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TTT #669: Zeige uns deine zehn liebsten Buchtipps von Selfpublish…

  Zeige uns deine 10 liebsten Buchtipps von Selfpublishern

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Mein SuB kommt zu Wort – März 2024

  Die Temperaturen schwanken zwar immer noch regelmäßig zu "sehr kalt", aber die Blütenpracht und erste grüne Bäume machen es ganz deutlich: der Frühling ist da! Ich liebe die Aufbruchsstimmung, die diese Jahreszeit mit sich bringt und all die intensiven Farben. Da will man automatisch raus in die Natur - dank Hörbüchern heißt das aber zum Glück nicht, dass man auf die üblichen Lesestunden verzichten muss ;-) Neben vielen schönen Spaziergängen steht für mich auch die Leipziger Buchmesse endlich mal wieder auf dem Programm. Bevor ich dafür meine Tasche packe, lasse ich aber vorher noch meinen SuB ( = Stapel ungelesener Bücher) zu Wort kommen. Alle Informationen zu dieser Aktion find...

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Mein SuB kommt zu Wort – Februar 2024

  Die ersten zwei Monate des Jahres sind schon beinahe rum - kaum zu glauben, wie der Jahresanfang immer rennt :-) Lesetechnisch bin ich sehr gut ins neue Jahr gestartet. Ich hab viele tolle Bücher schon gelesen quer durch alle Genres, die mein SuB ( = Stapel ungelesener Bücher) so zu bieten hat. Ich werde auch gleich wieder zu meiner aktuellen Lektüre, "Das Lied von Vogel und Schlange", zurückkehren, aber vorher kommt noch mein SuB zu Wort. Alle Informationen zu dieser Aktion findet ihr hier und hier den letzmonatigen Beitrag. Ins Leben gerufen wurde die Aktion "Mein SuB kommt zu Wort" von der lieben Anna von Annas Bücherstapel. Mittlerweile haben Melli und Vanessa die Aktion übe...

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TTT #662: Zeige uns 10 Bücher, deren Titel mit dem Buchstaben T b…

  Zeige uns 10 Bücher, deren Titel mit dem Buchstaben T beginnt

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Mein SuB kommt zu Wort – Januar 2024

  Allen Leserinnen und Lesern auf diesem Weg noch alles Gute für das neue Jahr! Wie jedes Jahr starte ich immer mit viel Lese-Lust und Begeisterung für meine SuB-Bücher ins neue Jahr - ganze fünf Bücher konnte ich schon beenden und alle waren aus den Reihen meines SuB ( = Stapel ungelesener Bücher). Bevor ich mich gleich wieder der aktuellen Lektüre "The Atlas Paradox" widme, überlasse ich nun auch nochmal meinem SuB das Wort. Alle Informationen zu dieser Aktion findet ihr hier und hier den letzmonatigen Beitrag. Ins Leben gerufen wurde die Aktion "Mein SuB kommt zu Wort" von der lieben Anna von Annas Bücherstapel. Mittlerweile haben Melli und Vanessa die Aktion übernommen. ...

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"Er sieht aus, als ob er erst jetzt von Woodstock kommt und noch nicht ausgepackt hat". Bärbels Augen hatten lüstern dabei gefunkelt, sie hatte sich ihren Kopf nach IHM fast verrenkt und mich herausfordernd gemustert.
"Oooh. Was für ein Mann! Anna, ich habe beschlossen ihn einzuladen. Und du, Schäfchen – stoße doch einfach dazu." Sie kniff ein Auge zu, das sollte wohl verschwörerisch aussehen, und knallte ihre Wohnungstür ins Schloss.
Rasend vor Zorn schluckte ich, ballte heimlich die Faust. Genau das wirst du nicht, Bärbel-Schätzchen! Nicht IHN! Nicht Thomas! Heute Nachmittag treffe ich mich nämlich mit ihm. Eine richtige Verabredung – im Café Leopold. Mit den Kindern.
Das sagte ich natürlich nicht, und das mit den Kindern hätte ich sowieso weggelassen.
Damals wohnte ich schon sieben Monate mit Kathrin und Karsten in dem schäbigen Betonklotz in einer Kleinstadt, in die ich mich nach der Scheidung zurückgezogen hatte. Mein Achtjähriger hatte schnell Freunde gefunden, Kathrin verbrachte das letzte Jahr im Kindergarten.
Mein einziger Kontakt war Bärbel von nebenan, dreißig, ein wenig pummelig, drei Jahre jünger als ich, verheiratet mit Bierbauch-Gerd. Einladen wollte sie ihn! Und mich dazu! Ich konnte es kaum fassen, schließlich war ich nicht gut auf sie zu sprechen in letzter Zeit.
Eben wegen so einer Einladung.
"Zwischen acht und neun, so zwei Stündchen", hatte sie vor einiger Zeit zu mir gesagt. Und wenn was wäre, bräuchten die Kinder nur gegen die Wand zu klopfen.
Ihre Wohnung war überheizt und der Duft der stark parfümierten Kerzen viel zu intensiv. Nach noch nicht mal einer halben Stunde zog Bärbel ihren Pullover aus und sprang barbusig in die Küche, "Eis holen". Verdutzt griff ich nach meinem Glas und Gerd gleichzeitig an meine Brust, seine andere Hand schob sich fordernd zwischen meine Knie. Ich drückte ihn zurück, fragte, ob er ein wenig verrückt sei, dabei fiel sein Glas auf den Teppich. "Ich stehe auf Wildkatzen." Seine Stimme klang wie die von Kohl, wenn er eine Nebenhöhlenentzündung hat. Gerd hielt das wahrscheinlich für erotisch. "Du wirst sehen, Schäfchen, so ein Dreier ist sehr anregend."
Ich hatte ganz höflich nein danke gefaucht, ihm meine Rechte ins Auge gerammt und die Wohnung verlassen. Im Flur fragte ich meinen Spiegel, ob man mir ansehe, dass ich seit bald zwei Jahren wie eine Nonne lebe.
Manchmal war ich richtig frustriert, seit mein Ex mir nach seiner letzten Sekundenpflichtübung noch etwas atemlos klargemacht hatte, dass da eine andere sei – groß, blond, Körbchengröße Extra, kinderlos, immer bereit. Eigentlich wollte ich das lange Fleischmesser holen, stattdessen zog ich ins Kinderzimmer, er ein paar Tage später zu seinem Dessous-Modell. Und ich fragte mein Spiegelbild, ob ich auch "Nein, danke" gesagt hätte, wenn Bärbels Mann wie ER ausgesehen hätte, ER gewesen wäre ... Himmelherrgottnochmal! Gereizt putzte ich den Spiegel, nahm eine kalte Dusche, deckte die Kinder zu, träumte recht heftig von Thomas, dem Woodstockmann, und musste morgens das zerknüllte Laken wechseln.

 

Kurz nach meinem Einzug im letzten Herbst blickte ich früh um halb sieben aus dem Küchenfenster. Da rannte einer bei strömendem Regen in Trainingshose und Kapuzenanorak die Straße herunter. Nach ungefähr zwei Wochen lief er immer noch. Bei trockenem Wetter mit einem Stirnband. Ich konnte fast die Uhr nach ihm stellen. Gegen sieben hastete er stets zurück, manchmal mit einer prallen Tüte in der Hand.
Ein Irrer.
Bärbel klärte mich auf: Er wohne seit kurzem in einem dieser schmucken Einfamilienhäuser zwei Querstraßen weiter, geschieden, 37. Seine Exfrau sei mit ’nem steinreichen Knacker, der locker ihr Vater hätte sein können, auf und davon, hat sogar auf ein Besuchsrecht für die eigenen Kinder verzichtet. Für die zwei schulpflichtige Buben habe er das Sorgerecht. Beamter sei er. Soll man nicht für möglich halten, mit den langen Haaren. Wenn er nur mit einer Badehose bekleidet im Garten mit seinen Kindern spiele, könne sie zum Tier werden und sich auf ihn stürzen. Dann habe er dauernd Frauen im Haus, passen angeblich auf die Kinder auf, na, wer’s glaubt! Dauerläufe mache er? Das könne sie sich nicht vorstellen, passt überhaupt nicht zu ihm. Abends sei er viel unterwegs, ganz schön beliebt und bekannt in den umliegenden Bars und Nobelkneipen. In der 30 Kilometer entfernten Großstadt habe sie ihn mit zwei Blondinen am Arm gesichtet, na ja, ich wisse schon.
Nö, ich wusste nichts. Du liebe Güte, aber was sie alles so wusste.
Ich sah ihn erstmalig beim Weihnachtsbasar in der Schule, normal angezogen – enge, lange Hose aus schwarzem Leder, Ledermantel, keine Krawatte. Schal auf weißem Hemd. Da war er eigentlich die Attraktion für die gefrusteten und allein erziehenden, ehegeschädigten oder einsamen Mütter. Das zweite Mal begegneten wir uns beim Kinderfasching im Gasthaus am Eck. Da sorgte er dafür, dass die Kinder ihren Spaß hatten und er kam mir vor wie ein Zwölfjähriger.
Tja, und an diesem zweiten Samstag im März traf ich ihn vor der Hähnchenbraterei. Er stand in der Schlange, als Karsten auf zwei Buben zustürzte und Kathrin begeistert "Philipp, Philipp, Maaartin, huhuuu" rief. Ich kannte natürlich seine Söhne, acht und neun Jahre alt, Philipp und Karsten gingen in eine Klasse. Ob sie nebenan beim Spielzeugladen warten dürften, fragte Martin. "Ja, aber passt auf Kathrin auf und rührt euch nicht von dem Schaufenster weg." Mit diesen Worten drehte sich der "Dauerläufer" zu mir und meinte, wenn ich nichts dagegen hätte. Hatte ich nicht. Das mit Kathrin hätte ich gerne selbst gesagt, schließlich war sie meine! Tochter.
Am Spielzeugladen stellte er sich später vor: "Ich bin Thomas, der Vater dieser wilden Burschen."
"Freut mich, ich heiße Anna."
"Ich weiß. Haben Sie Lust, heute Nachmittag mit mir ein Eis essen zu gehen? – Mit den Kindern?" Dabei sah er mich ununterbrochen an. Wir duellierten uns regelrecht mit den Augen. Keiner gab nach, keiner blinzelte oder verzog eine Miene. Warum eigentlich? Das war doch keine weltbewegende Frage. Nun ja, für ihn vielleicht nicht. Und für mich? Meine Augen brann-ten schon, aber ich würde nicht zwinkern, das hätte er als ein zu schnelles Ja deuten können.
"Wir können auch mal zusammen laufen. Mache ich jeden Morgen – eine halbe Stunde", meinte er noch so nebenbei.
Sag was Geistreiches, Anna, sag was Intelligentes, und ich nuschelte "ach. Ach ja?"
Da hob er seine linke Augenbraue an, bohrte seine Zunge in den Mundwinkel zu einem unverschämten Grinsen. Ich drückte meine wackeligen Knie fest durch und sagte hastig: "Ja, in Ordnung. Das mit dem Eis, meine ich ... und das im März!"
Die Kinder waren begeistert, Kathrin riss ihre großen Augen noch weiter auf und meinte ganz andächtig: "Schokoeis – booh, wo’s noch so kalt ist!"
"Im Sommer kann das jeder. Setzt du für mich deine rote Mütze mit der dicken Bommel auf?" Strahlend sah meine Tochter Thomas an und nickte. "Um zwei beim Leopold, Anna", rief er uns noch hinterher.
Wir lachten viel an diesem Nachmittag, ich plapperte bestimmt lauter unsinniges Zeugs, als wir nach der Eisorgie noch einen Spaziergang machten.
Vor unserem Block angekommen fragte Martin, ob wir Ketchup hätten.
"Haste wieder mal vergessen, Papa", maulte Philipp. Ohne Ketchup bekäme man das Hähnchen nicht runter. Wir wollten auch erst abends essen und nach zwei Sätzen hin und her beschlossen die Kinder, dass wir alle bei uns die Hähnchen verputzen würden. Wir hätten schließlich Ketchup.
Während die Kinder lauthals ins Kinderzimmer stürmten, machte ich mich frisch, bürstete meine langen Haare, noch ein Tupfer Parfum, Lidstrich war in Ordnung, meine Hände feucht.
Thomas kam mit zwei Flaschen Bier, einer Flasche Wein, Brötchen und dem Abendessen.
Gegen neun verabschiedeten wir uns. Ich stand noch an der Wohnungstür, als Thomas zu seinen Kindern sagte, sie sollen schon mal runter gehen und auf ihn warten. Er kam zurück, hob mein Kinn und küsste sanft meine Lippen, dann etwas heftiger und umfasste meinen Kopf mit beiden Händen. Als er mich losließ flüsterte er: "Das müssen wir wiederholen", und ich wisperte zurück: "Das Eisessen?" Und wieder hob er eine Augenbraue, was ihn so verwegen-spöttisch aussehen ließ und zupfte an meinen Haaren: "Das auch, Anna, das auch."

 

Am nächsten Morgen stand ich halb sieben hinter der Gardine und tatsächlich kam ER. Auf einmal blieb Thomas ganz kurz stehen, sah zu mir hoch und winkte mit beiden Armen, um sich dann wieder schnell in Bewegung zu setzen.
Erschrocken sprang ich einen Schritt zurück. Dieser Mistkerl! Seit wann weiß er, dass ich ihn jeden Tag beobachte? Also deshalb gestern seine scheinheilige Bemerkung, er mache jeden Morgen einen Dauerlauf.
Mein Gott, war das peinlich. Trotzdem stand ich um sieben wieder da, und, ich konnte es kaum fassen: Da dreht sich dieser Kerl noch nicht mal um, sondern winkt nur! Mein Herzschlag geriet völlig aus dem Takt.
Um zehn klingelte es Sturm, und Philipp rannte die Stufen hoch. Ich solle ja nichts kochen, sein Papa würde saure Nierchen machen, und dazu Sahnekartoffeln und "Grünzeugs", und eine Riesenschüssel Schokopudding, und um eins sollten wir da sein, und er könne wunder-prima kochen. Das hatte er alles ohne Punkt und Komma von sich gegeben und war die Treppen runtergesprungen, bevor ich auch nur einen Ton sagen konnte.
Ich mag keine Nierchen! Ich mag auch keinen Schokopudding! Wo war ich da nur reingeraten – ein Mann, wie aus einem Herrenmagazin entsprungen, ein großer Läufer querfeldein, wahnsinnig sympathisch, kochen kann er auch noch, und küssen – Anna! Reiß dich zusammen! Da gibt’s auch Frauen in Massen, bei ihm zu Hause, in den Bars, in der Großstadt und weiß der Teufel wo noch. Ich befragte mal wieder meinen Flurspiegel und blockierte anschließend zwei Stunden das Bad.

 

In den nächsten drei Wochen sahen wir uns fast täglich, duzten und küssten uns, meine Hormone spielten verrückt – und ich schlief allein.
Dann rief mein Ex aus seinem 120 Kilometer entfernten Domizil an.
Dessous-Modell sei das ganze Wochenende auf dem Steg, er hole die Kinder Freitagabend ab bis Sonntag. Obwohl er sie an jedem vierten Wochenende zu sich holen konnte, hatte er erst zweimal Gebrauch davon gemacht.
Die Entfernung, Anna, das musst du verstehen, und Conny könne nicht so mit Kindern, blablabla. Also räumte ich Samstagvormittag meinen kinderlosen Haushalt auf, putzte mal gründlich, schleppte die schweren Blumentöpfe von einer Ecke in die andere und kroch fast auf allen vieren zur Tür als es klingelte. Thomas!!! O mein Gooott! Und wie ich aussah! Kurze Hose und verdrecktes Holzfällerhemd ...
"Richtig süß!" Er umarmte und küsste mich stürmisch, "aber nun setz dich. Wohin sollen die Pflanzen? Komme gerade von meinen Eltern, sie wollten ihre Enkel auch mal wieder sehen. Na ja, und da dachte ich, mal ohne Kinder ... so ein ganzes Wochenende ... Hole sie Sonntag wieder ab."
Wie sein Sohn, alles ohne Luft zu holen, und ich murmelte was von Händewaschen und schlich ins Bad. Minutenlang ließ ich in der Dusche das heiße Wasser über meinen Rücken laufen, bis ich endlich wieder gerade stehen konnte, als Thomas die Schiebetür leise öffnete. Wir liebten uns das erste Mal unter fließendem Wasser, stießen abwechselnd gegen die Armaturen, ich hatte Tage später blaue Flecke am Rücken – Thomas 25 Zentimeter tiefer. Bis Sonntagmittag küssten, liebkosten, liebten wir uns, standen nur auf um etwas zu essen, gemeinsam zu baden, und das alles auch bei Tageslicht. Ich schwebte, hatte Angst einzuschlafen und alleine aufzuwachen.

