Smaller Default Larger

WOLFGANG BORCHERTs WOHL RÜHRENDSTE ERZÄHLUNG

Der Onkel groß, laut, reich, satt; der Kellner klein, blass, verbittert, verängstigt. Was die beiden Männer eint, ist ihr Sprachfehler. An einem sonnigen Sommertag geraten sie in einem Gartenlokal aneinander, jeder glaubt, vom anderen nachgeäfft und verhöhnt zu werden. Der selbstbewusste Onkel ist empört über das frevelhafte Verhalten des Kellners, der Kellner nimmt die Demütigung hin, so wie er es schon sein ganzes Leben lang gewohnt ist, und der Erzähler wird Zeuge einer wundersamen Begegnung.

LIEBEVOLL ILLUSTRIERT VON BIRGIT SCHÖSSOW

 

 

Schischyphusch  Autor: Wolfgang Borchert
Illustrator: Birgit Schössow
Verlag: Atlantik
Erschienen: 10. März 2016
ISBN: 978-3455370348
Seitenzahl: 64 Seiten

 


Die Grundidee der Handlung
Der Erzähler berichtet im Stil einer Anekdote, wie er als Junge mit Mutter und Onkel bei einem Ausflug in ein gut besetztes Lokal einkehrt und was sich dann ereignet. Es dauert, bis man bedient wird und dann, ausgerechnet, lispelt der Kellner und der Onkel hat den gleichen Zungenfehler. Eins führt zum anderen und die Herren streiten sich. Mutter und Sohn möchten derweil vor Scham in den Boden versinken. Das Missverständnis, das den Streit heraufbeschwor, wird schließlich aufgeklärt und zum guten Schluss trägt der Junge einiges bei.

Was wollte Borchert damals, als er die Geschichte schrieb, damit ausdrücken? Schwer zu sagen, vor allem weil wir heutige ganz andere Maßstäbe anlegen. Vielleicht ging es dem Autor nur darum, eine heitere Geschichte mit einem Happy End zu verfassen. Vielleicht wollte er erklären, wieso der Kellner zu dem wurde, der er ist. Vielleicht ging es ihm um den Gegensatz von Onkel und Kellner, die unterschiedlicher nicht sein können. Vielleicht wollte er einfach zeigen, was Mensch sein heißt. Mir gefällt die letztere Deutung, und wenn ich sie zu Grunde lege, dann hat Borchert seine Idee ganz wunderbar umgesetzt. 


Darstellung und Umsetzung der Bildgeschichte
Die bekannte Kurzgeschichte wurde von Schössow in eine Bildgeschichte übertragen, die deren heitere Atmosphäre gut einfängt. Die gefälligen Bilder begleiten den Text, können von den BetrachterInnen aber als eigenständig wahrgenommen werden. Wer die Geschichte bereits kennt, der könnte den Inhalt auch anhand der Zeichnungen erzählen, den Text bräuchte es dazu nicht; dabei ginge zwar vermutlich einiges verloren, das den Stil des Autors ausmacht, aber es zeigt, wie Schössow den Text umsetzt und welche Teile daraus ihr wichtig sind. Bei ihr stehen Kellner, Mutter und Sohn im Fokus, weniger der Onkel. Er scheint ihr in seiner lauten, eigenständigen Art, seiner Daseinsfreude und seinem lautstarken Mitgefühl unheimlich zu sein. Dadurch gewichtet sie die Erzählung anders als der Autor; bei Borchert steht der Onkel und seine Beziehung zum Kellner im Mittelpunkt, Mutter und Sohn sind Randfiguren.

Die beiden Hauptfiguren hat die Illustratorin gut getroffen: Der Kellner wirkt so verhuscht und fast unsichtbar, wie er auch in der Geschichte geschildert wird; das Äußere des Onkels stimmt, seine Vitalität und Lebensfreude darzustellen, gelingt ihr allerdings bei weitem nicht so gut. Bei den Nebenfiguren passt die Darstellung der Mutter, der Junge allerdings erscheint mir zu alt geraten. Es heißt im Text, er könne die Nase grade auf den Tisch legen, das spricht nicht für ein Kind von ca. 8 Jahren, als das er hier gezeichnet wurde. Indem sie auch die anderen Kellner und die Gäste des Lokals porträtiert, transportiert sie einerseits die erzählte Zeit, andererseits deren Reaktionen auf den Aufruhr um Onkel und Kellner und man versteht, wieso sich Mutter und Sohn so schämen. Bildlich gerät dabei die eigentliche Erzählung, wie Onkel und Kellner Freundschaft schlossen, leider in den Hintergrund.

Schössow wählt ruhige Farben, passend zu ihrem unaufgeregten Stil. Es liegt wohl auch daran, dass sie dem Temperament des Onkels nicht gerecht werden kann, da hätte es stärkerer Farben bedurft. In ihren Bildern geht letztlich das Kraftvolle, Lebendige des Textes verloren, zurück bleibt eine weichgespülte Geschichte. Natürlich besteht das Buch nicht nur aus Illustrationen, und der Text spricht für sich selbst. Er strahlt jene Freundlichkeit und Menschenliebe als Grundhaltung aus für die der Onkel exemplarisch steht.


Aufmachung des Buches

Das Hardcover ist in einem dunklen Orange gehalten, das der zurückhaltenden Farbigkeit der Illustrationen angemessen ist.  Indem das Cover in einem Medaillon den Kellner zeigt, weist es nicht nur auf den Inhalt hin, sondern man erhält auch gleich einen Eindruck davon, wie die Geschichte bildlich umgesetzt wird. Am Ende des Buches bekommt man noch ein paar biographische Daten (dazu die Porträts) von Autor und Zeichnerin. Gelungen finde ich die Idee, die LeserInnen mit dem Abdruck einer zeitgenössischen Speisekarte auf der letzten Seite (übergehend in das Vorsatzblatt) zu überraschen.


Fazit
"Schischyphusch" ist eine wunderbare Erzählung, in ihrer Aussage nach wie vor gültig. Die Zeichnungen allerdings nehmen ihr die Lebenskraft und damit leider auch das, was sie ausmacht, deshalb nur 3 Sterne. 


3 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de oder deinem Buchhändler vor Ort

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo