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Ein Polizist steht auf der Duisburger Rheinbrücke und will sich in die Tiefe stürzen. Der Seelsorger Martin Bauer soll ihn daran hindern. Er klettert einfach über das Geländer und springt selbst. Überrumpelt folgt der Beamte, um Bauer zu retten. Gemeinsam können sie sich aus dem Wasser ziehen. Bauer hat hoch gepokert, aber gewonnen. Doch wenige Stunden später ist der Polizist tot. Ein klarer Fall von Selbstmord, gegen den Beamten wurde wegen Korruption ermittelt. Bauer weiß nicht, was er glauben soll. Und er sieht die Verzweiflung in der Familie des Toten. Auf der Suche nach der Wahrheit setzt er alles aufs Spiel.

 

Glaube Liebe Tod HB 

Autor: Peter Gallert und Jörg Reiter
Sprecher: Oliver Siebeck
Verlag: Hörbuch Hamburg
Erschienen: 05/2017
ISBN: 978-3-95713-082-2
Spieldauer: 720 Minuten, 2 mp3-CDs; ungekürzte Lesung


Die Grundidee der Handlung
Martin Bauer hat seine Stelle als Gemeindepfarrer aufgegeben und arbeitet nun als Polizeiseelsorger. Hier hat er nicht nur Beruf, sondern Berufung gefunden. Und er hat einen Handel mit Gott geschlossen: "Weniger Tote, weniger Zigaretten. Die Toten waren in all den Jahren nicht weniger geworden, trotzdem hielt sich Bauer an seinen Teil der Abmachung: Tage ohne Todesnachricht waren für ihn Tage ohne Zigarette." Ob er heute eine Zigarette wird rauchen müssen, steht noch nicht fest und hängt ganz entscheidend von ihm ab. Er soll einen Polizisten daran hindern, von einer Brücke in den Tod zu springen. Als Bauer näherkommt, scheint der Polizist wild entschlossen, doch springen tut er nicht. Die Widersprüchlichkeit der Situation wird immer größer, als Bauer erkennt, dass der Polizist verzweifelt ist, aber - und da ist Bauer sich sicher - am Leben hängt, zumal er Frau und Sohn hat. Als Worte nichts nützen, macht Bauer etwas, das gegen jedes Lehrbuch ist. Er springt selbst von der Brücke, damit ihn der Polizist rettet und er so den Polizisten retten kann. Das unkonventionelle Manöver geht gut, der Erfolg währt aber nur kurz. Noch in der Nacht wird die Leiche des Polizisten gefunden. Offenbar hatte sich Herr Keunert nun von einem Parkhausdach in den Tod gestürzt. Sollte sich Bauer so getäuscht haben? Er war sich absolut sicher gewesen, dass er auf der Brücke nicht mit einem Selbstmörder gesprochen hatte. Bauer beginnt an sich selbst zu zweifeln, als er erfährt, dass die interne Ermittlung gleich wegen mehrerer möglicher Vergehen gegen Keunert ermittelte. Doch spätestens, als er die Verzweiflung des Sohnes bemerkt, ist Bauer wild entschlossen, die Todesumstände Keunerts aufzuklären. Doch was immer er versucht, führt ihn nicht weiter, sondern nur zu Ärger mit Kollegen. Bis Bauer ein winziges Detail entdeckt, das die Familienidylle der Keunerts endgültig zerstört und ins Rotlichtviertel führt. Das Puzzle, das Bauer zusammensetzt, führt über ein Jahrzehnt in die Vergangenheit und auf die Spur zweier Geheimnisse, die so dunkel sind, dass plötzlich gleich mehrere Menschen ein sehr plausibles Motiv gehabt hätten, den vermeintlichen Selbstmörder zu töten...

Was für ein Debüt. Mit Martin Bauer schaffen die Autoren einen "Ermittler wider Willen" und eine Figur, die man einfach mögen muss, weil sie so echt wirkt. Echt in Überzeugungen, Gefühlen, aber - und hier hat mich Bauer besonders berührt - auch in seinen Zweifeln und Ängsten. Dass sich diese "Echtheit" nicht nur auf seinen Berufsalltag erstreckt, sondern sich auch in seinem Privatleben wiederfindet, macht ihn umso glaubwürdiger. Überhaupt ist dieses Buch weniger durch den Glauben geprägt als durch Glaubwürdigkeit, und zur Glaubwürdigkeit gehören nun auch - berechtigterweise - die Zweifel. Zweifel daran, ob ein Mensch tatsächlich freiwillig aus dem Leben geschieden ist, Zweifel daran, ob alles so klar ist, wie es scheint, aber auch Zweifel daran, ob es Gott gibt oder ob Bauers Beruf der Familie zu viel abverlangt. Bei seiner Frau und seiner Tochter findet Bauer immer wieder Halt, auch, wenn das politische Engagement der 15-jährigen Tochter die Eltern vor schwierige Entscheidungen stellt. Die von mir beschriebene Glaubwürdigkeit und "Echtheit" erstreckt sich auf alle Personen, die in ihren Charakteren so wunderbar unterschiedlich sind.