 

Die Monate rasten an uns vorbei und die Kinder fanden es ganz natürlich, wenn wir uns umarmten. Oft schwindelten wir auch ein wenig, sagten unter der Woche, wir gingen ins Kino, ins Theater, zu Freunden. Dann schliefen meine zwei mit einem Babysitter in Thomas’ Haus. Und wenn er dann von seinem morgendlichen Dauerlauf zurückkam – und da ließ er fast keinen Tag aus – frühstückten wir alle gemeinsam bei ihm.
Thomas sagte nie gedankenlos und nebenbei "Ich liebe dich", und dafür war ich dankbar. Das hatte mein Ex immer von sich gegeben, wenn er nach einem Liebesakt mit sich zufrieden aufstand, ins Bad lief und sich duschte, als ob ich an einer ansteckenden Krankheit leiden würde.
Mein Woodstockmann nahm mich in die Arme, streichelte mich und wir kuschelten. Er fragte schon mal: "Geht’s dir gut, Spätzchen?" Immer wieder versicherte er mir, ich sei das Beste, was ihm habe widerfahren können und er sei völlig verrückt nach mir.
Thomas kaufte selten große Blumensträuße, aber er überraschte mich zu den unmöglichsten Zeiten mit einer Rose, einem vierblättrigen Kleeblatt, einem blühenden Zweig, dem Feldblumenstrauß mit Gräsern, Essen im Bett, einem Négligé aus Seide, für mich kochfreien Wochenenden, spontanen Theaterbesuchen ...

 

Nach den Sommerferien zogen wir in sein Haus, und unsere vier Rangen liebten und zankten sich wie Geschwister. Das Dachgeschoss war mit WC und Dusche ausgebaut worden, und die Schrägen waren teilweise zu Schränken mit Schiebetüren umfunktioniert. Beim Anblick des fast sechs Quadratmeter großen, dick gepolsterten Bettes blieb mir die Luft weg, und die Kinder schrien, so was wollten sie auch. Thomas erklärte sofort unseren "Spielraum" zur Tabuzone und zog demonstrativ die Leiter hoch.
Die Kinder bekamen einen Meter fünfzig breite Kordbetten und durften sich die Farbe aussuchen.
Manchmal hatte ich Angst vor so viel Harmonie und wurde sehr schweigsam. Thomas drückte mich dann fest an sich und wurde ernst: "Ich werde dich immer lieben und begehren, auch wenn wir alt und zahnlos sind. Wenn wir zwei dann Krücken brauchen, laufen wir gaaanz langsam morgens über die Wiesen und bringen unseren Enkeln und Urenkeln Brötchen mit."
Wir fuhren auch in die nächste Großstadt, besuchten Edelbars, wilde Kneipen, Striplokale, Etablissements, die in keinem Stadtführer standen ("das musst du einfach mal gesehen haben, Anna-Spätzchen") und durchtanzten ganze Nächte. Da kam es immer wieder vor, dass eine Frau "Hallo Thomas" rief – auch Blondinen. Das erste Mal grinste er, fast ein wenig verlegen, dass das vor unserer Zeit gewesen sei. Ich war komischerweise auf keine eifersüchtig, und als ich eines Abends sagte, dass er vielleicht gerade "deshalb" ein so guter Liebhaber sei, lachte er so schallend, dass sich alle Leute nach uns umdrehten. Er hob mich hoch, ließ mich sanft auf den Barhocker nieder, legte seine Hände auf meine Oberschenkel, knabberte an meinem Kinn und flüsterte, "Spätzchen, du bist was ganz Besonderes", bestellte zwei Jim Beam und – wie immer – Eis extra.

