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Kann es beim Bestatter zu viele Leichen geben? Wie bringt man einen Finnen dazu, mehr als drei Worte zu sagen? Darf ein Kommissar sympathisch und nervtötend sein? Ist man in einem Pyjama im Supermarkt underdressed, oder kommt es auf die Accessoires an?

 

  Autor: Minck & Minck
Verlag: Droste Verlag
Erschienen: 03/2007
ISBN: 978-3-770-01260-2
Seitenzahl: 287 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Diese Fragen will Maggie Abendroth nicht beantworten. Sie hat definitiv andere Sorgen. Maggie ist 37, pleite und wohnt wieder in ihrer alten Heimat Bochum auf 22 m² - ohne Aussicht. Ihr neuer Job als Aushilfssekretärin bei einem Beerdigungsinstitut stellt ihre Nerven zusätzlich auf eine harte Probe. Bei „Pietät Sommer“ ist alles unheimlich: der schweigsame Kollege Herr Matti, ihr blasierter Chef Herr Sommer und die tote Kundschaft im Keller sowieso. Als dann auch noch ihre Lieblingsorganistin für Trauerfeiern plötzlich verstirbt, steckt Maggie ihre Nase in Dinge, die sie eigentlich nichts angehen. Gemeinsam mit Freundin Wilma, Herrn Matti und dem versoffenen Ex-Kommissar Kostnitz begibt sie sich auf Spurensuche.


Stil und Sprache
Die Sprache der Autorinnen, übrigens zwei Schwestern Edda und Lotte Minck, ist so ein wenig wie Maggie Abendroth, quirlig, sprunghaft, mehr hintenrum als geradeaus. Das macht sich gerade zu Beginn des Buches besonders bemerkbar, als Maggie viel mit sich und ihren Gedanken alleine ist. Da finden sich schon mal Sätze mit 4 bis 5 eingeschobenen Nebensätzen, die locker über 10 Zeilen gehen. Es braucht ein wenig Zeit, bis man sich als Leser in diesen Stil eingelesen hat. Manche Sätze habe ich mehrmals gelesen, um den gesamten Sinn zu verstehen. Das fördert nicht gerade die Lesegeschwindigkeit. Im Verlauf des Buches wird es besser, zum Einen hat man sich an diese verschachtelten Sätze gewöhnt, zum Anderen wird die Handlung mehr von Dialogen bestimmt. Die Autorinnen kreieren interessante Wortschöpfungen. Ausgesprochen gut gefällt mir z.B. das Wort „nullsilbig“ als Steigerung von „einsilbig“, beschreibt es doch die Kommunikationsfreudigkeit von Herrn Matti vortrefflich. Durch diese Beschreibungen können Orte und Begebenheiten gut vor dem inneren Auge entstehen.
Die Geschichte spielt im Ruhrgebiet, genauer gesagt, in Bochum. Es gibt immer mal wieder kleine Wegbeschreibungen oder Straßennamen, die dem Ortskundigen verraten, wo genau Maggie sich gerade befindet. Das ist natürlich für jemanden wie mich, ich wohne in einer Nachbarstadt von Bochum und habe lange Zeit in Bochum gearbeitet, ein besonders Lesevergnügen. Ich habe Maggie vor mir gesehen, wie sie wutschnaubend über die Kortumstraße in Richtung Citypoint stapft.
Mit dem Auftauchen der gelben Flusen, mehr kann dazu an dieser Stelle nicht verraten werden, kommt die Geschichte ins Rollen und es baut sich eine gewissen Spannung auf. Auch wenn ziemlich zügig klar wird, wer im Zusammenhang mit den gehäuften Todesfällen steht, gibt es doch die ein oder andere überraschende Wendung, und zum Schluss geht es tatsächlich um Leben und Tod. Der stille Herr Matti läuft dabei zur Höchstform auf. Wer hätte das gedacht.
Die Autorinnen lassen Maggie ihre Geschichte in der Ich-Form erzählen. So ist der Leser hautnah am Geschehen und auch an Maggies Gedanken beteiligt.