Die Geschichte überzeugt mich vor allem aus zwei Gründen: Zum einen gelingt es dem Autorenduo immer wieder, Szenen zu schaffen, die so plastisch und so greifbar sind, dass sie sofort "Kopfkino" entstehen lassen. Hier kommt ihnen sicher die Erfahrung im Schreiben von Drehbüchern zugute. Dass die erste Szene dieses Buches eine solche Wirkung entfaltet, trägt sicher dazu bei, dass ich immer weiter hören wollte. Die Geschichte hat mich aber auch - und vielleicht gerade - deshalb überzeugt, weil sie zu keiner Zeit vorhersehbar ist, die meisten der Personen eine ungewöhnliche Tiefe haben und Klischees so dosiert zum Tragen kommen, dass sie glaubhaft und passend wirken. Die Geschichte rückt eben auch nicht den Tod und seine Umstände allein in den Mittelpunkt, sondern behält stets auch ein Auge auf die Menschen. Dass die alle "wohltuend imperfekt" wirken erhöht das Lese- bzw. Hörvergnügen nochmals. Gelungen und überzeugend. Hoffentlich dürfen sich (Hör-)Buchfans auf mehr freuen.


Darstellung des Hörbuchs
Das Hörbuch wird gelesen von Oliver Siebeck, der u.a. auch die Taunuskrimis von Nele Neuhaus vertont hat. Seine Stimme ist trotz der Tiefe eine ausgesprochen angenehme Stimme, die das gesamte Spektrum von sanft bis rau, von einfühlsam-liebevoll bis sehr gereizt und von knallharter Wahrheit bis zu honigsüßer Lüge abdecken kann. Das erweist sich gerade für die vielen Wendungen, die oft auch mit starken und dabei sehr unterschiedlichen Emotionen der handelnden Personen einhergehen, als wahrer Glücksgriff. Überhaupt versteht es der Sprecher sehr gut, die Stimmungen des Buches und die Atmosphäre der Schauplätze einzufangen. Der spröde aber doch herzliche Charme der Region wird sehr schön transportiert. Stimmliche Unterscheidungen der handelnden Personen gibt es, sie fallen aber nicht allzu deutlich aus. Trotzdem kann man der Handlung jederzeit sehr gut und problemlos folgen. Gelungene Lesung und ich würde mich sehr freuen, wenn es gelingen könnte, diesen Sprecher auch für die weiteren Folgen der Serie zu gewinnen. Er passt sehr gut zu Martin Bauer und der Region.


Aufmachung des Hörbuchs
Das Cover zeigt die Schattengestalt eines Mannes, der gefährlich nah am Außengeländer einer Brücke steht und in die Tiefe blickt. Hinter ihm ist die Straße sowie die beeindruckende Brückenkonstruktion zu erkennen. Das Licht kommt von seitlich vorne und fällt etwa unterhalb des Bauches auf Mann und Geländer. Etwa auf selber Höhe finden sich in weiß bzw. beige die Nachnamen der beiden Autoren. Der Buchtitel beginnt auf Höhe der Brücke und endet etwa auf Kopfhöhe des Mannes. Er ist in schwarz gehalten. Klappt man den Schuber auf, so finden sich zunächst zwei kurze Textpassagen aus dem Band. Klappt man den Schuber ein weiteres Mal auf, so finden sich links zwei kurze Biografien der Autoren, in den beiden mittleren Laschen die CDs und ganz rechts noch einmal eine Textpassage aus dem Band. Unterhalb der beiden CDs, die ebenfalls mit Details der Brückenkonstruktion bedruckt sind, finden sich die Kurzbiografie des Sprechers und bibliographische Angaben. Die Innenseiten sind komplett in schwarz mit weißer Schrift gehalten. Einfache, aber sehr gelungene Gestaltung.


Fazit
Was für ein Debüt! Wenn die erste Szene gleich vor dem inneren Auge erscheint, hat man vieles richtig gemacht. Polizeiseelsorger Martin Bauer ist ein Ermittler, der wunderbar menschlich imperfekt ist, aber ein untrügliches Gespür für die Situation besitzt. Das, woran er sich messen lässt, ist sein Gewissen und seine Glaubwürdigkeit und Integrität überzeugen. Hoffentlich dürfen wir mehr hören bzw. lesen.


5 Sterne


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