 

Mit spontanen Aktionen mussten die Kinder und ich immer rechnen. Zum Glück verfügten wir über eine Liste mit Babysittern, die auch mal kurzfristig über Nacht bleiben konnten. Kurz vor den Weihnachtsferien, es war ein Donnerstag, kam unser "Nachtengel" Gabriele. Thomas rief, ich solle meinen Mantel anziehen, und nach vier Kinderküssen saß ich schon im Auto. Auf meine Frage "Wohin?" kam nur "Überraschung". Nach gut einer halben Stunde hielt er vor einem großen Hotel, ein Mann in Livree riss die schwere Glastür auf, ich war verwirrt. Thomas zog wieder mal eine Augenbraue hoch und guckte verschmitzt. An der Rezeption bestellte er ohne einmal zwischendrin zu atmen: "Ein Zimmer mit Dusche bitte, nur für diese Nacht, einen kleinen Imbiss, zwei Gläser, eine Flasche Champus, wecken Sie uns bitte um fünf, kann ich den Wagen draußen stehen lassen?"
Misstrauisch sah der gute Mann auf meine kleine Handtasche, fragte nach unserem Gepäck. Ich schüttelte den Kopf. Pikiert sagte er, dass er bedaure, aber ...
Thomas unterbrach ihn und öffnete seine Brieftasche. O Gott, er wird doch nicht einen Geldschein auf den Tisch legen – wie in einem Stundenhotel. Vor Verlegenheit wurde mir ganz heiß, und ich hörte, wie er sagte: "Nein, kein Gepäck. Doch sehen Sie mal. Das da sind unsere Kinder, wir lieben sie, beten sie an. Aber – wir brauchen dringend mal ein paar Stunden in einer anderen Umgebung. Nur für uns." Da strahlte der Mann an der Rezeption, wir bekamen das schönste Zimmer, und das sollte auch nicht unser letzter Besuch gewesen sein.

 

Einmal kamen wir von einer recht öden, großen Gesellschaftsfeier. Nur hirnloses Geschwätz, Küsschen rechte Wange, linke Wange, Sie müssen uns uuunbedingt besuchen ... Sie müssen uuunbedingt an einem unserer nächsten Damentreffen teilnehmen. Na, das hatte mir noch gefehlt!
Weit nach Mitternacht verkrümelten wir uns heimlich. "Ich habe dich ja kaum zu Gesicht bekommen", beschwerte sich Thomas, schlug die falsche Richtung ein und stellte vor Huberts Bar das Auto ab. Kein Licht im Erdgeschoss.
Am Hintereingang wartete Hubert. Alles sei klar, wir sollten uns bedienen, für alle Fälle habe er noch das Schild Privatfeier an die Tür gehängt, na ja, manchmal kontrolliere die Polente ... Wir sollten später einfach den Hauptschalter umdrehen und die Hintertür fest zuziehen und "Tom, vielleicht rufst du nächstes Mal ein paar Minuten früher an. Die letzten fünf Gäste konnte ich nur mit einem Freigetränk zum Gehen bewegen."
Thomas versprach’s. Huberts Bar hatte die größte Tanzfläche weit und breit. Die Musikbox spielte schon leise, und in diesen frühen Morgenstunden gehörte die Tanzfläche mit schummriger Beleuchtung, Kerzen auf "unserem" Tisch nur uns, und die sich drehende Glitzerkugel an der Decke verwandelte den ganzen Raum in ein Sternenmeer, richtig schön kitschig, und ich fand es wundervoll.

 

Unseren Jahrestag feierten wir am zweiten Wochenende im März, fuhren die Kinder in das knapp hundert Kilometer entfernte Dorf zu seinen Eltern. Dann kauften wir Hähnchen, die wir erst abends aßen, saßen 14 Uhr im "Leopold", machten einen Spaziergang und Thomas kochte am Sonntag saure Nierchen mit Sahnekartoffeln ... "In den nächsten 60 Jahren werden wir unser Wochenende immer so gestalten. Einverstanden, Spätzchen?"
Natürlich hatten wir auch Meinungsverschiedenheiten, die wir aber fast immer mit zwei, drei Sätzen beheben konnten.
Wir waren wohl die aktivste Familie im Viertel. Unsere Kinder kannten jeden Baum im Umkreis, wir gingen Schwimmen, Schlittschuhlaufen, Skifahren; in den Zoo, den Zirkus, ins Puppentheater. Vor allem die Buben kannten sich im Museum bestens aus. Wir hatten kein Fernsehgerät, aber gewiss die größte Spiele- und Schallplatten-sammlung und Bücher, wie in einer Bibliothek.
Während des zweiten gemein-samen Weihnachtsfestes fragten wir Kathrin, ob sie im Sommer Blumen für uns streuen würde und anschließend mit ihren Brüdern bei den Großeltern vier Wochen Ferien verbringen wolle. So lange dauerten nun mal Flitterwochen.
Kathrin strahlte und diskutierte sofort mit Karsten, Philipp und Martin die Kleiderfrage und welche Blumen im Sommer am schönsten blühten.

 

An unserem zweiten Jahrestag schneite es wie schon lange nicht mehr im März, und am darauffolgenden Wochenende stand der dickste Schneemann in unserem Garten. Thomas stutzte nur und zog eine Augenbraue hoch, als er seine beste Pfeife, schon mit Schneeflöckchen bedeckt, unter der Mandarinennase entdeckte. Heimlich tausch-e er sie später aus.
Am Montag hatte Thomas eine sehr wichtige Sitzung, und weil es die ganze Nacht erneut heftig geschneit hatte, musste er eine halbe Stunde früher fahren. Nachdem die Kinder aus dem Haus waren räumte ich den Tisch ab, warf die Wäsche in die Maschine, goss die Pflanzen. Das Radio spielte leise, immer wieder von Verkehrsmeldungen unterbrochen; zwei Autobahnen waren wegen schwerer Unfälle halbseitig gesperrt, Landstraßen wegen quer stehender Autos blockiert, Schneetreiben und Nebel würden immer dichter.
"Zehn Uhr vierzig, und nun spielen wir für Sie ...", plauderte der Sprecher munter, als die Türglocke anschlug. Kathrin kommt aber früh nach Hause, dachte ich und öffnete. Vor mir stand Gerhard, ein mit uns befreundeter Polizeibeamter in Zivil, ein Uniformierter schloss das Gartentor. Gerhard sah mich ernst an, mein Herzschlag setzte für einen Moment aus und ich fragte, ob eines der Kinder verletzt sei.
"Nein", unterbrach er mich, "den Kindern geht es gut. Darf ich reinkommen?"
Kälte breitete sich in mir aus und eine heftige Übelkeit, ich schmeckte Galle. In meinen Ohren war ein Rauschen, das unversehens in einen grellen Pfeifton überging, und der Dielenboden schwankte.
"Anna! Bitte, lass mich rein." Ich schüttelte den Kopf und sagte NEIN, aber das war nicht meine Stimme. Dann spürte ich seine Hand auf meinem Arm, als er mich durch eine dicke Geleeschicht führte und auf die Eckbank in der Wohnküche drückte. Ich hörte wie durch einen Wattebausch Gerhard sagen, der Kollege solle sofort Gisela, Gerhards Frau, hierher bringen.
Behutsam ergriff er meine Hände, die unkontrolliert zitterten und drückte sie fest. Ein Massenunfall mit über zwanzig Autos, Anna – der Laster habe Thomas’ Auto unter einen Anhänger geschoben, die Feuerwehrleute sagten, er sei gleich tot gewesen. "Sie sagen, er habe nichts gespürt, Anna."
Woher willst du das wissen? Warum erzählst du mir das? Oder kam die Stimme aus dem Radio? Ich muss kochen, die Kinder ...
Plötzlich bewegte sich das ganze Haus und ich wurde mit Wucht in ein dunkles Loch gezogen.
Desorientiert erwachte ich, sah Gisela, die sich mit verheulten Augen über mich beugte und immer wieder stammelte, dass sie es nicht begreifen könne, und sie hätten mich in Martins Zimmer gelegt, der Arzt sei noch da, aber die Kinder wollten zu mir. Die Buben waren wie erstarrt, Kathrin heulte laut, und sie kletterten alle zu mir aufs Bett. Ich hatte nicht genug Arme, sie zu umfangen, aber ich konnte endlich weinen.
Wohl durch die Beruhigungsmittel dämmerte ich wieder ein, als mich Martin leise rief und sagte, Gisela habe Oma und Opa angerufen, aber wer würde sie denn nun vom Bahnhof abholen? Ich sprach den ersten Satz, seit ich vormittags die Tür g-öffnet hatte: "Thomas – ja, Thomas wird sie abholen, Schätzchen." Immer größer werdende und völlig entsetzte Kinderaugen starrten mich an. Martin öffnete seinen Mund, doch eine immer dunkler werdende Wolke schob sich zwischen mich und unseren Elfjährigen, hüllte ihn ein und zog ihn von mir fort.

