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Eine Mordserie erschüttert Los Angeles. Jede Nacht sterben zwei Obdachlose in den Straßen von Downtown. Der Mörder geht mit außergewöhnlicher Brutalität zu Werk.
Die Reporterin Eve Hess kreuzt bei ihren Ermittlungen die Fährte zweier Männer, die beide nicht menschlich zu sein scheinen. Da ist Kain, ein Killer, so schön wie skrupellos, getrieben vom brennenden Wunsch nach Rache. Und Alan, der mehr ist als der erfolgreiche Maler, der Szenen aus den Ghettos von L.A. auf seine Leinwand bannt.
Der eine hat den Auftrag, sie zu töten, den anderen liebt sie gegen jede Vernunft. Bald muss sie sich fragen, wem sie noch trauen kann. Doch ganz gleich wie die Würfel fallen, dies können sie nicht aufhalten: die Wiedergeburt eines gefallenen Engels.

 

  Autor: Andrea Gunschera
Verlag: Sieben Verlag
Erschienen: 09/2009
ISBN: 978-3-940235-89-3
Seitenzahl: 399 Seiten


Die Grundidee der Handlung
„Engelsbrut“ ist der erste Teil einer Serie, in der es um Schattenläufer geht. Sie sind Teil der uralten Legenden. Einst beauftragte Gott die Wächterengel mit der Schaffung des Gartens Eden. Die Engel erblickten die Töchter der Menschen, verliebten sich in sie und zeugten Nachkommen mit ihnen. Diese Nachkommen waren stark und langlebig, daher galten sie als unsterblich. Durch das Blut der Engel konnten sie sich auch von den schwersten Verletzungen nahezu vollständig erholen. Da sie von den Menschen gejagt wurden, zogen sie sich in unzugängliche Regionen zurück, um sich zu verstecken. Im Laufe der Zeit wurde ihre Existenz von den Menschen vergessen, und sie wurden Teil der Legende. Doch einige von ihnen haben überlebt, bis in die heutige Zeit hinein. Sie leben unerkannt unter den Menschen, aber auch das Blut der Engel schützt sie nicht vor Konflikten untereinander. Auf der einen Seite gibt es die Garde, die es sich zur Aufgabe gemacht, auf die Einhaltung der Regeln zu achten, auf der anderen Seite sind die, die sich nur an ihre eigenen Regeln halten.
Zwischen diesen Fronten findet sich Eve Hess wieder. Sie weiß natürlich zuerst weder von der einen noch von der anderen Seite. Sie ist lediglich an der Aufklärung der Morde an Obdachlosen interessiert. Als freie Journalistin arbeitet sie an einer Artikelserie über die Morde und versucht, mit ihren Ermittlungen der Polizei immer einen Schritt voraus zu sein. Stück für Stück erschließt sich ihr die Welt der Schattenläufer mit all ihren Gefahren. Sie muss um ihr Leben fürchten, und ohne die Hilfe von Alan, der auch mehr Geheimnisse hütet, als sie zunächst meint, hätte sie den Kampf um ihr Leben schnell verloren.


