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Reiko Himekawa hat das, was den meisten fehlt: Mut, Durchsetzungskraft und vor allem Intuition. Das macht sie zur besten Ermittlerin der Mordkommission in Tokio, aber nicht gerade zur beliebtesten Kollegin auf dem Revier.
Im Vorgarten eines Hauses in einer ruhigen Wohngegend wird ein Toter gefunden, abgelegt in einem blauen Plastiksack. In dem Körper des Toten stecken unzählige Glassplitter. Weitere Leichen folgen, alle auf ähnliche Weise getötet, doch gibt es keinerlei Hinweise auf Täter oder Motiv. Da stößt das Team der Mordkommission auf eine ominöse Website im Darknet. Und Reiko wird plötzlich von der Jägerin zur Gejagten.

 

Blutroter Tod HB 

Originaltitel: Strawberry Night / The Silent Dead 
Autor: Tetsuya Honda
Übersetzer: Irmengard Gabler
Sprecher: Britta Steffenhagen
Verlag: Der Audio Verlag
Erschienen: 11/2016
ISBN: 978-3-86231-891-9
Spieldauer: 576 Minuten, 1 mp3-CD; ungekürzte Lesung


Die Grundidee der Handlung
Manchmal sind es Sätze von Menschen, die nicht mehr da sind, die unser Leben verändern oder prägen. So auch im Falle von Reiko Himekawa. Als 17-jährige wird sie in einem Tokioter Park Opfer eines Verbrechens. Im Tagebuch der Polizistin, die sie fand und wenig später beim Versuch den Täter festzunehmen, ihr Leben verliert, liest sie den Satz: "Gehe, kämpfe und hole dir dein Leben zurück." Ein Wendepunkt in Reikos Leben, denn seit diesem Moment wusste sie, dass sie Polizistin werden würde. All das ist nun über ein Jahrzehnt her, Reiko fast 30 und unverheiratet - in Japan offenbar eine ernste Sache -, dafür aber ist sie die jüngste Ermittlerin in der Mordkommission Tokios. Ihr aktueller Fall lässt ihr gibt ihr jedoch Rätsel auf und lässt die von ihrer Mutter so sehr herbeigesehnten amourösen Bemühungen erneut hintenanstehen. In einer Kleingartenkolonie ist eine in Plastik verpackte Leiche gefunden worden. Wie die Obduktion später ergibt, ist der Mann mit sage und schreibe 94 Schnittwunden übersät, hatte unter einer Glasscheibe gelegen und eine Körperseite aufgeschnitten worden. Warum sollte jemand eine Leiche so "mühevoll" unidentifizierbar machen, nur um sie an einer so öffentlichen Stelle abzulegen? Noch dazu bei jemandem, der - wie sich nach der Identifizierung über den Zahnstatus herausstellt - Vertreter für Büromöbelleasing ist? Dann gibt es einen ersten Hinweis: Immer am zweiten Sonntag im Monat war das Opfer außer Haus. Beim Mittagessen mit dem Pathologen erfährt sie, dass drei Wochen zuvor ein Mann an einer Amöbeninfektion gestorben war. Mehr aus weiblicher Intuition, denn auf Grundlage von Indizien verbinden sich im Reikos Gehirn zwei Synapsen. Was niemand ahnt: Es ist der Beginn der Ermittlungen zu einem Verbrechen, in dem mehr als zehn Opfer zu beklagen sind und dessen Abgründe so tief sind, dass man am liebsten nie hineingeschaut hätte.