 

Drei Monate nach der Beerdigung traf ich Bärbel erstmals wieder. Wie es mir ginge, aber gut würde ich aussehen, ein wenig blass um die Nase, noch dünner sei ich geworden. Sie sagte noch das, was jeder meinte sagen zu müssen, und ich fragte mich, ob sie sich wohl zuhören, wenn sie so dummes Zeug von sich geben: Du wirst darüber wegkommen, die Zeit heilt alle Wunden ... Bärbel plapperte und plapperte, doch plötzlich hörte ich richtig zu. "Mein Gott Schäfchen, sprichst du immer noch nicht? Was wird jetzt mit seinen Kindern? Schließlich seid ihr nicht verheiratet. ... Sieh es doch mal so: – Vielleicht hättet ihr euch in ein paar Jahren auseinander gelebt, dann wäre es viel schwerer für dich gewesen, auch für deine zwei Kinder. Wahrscheinlich war er gar nicht der Typ, der nur mit einer Frau auskam ... Hast du dir darüber mal Gedanken gemacht ..."
Ich sah sie an und dachte nach, ob ich das Beil holen sollte, um sie in ihrer getarnten Bordellwohnung in lauter kleine Stücke zu zerhacken. Aber was würde dann mit den Kindern geschehen? Nur dieser Überlegung hatte sie es zu verdanken, dass ich ihr keinen Kinnhaken versetzte und ihr die Zähne ausschlug, sondern sie maßlos wütend stehen ließ und nach Hause stürmte.
Aus dem Schuppen zerrte ich die alte Axt und schlug auf eine halb erfrorene Kiefer ein. Der Stamm war viel dicker als ich dachte, die Axt viel zu schwer, aber ich hieb immer wieder laut ächzend in die Kerben, bis meine Hände brannten und der Baum endlich laut knarzend fiel. Ich stützte mich auf den dicken Stiel, zwei große Blasen an den Handinnenflächen waren aufgeplatzt, drehte mich um und sah meine vier Kinder, die völlig fassungslos dastanden.
"Das wollte Papa in diesem Jahr machen", sagte Martin leise.
"Ja. Aber jetzt müssen wir alles selbst erledigen. Wir müssen unser Leben wieder fest in den Griff bekommen, und mit diesem Baum habe ich angefangen."
Martin nahm mir die Axt aus der Hand und meinte, es sei nun seine Aufgabe, die Äste abzuschlagen. Ich strich ihm über die widerspenstigen dichten Haare. Er wurde Thomas immer ähnlicher. Jeden Morgen vor der Schule rannte er über die Wiesen, bei Regen mit einer Kapuze, bei trockenem Wetter mit einem Stirnband. Als ob er ein Vermächtnis erfüllen müsse.
"In Ordnung, du ... du Woodstockmann", flüsterte ich. Zaghaft lächelnd sah er zu mir auf, grinste dann breit, reckte sich und rief seine Geschwister: "Ihr könnt gleich die Zweige aufsammeln und dort auf einen Haufen stapeln. Jetzt bin ich verantwortlich – ich bin jetzt das Oberhaupt, der Woodstockmann."
Kathrin, Karsten und Philipp kicherten verlegen, so, als ob das noch nicht erlaubt sei und sahen mich forschend an. Ich kniete mich in das Gras, lachte und öffnete die Arme, die wieder groß genug waren sie alle zu umfangen und fest an mich zu drücken.
Niemand wusste, was noch alles auf uns zukommen würde. Aber an diesem Tag – und das lasse ich mir auch nicht ausreden – schien plötzlich die Sonne eine Nuance heller und ein paar Federwolken verschwanden blitzschnell in der Unendlichkeit. Der strahlendblaue Himmel wölbte sich ein wenig mehr, so wie ein schützendes Dach, eine hohe Burg, die alle Widerwärtigkeiten gar nicht erst zu uns hereinlassen würden.
Und obwohl es völlig windstill war, streifte eine leichte Brise meine Wange – ein Hauch nur – mit dem Duft von Thomas’ Rasierwasser.


Anmerkungen:
13. Jan. 2008
bereits veröffentlicht im Buch "unter dem Pseudonym Vera-Anna Borkowski" 


Veröffentlichung auf www.leser-welt.de mit freundlicher Genehmigung von LITERRA.

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