Smaller Default Larger

Hinrich Schepp ist unter die Sehenden geraten. Nach Jahrzehnten starker Kurzsichtigkeit möchte er den Frauen und ihrer grandiosen Unbegreiflichkeit endlich auf den Grund kommen. Umso mehr, als er in seiner Stammkneipe eine verführerische Schönheit an der Bar beobachtet, die für einen Schepp entsetzlich verwerflich und glückverheißend zugleich von ihrer Begleiterin erst geküsst, dann sogar in den Hals gebissen wird. Sein Leben gerät endgültig in Schieflage, als ebenjene Frau wenig später wieder in seiner Kneipe auftaucht als Bedienung. Aber was hat das alles mit den Notizen seiner Frau Doro zu tun, die er eines Morgens auf dem Schreibtisch findet? Und was mit dem dunklen kalten See, in den die Frischverstorbenen laut Doro alle hineinmüssen, um darin ein zweites Mal zu sterben?

 

  Autor: Matthias Politycki
Sprecher: Matthias Politycki / Nina Petri
Verlag: Radioropa
Erschienen: 31. Januar 2010
ISBN: 978-3-83680543-8
Spieldauer: 232 Minuten, 3 CDs; ungekürzte Fassung


Die Grundidee der Handlung
Eines Morgens findet der Sinologe Hinrich Schepp seine Ehefrau Doro tot am Schreibtisch sitzend. Er kann es nicht fassen, will die Tatsache ausblenden und Doro im Jetzt festhalten. Erst nach und nach wird ihm bewusst, dass es nicht mehr in seiner Macht liegt, seine Frau zum Leben zu erwecken und er nimmt Abschied von ihr. Dabei erinnert er sich an verschiedene innige Momente mit Doro. Als eine Art Totenwache nimmt er das Manuskript zur Hand, an dem Doro als Letztes gearbeitet hat. Es handelt sich um einen Roman, den er vor vielen Jahren zu schreiben begonnen hatte. Doro hat, wie sie es mit allen wissenschaftlichen Arbeiten Schepps gemacht hat, ihre Korrekturen und Bemerkungen eingefügt. Nach und nach wird Schepp bewusst, dass seine Zeit mit Doro zumindest in den letzten Jahren auf einem großen Irrtum beruhte. Schonungslos hält ihm Doro durch ihre Anmerkungen einen Spiegel vor und rechnet mit Schepp ab.

Zunächst scheint die Szene, die man durch die Augen Hinrich Schepps geboten bekommt, leicht morbide. Den Kult, den er um die Tote macht, die Versuche, ihr wieder Leben einzuhauchen, sind gewöhnungsbedürftig. Doch so eingentümlich der Einstieg auch ist, schnell einmal kann man sich dem Verlauf der Geschichte nicht mehr entziehen. Als der Professor beginnt, sich mit dem Manuskript auseinander zu setzen, lässt er die Zuhörer in eine eigene Welt eintauchen und an seinen Gedanken teilhaben. Sehr schön gelungen sind dabei die kleinen Nebenbemerkungen, die eine bildliche Darstellung der Szene geben - sei dies nun das Fischgrät-Muster des Parketts, das Summen der Fliegen oder der ferne Glockenschlag der Kirche. Die Geschichte entwickelt sich ruhig und stringent, aber ohne, dass die Faszination abhanden käme.


Darstellung des Hörbuches
Die beiden Sprecher, der Autor Matthias Politycki selber und Nina Petri, harmonieren ausgezeichnet miteinander. Ihre Ruhe sind tragende Elemente der ganzen Geschichte. Sehr geschickt gemacht ist der Wechsel der beiden prägnanten Stimmen, die gut zu den Protagonisten passen. Es ist nicht etwa eine Zuteilung auf Hinrich Schepp und Doro, sondern ein klangvoller, wie zufällig wirkender Wechsel, der dem Hörbuch aber gut tut und dafür sorgt, feine Untertöne einzuweben. Dass sowohl Matthias Politycki als auch Co-Sprecherin Nina Petri mit geschulter Stimme lesen, macht das Hörbuch zu einem wirklichen Genuss. Es ist leicht verständlich und kommt ohne unnötige Längen oder Durchhänger bei den Sprechern aus. Die Beiden verstehen es mühelos, die Stimmlagen der jeweiligen Gemütsstimmung anzupassen und diesem eher ruhigen Werk durch verschiedene Sprechtempi Spannung zu verleihen.


Aufmachung des Hörbuches
Leider kommt Jenseitsnovelle ohne große Begleitung daher, hier wurde eindeutig gespart. Im sechsseitigen Booklet finden nur gerade die Kurzlebensläufe der beiden Sprecher Platz, sowie eine Beschreibung zum Daisy-System und der Hinweis auf weitere Hörbücher. Etwas mehr zur Geschichte an sich wäre schön gewesen.


Fazit
Das Hörbuch wirkt zunächst unspektakulär und beinahe etwas langatmig. Doch schon nach kurzer Zeit offenbart sich die Tiefe der Jenseitsnovelle. Dass der Autor selber spricht, rückt die einzelnen Passagen ins richtige Licht und ist für die ganze Geschichte eindeutig eine wertvolle Zugabe. Wer bereit ist, sich auf die Jenseitsnovelle einzulassen, wird mit einem überaus feinen und feinfühligen Werk belohnt. Allerdings ist es kein Hörbuch für so Zwischendurch, man sollte sich die Zeit nehmen, genau hinzuhören.


5 Sterne


Hinweise
Dieses Hörbuch kaufen bei: amazon.de

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo