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Zeit und Welt aus den Fugen – das Hörspiel zu Andreas Steinhöfels „Anders“

Nach seinem Unfall liegt Felix Winter 263 Tage im Koma. Dann geschieht ein Wunder: An einem prächtigen Sommertag kehrt er zurück ins Leben. Und nennt sich von nun an anders, nämlich Anders. Er hat keinerlei Erinnerung an den Unfall. Und es gibt jemanden, der dafür sorgen wird, dass dies auch so bleibt.

 

Anders HB 

Autor: Andreas Steinhöfel
Sprecher: Udo Wachtveitl, Valentin Steffen, Leon Vladimir Aubrecht, Carl Philipp Benzschawel, Friederike Kempter, Martin Lindow u.v.m.
Verlag: Silberfisch Verlag made by WDR
Erschienen: 29. Januar 2016
ISBN: 978-3-86742-575-9
Spieldauer: ca. 77 Minuten, 1 CD
Altersempfehlung: 10-12 Jahre


Die Grundidee der Handlung
Felix Winter wacht eines Tages auf und hat keine Erinnerung an sein Leben vor dem Zeitpunkt des Erwachens. Er fühlt sich seiner Umgebung nicht zugehörig und fühlt sich anders, und so nennt er sich auch. "Anders" will er nun genannt werden, versucht sich so zu akzeptieren, wie er nun ist und beginnt Schritt für Schritt seine Umgebung und sein früheres "Ich" zu entdecken. Eine schwierige Sache, wenn man eine dominante und sehr zielstrebige Mutter hat, die mit dem Gedächtnisverlust ihres Sohnes nicht zurechtkommt und er weder frühere Freunde noch ehemalige Feinde wiedererkennt. Und dann ist noch diese Sage, die ihm nicht aus dem Kopf geht. Zudem spürt Felix ganz genau, dass es etwas gibt, das er wissen sollte, etwas wirklich, wirklich Wichtiges! Wenn er sich nur daran erinnern könnte…


Darstellung des Hörspiels
Das Hörspiel ist sehr gekonnt und gefühlsintensiv inszeniert. Besonders der Sprecher, der den Erzähler darstellt und den Hörer - wie ein roter Faden - gekonnt durch die Geschichte führt, schafft es hervorragend, mittels Betonung, Stimmhöhe und Sprechtempo, spannende Stellen besonders interessant zu gestalten. Durch die Variationen im Erzähltempo schafft er auf beeindruckende Weise, dramatische Situationsbeschreibungen noch einen Tick nervenaufreibender „rüberzubringen“ und so die nachfolgenden Dialoge in den jeweiligen Szenen perfekt vorzubereitet. Eine wirklich grandiose Besetzung des Erzählers, der das Hörspiel durch seine Stimme und sein Können zu einem sehr intensiven Erlebnis werden lässt. Die Stimmen der Figuren passen in Höhe und "gehörtem Alter" sehr gut zu den einzelnen Charakteren und agieren so engagiert, dass man sich die Personen und Szenen gut vorstellen kann. Der gezielte Einsatz von Klängen, Musik und Geräuschen bereitet die einzelnen Szenen vor, untermalt Dialoge und Traumsequenzen, wirkt auf die Gefühle der Hörer, sorgt für Spannung und lässt das Hörspiel dadurch sehr lebendig werden.

Vor allem die Verwirrung und Not der Hauptperson Felix/Anders, als er ohne Erinnerung aufwacht, wurde sehr gut in Szene gesetzt, sodass man sich gut in Felix einfühlen kann. Seine Angst und das Unverständnis, das er immer wieder erntet, wenn – ihm völlig fremde - Menschen ein Erkennen oder Handlungen von ihm als „Felix“ erwarten, er sich aber nach dem Koma als „Anders“ einfach nicht erinnern kann. Auch die Dynamik zwischen Felix und seinen Eltern vor  (hier wird mittels einer Rückblende in fast minutiöser Weise das Geschehen des Tages, an dem der Unfall passiert ist, teils berichtet und  teils gespielt) und nach dem Unfall, wird sehr gut und nachvollziehbar dargestellt. Dem Hörer wird nach und nach klar, welcher Druck auf dem Jungen gelegen hat und - auch zusätzlich durch seine Amnesie und deren weitreichende Folgen - teilweise noch liegt.

Auch das unbemerkte Abgleiten in eine seltsame Traum- bzw. Fantasiewelt wird ebenso eindringlich – beinahe zu intensiv für ein Kinderhörspiel - dargestellt wie die Zuspitzung der aktuellen Situation. Die unerwartete Wendung wurde ebenfalls gekonnt unauffällig vorbereitet und in Szenen gesetzt, wie die Auflösung der Ungereimtheiten, nachdem Felix seine Erinnerungen wiedererlangt und die Folgen oder Veränderungen, die für etliche Personen daraus entstehen.

Es ist ein sehr beeindruckend inszeniertes Hörspiel, dessen Geschichte nachklingt, nachdenklich macht und tiefer geht, als man es üblicherweise erwartet. Bei sensiblen Kindern wäre es durchaus eine Überlegung wert, wenn sich ein Elternteil das Hörbuch - welches bestimmt nicht nur Kinder ab ca. 10/11 Jahren ansprechen wird -  zuerst zu Gemüte zu führt, damit es abschätzen kann, ob es für sein Kind gefühlsmäßig schon geeignet oder noch zu intensiv ist. 


Aufmachung des Hörspiels
Der Umschlag der CD ist kartoniert, allerdings ist die Disc in einer, im Umschlag befestigten, Kunststoffform untergebracht. Das Coverbild ist sehr einfach gehalten und zeigt in einer einfachen (Bleistift-)Zeichnung Augen, einen Teil des Ohres und die Mütze von Felix/Anders auf weißem Untergrund. Nur der Titel und „Hörspiel“ und der Kreis mit „Hörspiel made by WDR“ ist ockerfarbig gehalten. Auf der Innenseite des Umschlages findet man die Sprecher und die Namen der Menschen, die an der Produktion beteiligt waren. Der Rückseitentext klingt spannend, wird aber dem Hörspiel in keiner Weise gerecht.


Fazit
Beeindruckend! Das Hörspiel ist sicher eines der intensivsten, die ich bisher gehört habe. Die gelungene Umsetzung der tiefgründige Geschichte geht unter die Haut und die Atmosphäre, die in dem Hörspiel aufgebaut wird, wirkt - besonders auch durch den genialen Erzähler und das perfekte Zusammenspiel von Geräuschen und untermalenden Tönen - teilweise durchaus etwas bedrohlich und düster, auf jeden Fall aber besonders eindringlich. Sensible oder jüngere Kinder sollten sich das Hörspiel sicherheitshalber vielleicht gemeinsam mit größeren Geschwistern oder den Eltern anhören.


5 Sterne


Hinweise
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