Stil und Sprache
Die Geschichte beginnt wie ein „normaler“ Thriller. Auf Seite 6 gibt es die erste Leiche, im Nachhinein erfahren wir, dass es schon das achte Opfer ist. Wäre da nur nicht dieser kleine, fast versteckte Hinweis auf „Eckzähne, die unnatürlich groß wirkte“. (S. 5) Nein, es ist kein normaler Thriller, „Engelsbrut“ ist viel mehr. Andrea Gunschera beschreibt eine Welt, die sich auf den ersten Blick nicht von unserer unterscheidet. Auf den zweiten Blick ist einiges doch befremdlich: Manche Menschen tragen „das Blut“ in sich. Was hat es damit auf sich? Ist Menschen überhaupt der richtige Ausdruck?
Von diesen ganzen Dingen weiß Eve Hess nichts, als sie ihrem Nachbarn von gegenüber spontan zur Hilfe eilt, als dieser von zwei Gestalten attackiert wird. Erstaunlich nur, dass die Täter trotz der Schüsse, die sie auf sie abgegeben hat, noch flüchten können. Ganz langsam taucht der Leser zusammen mit Eve in die Welt der Schattenläufer ein. Die nötigen Erklärungen kommen Stück für Stück von Alan und fließen, fast wie nebenbei, mit in die Geschichte ein. Nichts ist für einen Leser langweiliger als drei Seiten Erklärungen am Stück.
Von Anfang an gibt die Autorin ein hohes Tempo vor. Mit jedem neuen Detail, das Eve und damit auch der Leser über die Schattenläufer erfährt, steigt die Spannung.
Im Laufe der Geschichte taucht ein zweiter Handlungsstrang auf. Einer der Schattenläufer scheint im illegalen Kunsthandel mitzumischen. Erst in der weiteren Entwicklung merkt Eve, zusammen mit dem Leser, dass hinter diesem Kunsthandel doch noch etwas ganz anderes steckt. Die Spannung zieht immer mehr an, und an dem Punkt, an dem beide Handlungsstränge direkt ineinander greifen, braucht man als Leser gar keinen Versuch zu unternehmen, das Buch aus der Hand zu legen. Es klappt nicht.
Die Autorin erzählt ihre Geschichte in der dritten Person. Der Leser begleitet die verschiedenen Figuren und beobachtet ihr Handeln. Aus den verschiedenen Blickwinkeln erschließt sich dem Leser ein komplettes Gesamtbild. Er erfährt nicht nur, wie die Figuren agieren, sondern hat auch Einblicke in ihre Gedanken und Überlegungen.
“Engelsbrut“ ist in einer klaren Sprache geschrieben, mit schönen bildhaften Vergleichen. Die Autorin versteht es, mit ihren Worten die Figuren und die Handlungsorte lebendig zu machen. Als Leser hat man keine Schwierigkeiten, detaillierte Bilder im Kopf entstehen zu lassen. Wenn Eve sich gefangen fühlt „im Innern einer gewaltigen Stahlpresse, deren Wände mit Samt ausgekleidet waren und sich unaufhaltsam um sie schlossen“ (S. 97), hatte ich das Gefühl, direkt neben Eve zu stehen. Es gibt einige erotische Szenen, die sehr ausführlich, aber nie billig oder geschmacklos dargestellt werden.
Dankenswerter Weise hat die Geschichte um Eve, Alan und Kain ein gutes und schlüssiges Ende gefunden. Da hatte Andrea Gunschera ein Einsehen mit dem Leser. Häufig genug hängt man ja mit vielen offenen Fragen und einem unbefriedigenden Ende in der Luft. Ein kleiner loser Faden bleibt allerdings übrig. Er wird im Prolog nochmals aufgegriffen und macht Lust auf den nächsten Teil von „City of Angels“.


Figuren
Die Hauptfiguren sind sicherlich Eve, Alan und Kain. Eve ist die, mit der man sich als Leser am Besten identifizieren kann. Sie ist wie wir, ein Mensch, eine neugierige Reporterin, jemand, der mit Übersinnlichem nichts am Hut hat. Sie hat ihre privaten Schwierigkeiten, sie wurde gerade zu Gunsten einer vollbusigen Blondine abserviert, von der man munkelt, sie wäre die Nichte des Dezernatsleiters beim Los Angeles Police Department, und damit sind ihre Aussichten auf Exklusiv-Informationen zu den Morden dahin. In dieser Situation trifft sie auf den Künstler Alan Glaser. Stück für Stück wird sie in eine Welt gezogen, von der sie nicht ahnte, dass sie existiert. Immer wieder versucht sie glaubhafte Erklärungen zu finden für Begebenheiten, die sich mit normalem Menschenverstand nicht erklären lassen. Diesen Zwiespalt, dieses langsame Akzeptieren des Übersinnlichen hat die Autorin hervorragend dargestellt. Als Eve klar wird, dass Alan kein Mensch wie Du und ich ist und sie ihn liebt, nehmen die Zweifel nicht ab. Auch diese Gedankengänge sind klar und transparent dargestellt. Über Eves Vergangenheit erfährt der Leser nichts. Es hat bestimmt einen Grund, warum sie z.B. allen Dingen genau auf den Grund gehen muss. Ein Rückblick auf ihr früheres Leben wäre bestimmt spannend gewesen, aber die Autorin hat sich nun mal entschieden, Eves Vergangenheit nicht näher zu beleuchten.
Alan Glaser, zunächst einmal nur ein Künstler, dessen Vernissage Eve beruflich besucht. Er erscheint undurchsichtig und damit natürlich interessant, nicht nur für Eve. Es gibt viele Andeutungen, die auf den ersten Blick nicht verständlich sind. Das erhöht nur die Spannung. Alan hat augenscheinlich seinen Platz in der Gesellschaft gefunden, allerdings hat er noch nicht so ganz mit der Vergangenheit abgeschlossen. Außenstehende wollen ihn in eine Rolle zurückdrängen, die er nicht mehr spielen möchte. Auch die Figur des Alan ist glaubwürdig und dreidimensional. Seine Gedankengänge sind gut nachvollziehbar, gerade auch in der Beziehung zu seinem Vater.
Die undurchsichtigste Figur des ganzen Romans ist Kain. Zunächst ist vollkommen klar, er ist einer von den Bösen. Im weiteren Verlauf der Handlung kommen dann leise Zweifel auf. Wandelt sich seine Gesinnung oder handelt er doch so wie sein biblischer Namensvetter? Gerade Kain ist sehr facettenreich gezeichnet, auf keinen Fall blass oder unglaubwürdig. Er wandert auf einem schmalen Grad zwischen Gut und Böse, und diese Wanderung kann der Leser exzellent mitverfolgen.
Auch bei den Nebenfiguren hat die Autorin interessante Charaktere erdacht. Mordechai und Katherina Petrowska stehen da an erster Stelle. Beide haben glaubwürdige und nachvollziehbare Motive für ihr Handeln. Beide wirken in ihrer Art nicht wirklich sympathisch. So einen Vater wie Mordechai wünscht man keinem, und auch für Katherina stehen die eigenen Belange an erster Stelle.
Der Farbtupfer in dem Ganzen ist Felipe. Er ist nicht nur Concierge in dem Haus, in dem Eve wohnt, sondern auch ihr Freund und Ratgeber in allen Lebenslagen. So einen Freund braucht man. Er kann auch schon mal etwas zu lackierten Fußnägeln sagen.


Aufmachung des Buches
Das Buch ist als Taschenbuch im schönen handlichen Format erschienen. Das Cover ist ein echter Hingucker, obwohl es farblich eher gedeckt gehalten ist. Im unteren Bereich ist die Skyline einer Stadt, ich nehme mal an Los Angeles, abgebildet. Im oberen Drittel schwebt ein steinerner Engel mit ausgebreiteten Flügeln. So einem Engel kommt im Laufe der Geschichte eine besondere Bedeutung zu. Zwischen Skyline und Engel blickt den Betrachter ein Gesicht an, ziemlich blass, stark betonte Augen, lockige Haare, leicht geöffneter Mund. Ich bin mir nicht sicher, ob dieses Gesicht eine Romanfigur darstellt oder ob Mark Freier, der Graphiker, der dieses Cover kreiert hat, seiner Phantasie freien Lauf gelassen hat. Am besten macht sich jeder Leser seine eigenen Gedanken. Der Nachtfalter, der knapp über dem Titel des Buches fliegt, ist auf jeden Fall der Geschichte entnommen. Die gedeckten Farben der Vorderseite bestimmen auch die Rückseite des Buches. Dort blickt der Engel noch mal auf uns nieder. Über dem Engelkopf befindet sich eine sehr ansprechende Inhaltsangabe, die den Leser direkt dazu verleitet, das Buch doch jetzt endlich aufzuschlagen und mit dem Lesen zu beginnen.
Der Text beginnt mit einem Prolog aus dem Buch Henoch. Die eigentliche Geschichte ist in 25 Kapitel unterteilt. Wechsel der Erzählperspektive werden jeweils durch einen Ansatz und ein kleines Zeichen kenntlich gemacht. Das Buch schließt mit einem Epilog, der, wie schon erwähnt, einen Übergang zum nächsten Teil der „City of Angels“ bildet.
Um den gelungenen Gesamteindruck abzurunden, gibt es ein kurzes Nachwort der Autorin Andrea Gunschera, in dem sie erläutert, wie es zur Idee zu diesem Roman gekommen ist und einen kurzen Lebenslauf mit Foto.


Fazit
„Engelsbrut“ ist der mehr als gelungene Auftakt zur Serie „City of Angels“. Andrea Gunschera hat neben der uns bekannten Welt eine zweite geschaffen, die nahtlos in unsere Welt übergeht. Ihre Figuren, die Schattenläufer, fügen sich wie selbstverständlich in unser Leben ein. Die Handlung verbindet Thriller mit Elementen der Romantic Fantasy. Teilweise geht es recht blutig zu. Wer eine seichte Herz-Schmerz-Geschichte sucht, ist hier fehl am Platze. Alle anderen werden das Buch nicht mehr aus der Hand legen wollen und warten, wie ich, gespannt auf den zweiten Teil.


5 Sterne


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