Das dieser Krimi harter Stoff werden würde, ist dem Hörer bereits nach der ersten Szene klar. Die eiskalte Beschreibung eines Mordes, der ein paar Jahre zurückzuliegen scheint. Ein Teenager, der seine Eltern mit einem glatten Kehlenschnitt tötet. Danach wirken die ersten Szenen des aktuellen Falls beinahe wie Erholung. Überhaupt ist dieser Stoff anders. Der Fall und die Personen sind in einem völlig anderen Kulturkreis angesiedelt. Daran muss man sich zunächst etwas gewöhnen, dann bezieht das Hörbuch aber auch aus diesem Umstand einen Teil seiner Faszination. Die Brutalität und die Abgründe dieses Verbrechens wandeln mit der Präzision einer Samurai-Klinge immer genau an der Grenze zwischen "Mehr halte ich nicht aus" und einer seltsam fesselnden morbiden Faszination. Die handelnden Personen verhalten sich konsequent und schlüssig, wenn auch an der einen oder anderen Stelle nicht unbedingt so, wie Europäer das erwarten würden. Es gibt einen ungewöhnlichen Spagat zwischen Individualismus und Team-Play, eine ungewöhnliche Priorisierung zwischen Privat- und Arbeitsleben und "Arrangements" in Ehen, die für Europäer - vorsichtig formuliert - ausgesprochen gewöhnungsbedürftig klingen. Die Grundidee überzeugt mich auch deshalb so, weil es mir selten so schwergefallen ist, im "Kopfkino" einen Schritt zurück zu gehen und mich als Hörer zu distanzieren, auch wenn das bedeutet, dass die Brutalität des Verbrechens quasi die ganze Zeit im Grenzbereich des (für mich) Erträglichen angesiedelt ist.


Darstellung des Hörbuchs
Das Hörbuch wird gelesen von Britta Steffenhagen, die u.a. bereits die letzten Teile von Kathy Reichs' Reihe um Temperence Brennan eingelesen hat. Ihre Stimme ist weich und angenehm hell, wenn sie auch diese Lesung ungewöhnlich nüchtern liest. Das ist ein Teil dessen, was die schaurig-gelungene Eröffnungsszene ausmacht. Stimmlich unterscheidet sie die handelnden Personen weniger stark als in anderen Lesungen, die ich von ihr kenne, aber dennoch ausreichend, um der Handlung gut und sicher folgen zu können. Hier wird deutlich, dass es auch im Text wenige Hinweise gibt, die den unterschiedlichen Personen markante Konturen geben, zumindest für europäische Ohren. Was Frau Steffenhagen aber wunderbar transportiert, ist der konstant hohe Spannungsbogen und die Hektik der Großstadt. Auch hat man oft beim Hören das Gefühl, dass, wie auch gerade bei der Hauptfigur Reiko Himekawa hinter der Fassade, ein anderer, weicherer Charakter steckt. Diesen Zwiespalt glaubhaft darzustellen und nur in Nuancen und auch nur in wenigen, zurückgezogenen Situationen zum Ausdruck zu bringen, das ist das faszinierende an dieser Lesung. Hörenswert!


Aufmachung des Hörbuchs
Das Cover des Hörbuchs zeigt eine junge, asiatisch aussehende Frau mit schulterlangem, schwarzen Haar, die Reiko Himekawa sein könnte. Die hinter ihr nur noch verschwommen erkennbaren Lichter der Großstadt deuten darauf hin, dass sie in Bewegung ist. Der Titel prangt in oranger Schrift im Vordergrund und verdeckt die Frau ab unterhalb der Brust. Autoren- und Sprechername sowie der Untertitel stehen in weißer Schrift auf dem Cover. Klappt man den Schuber auf, so findet man zunächst Kurzbiografien von Autor und Sprecherin und die bibliografischen Angaben auf der linken, sowie eine Übersicht über die handelnden Personen auf der rechten Seite. Klappt man den Schuber ein weiteres Mal auf, so findet man die CD, in violett gehalten und darunter und auf der rechten Seite ein Foto der nächtlichen Skyline Tokios. Ein echter Hingucker.


Fazit
Ein ungewöhnlicher Krimi in vielerlei Hinsicht. Ungewöhnliche Personen, außergewöhnlicher Handlungsort und Kulturkreis. Aber eben auch der härteste Stoff, den ich seit langem gehört habe. Oft im Grenzbereich, aber trotzdem hörenswert, wenn man starke Nerven hat.


4 5 Sterne


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