Figuren
Die Hauptfigur ist Margret – genannt Maggie – Abendroth. Einst stolze Autorin für Fernsehstücke, hat sie einen grandiosen Absturz hingelegt, als sie aufgrund einer Schreibblockade einen „Tatort“ nicht zu Papier bringen konnte. So etwas spricht sich rum in der Branche und, eh man sich versieht, ist man raus aus dem tollen Penthaus in Köln und drin in 22 m² Souterrain in der alten Heimat Bochum, zu allem Unglück auch noch ohne Job. Maggie ist verzweifelt, mehr noch, sie ist am Boden zerstört. Durch die Erzählung in der Ich-Form bekommt der Leser das ganze Elend hautnah zu spüren. Den Job bei „Pietät Sommer“ nimmt sie aus purer Not heraus an. Mit Toten hat sie es überhaupt nicht. Ganz langsam und allmählich ändert sich ihre Einstellung dieser Kundschaft gegenüber, zunächst aus dem einfachen Grund heraus, weil sie ihrem Kollegen Herrn Matti helfen will. All die Gedanken, die ihr dabei durch den Kopf gehen, sind gut nachvollziehbar und transparent. Maggie ist eine etwas chaotische, aber doch sehr liebenswerte Person. Als Leser kann man sich gut mit ihr identifizieren, teilt Freud und Leid.
Dann ist da noch Herr Matti, ein Finne, seines Zeichens Thanatopraktiker, schlicht Einbalsamierer. Er ist derjenige, der mit den Toten zu tun hat, und er tut das mit großem Respekt. Ganz nebenbei lernt Maggie - und damit auch wir - eine Menge über das Bestatterhandwerk von ihm.
Der Chef des Bestattungsunternehmens, Herr Sommer, ist eine etwas windige Person. Er ist ständig unterwegs und hat noch etwas zu erledigen.
Meine Lieblingsfigur ist die Prusseliese, Maggies Lieblingsorganistin. Sie sieht halt aus wie Prusseliese. Leider segnet sie das Zeitliche, und mit ihrem Tod kommt die Sache ins Rollen.
Auch die anderen Figuren, die noch auftauchen, sind alle gut beschrieben und haben ihre kleinen Eigenarten, Maggies Freundin Wilma, Herr Kostnitz und der Kommissar Blaschke, der auch noch eine Überraschung für Maggie und den Leser auf Lager hat.


Aufmachung des Buches
„totgepflegt“ liegt als Taschenbuch vor. Das Cover ist in einem kräftigen Rosa und zeigt drei Personen auf einem Sofa sitzend. Das Bild ist wie ein Comic gezeichnet, und die drei Personen dürften die Prusseliese, Herr Matti und Schwester Beate sein. Irgendwie sehen die Drei nicht wirklich gesund aus, sind alle ein wenig grün um die Nase. Der Titel steht darunter zusammen mit dem Untertitel „Maggie Abendroth und der kurze Weg ins Grab". Für den Leser hilfreich finde ich den Hinweis „Krimi – Ruhrgebiet“. Die Rückseite ist „bestatterschwarz“ und zeigt eine kurze Inhaltsangabe.


Fazit
Das Buch zeigt einen nicht ganz ernst zu nehmenden Einblick in die Welt der Bestatter aus der Sicht einer etwas chaotischen Frau, die mit dem Tod bisher nicht viel zu tun hatte. Wenn man sich erstmal an die verschachtelten Sätze gewöhnt hat, ist die Geschichte gut zu lesen und bietet einige Gelegenheiten zum Schmunzeln. Für die Leser, die Bochum ein wenig kennen, ist das Buch lesenswert, aber auch alle anderen werden ihren Spaß mit Maggie Abendroth haben.


4 Sterne


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