, ist man doch sonst bei der Ich-Form meist auf eine Person beschränkt. Dabei wird der Leser auch direkt angesprochen und somit noch intensiver in das Geschehen hineingezogen: „Sie glauben vielleicht nicht, dass […]“ (Seite 32). Zudem ist der Erzählstil stets gefärbt vom Charakter der jeweiligen Figuren, was die Geschichte sehr authentisch erscheinen lässt. Die Sprache selbst ist dabei durchaus anspruchsvoll und philosophisch angehaucht, sodass der Leser aufmerksam lesen sollte, um nichts Wichtiges zu verpassen. Dennoch lässt sich „Die Magier von Montparnasse“ gut und flüssig lesen.
Die Beschreibungen sind teilweise recht ausführlich, wodurch der Autor jedoch weniger langweilt, als vielmehr eine dichte Atmosphäre schafft. Eine bildreiche Sprache, angereichert mit schönen und frischen Vergleichen (so werden die Würgemale am Hals einer der Figuren wie folgt beschrieben: „Ein Farbenspiel aus sattem Grün und stürmischem Meerblau fleckte seine Kehle wie ein Taubenei.“; Seite 170) erwecken die Buchstaben zum Leben. Auch die Dialoge, die einen großen Teil der Handlung tragen, fügen sich gut in die Geschichte ein; sie vermitteln Informationen, treiben die Handlung voran oder sind ein herrlicher Schlagabtausch, der dem Leser ein Lächeln entlockt.

Während zu Beginn des Romans das, was zu dem darauf folgenden Ereignis führt, mehr zusammengefasst, denn gezeigt wird, packt Oliver Plaschka den Leser schon kurz darauf mit einer sehr spannenden Szene, in der es im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod geht. Diese endet geheimnisvoll, die Neugier des Lesers ist geweckt. Und so geht es weiter: Die Neugier wird stets ein wenig mehr angestachelt, wobei es leider zwischendurch Längen gibt, bei denen die Handlung eher zäh voran schreitet und sich der Leser etwas mehr Spannung erhofft. Zunächst wird alles verworrener und undurchsichtiger, bis die Spannung am Höhepunkt des Romans schließlich gipfelt – wobei der Autor es versteht, den Leser zu überraschen – und sich der Kreis schließt.


Figuren
Durch die gewählte erste Person aus Sicht der verschiedenen Figuren kommt der Leser all diesen sehr nahe. Ob es nun der Bühnenmagier Ravi ist, der jedoch auch echte Magie beherrscht, oder seine Assistentin Blanche, die geheimnisvoll und undurchschaubar daherkommt. Aber auch die junge aufgeweckte Frau Justine, die eine tragende Rolle in den seltsamen Geschehnissen innehat, fesselt den Leser gekonnt. Doch noch viel mysteriöser ist der Engländer Barneby, über den Alphonse auf Seite 44 treffend sagt: „Probleme, das hatte ich früh in meinem Leben gelernt, hatten die Angewohnheit, sich zu vermehren wie die Kaninchen. Mister Barneby, das erkannte ich in jenem Moment, reiste mit einem ganzen Stall davon.“
All diese Figuren füllen die ihnen zugedachten Rollen voll und ganz aus und erscheinen wie echte Menschen. Detailliert und liebevoll ausgearbeitet, haben sie alle ihre Geheimnisse und Fehler, ihre guten und schlechten Seiten, was sie zu dreidimensionalen Figuren macht, die der Leser gerne durch ihre Abenteuer begleitet. Ja auch die zunächst böse Erscheinenden wissen durchaus zu überraschen …


Aufmachung des Buches
Optisch hat mich der Schutzumschlag der Hardcover-Ausgabe direkt angesprochen. In erdigen Farbtönen gehalten und damit nicht so knallig, wie viele andere Covers derzeit, lenkt die Gestaltung den Blick des Lesers auf das Buch. Auch finden sich bei näherer Betrachtung einige Elemente wieder, die in dem Roman eine Rolle spielen, das Wichtigste dabei die Uhr. Schade ist allerdings, dass die abgebildeten Figuren wenig mit denen im Roman gemein haben. Ebenfalls schade, dass auf ein Lesebändchen verzichtet wurde. Dafür finden sich vorne und hinten jeweils eine doppelseitige Karte und die ganzseitige Gestaltung der Seite, die einen neuen Abschnitt ankündigt, ist in ihrer Schlichtheit ebenfalls gelungen.


Fazit
Eine atmosphärische Geschichte in einer ungewöhnlichen Umsetzung. Für Freunde eher anspruchsvoller Fantasy - trotz der wenigen Längen, über die man getrost hinwegsehen kann - eine Empfehlung! Die Sprache ist wunderbar und weiß den aufmerksamen Leser zu fesseln.


4 5 Sterne 


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