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Interview mit Reyhan’s Artwork, Eva Yabai und Sushi

Sailor Moon, Yu-Gi-Oh! und Digimon: Die Ausstrahlung japanischer Anime in Deutschland erzeugte einen Manga-Boom. Seither wächst die Fangemeinde der japanischen Comics stetig. Die internationalen Zeichner sind längst Stars in der Szene, doch auch hierzulande treten immer mehr Künstler ins Rampenlicht. Wir haben mit drei Zeichnern von MCC Kreativ gesprochen, für die japanische Comics längst mehr als ein Hobby sind.

Reyhan Yildirim (Reyhans’s Artwork, MK135), Eva Stöcker (Eva Yabai, MK141) und Lydia Heymach (Sushi, MK 212) sind mit Mangas groß geworden. Reyhan hat sich in Brühl als Künstlerin selbständig gemacht, ihr Markenzeichen: fantasievoll ausgeschmückte Fabelwesen im Shōnen-Stil. Eva ist in einer Berliner Werbeagentur beschäftigt und betreibt das Zeichnen ihrer von Manga beeinflussten Illustrationen als Hobby. Lydia Heymach studierte Mediendesign und Medieninformatik, in ihren Zeichnungen verbindet sie unterschiedlichste Stile und hat damit längst eine große Fangemeinde gefunden.   



Reyhan’s Artwork: Eigene, aufwändige Charaktere sorgen für den Durchbruch

Du kannst seit ein paar Jahren vom Verkauf deiner Kunst leben. Wie ist dir das gelungen?
Ich habe immer hart an mir gearbeitet und frühzeitig an Manga-Wettbewerben teilgenommen, um mich mit anderen Künstlern zu messen. In der Szene bin ich bekannt geworden, weil ich eigene Charaktere – vor allem Fabelwesen – schaffe und diese aufwändig illustriere. Gerade habe ich zum Beispiel die ägyptische Götterwelt neu interpretiert. Dabei bemühe ich mich um einen individuellen Stil, der sich an den etwas dynamischeren Shonen-Manga anlehnt, aber mehr Ausschmückungen hat. Der eigentliche Durchbruch kam vor zwei Jahren, als ich für die Teilnahme an der Manga-Con Yukon zwei Drachen-Charaktere „Ao Shun“ und „Ddraig Goch“ entworfen habe, die bei meinen Fans auf Facebook sehr gut ankamen und bis heute neben meinen ägyptischen Charakteren sehr gefragt sind.

Wo verkaufst du deine Zeichnungen?
Ich präsentiere meine Sachen auf Conventions, verkaufe aber hauptsächlich über Facebook, wo ich mir in den letzten Jahren eine große Fanbase aufgebaut habe. Dazu muss man sagen, dass sich der Schwerpunkt meiner Arbeit mittlerweile auf Merchandising-Artikel verlagert hat, also Poster, Karten, Sticker, Anhänger, Tassen usw. Für die Manga-Comic-Con habe ich ein komplett neues Sortiment entworfen mit vielen hochwertigen Produkten wie einer Wanduhr aus Acrylglas.

Wie wichtig ist es für dich denn überhaupt noch, bei einem Verlag zu veröffentlichen?
Früher war mir das sehr wichtig, weil ich mir nicht vorstellen konnte, wie ich sonst von meiner Arbeit leben soll. Glücklicherweise wurde ich von Joachim Kaps, dem Verlagsleiter von Tokyopop, angesprochen, nachdem ich 2003 einen Preis bei einem Manga-Wettbewerb gewonnen hatte. Bei Tokyopop ist zunächst ein Beitrag von mir in einer Anthologie („Manga-Fieber“) erschienen, 2008 kam dann mein erstes eigenes Buch („Tylsim“) heraus, und später durfte ich eine weitere Geschichte zu einer Anthologie („Grimms Manga“) beisteuern. Da ich heute auf eigenen Beinen stehe, ist die Veröffentlichung in einem Verlag aber nicht mehr mein Hauptziel.

Spielt der Austausch mit anderen Künstlern für dich eine Rolle?
Auf jeden Fall, denn im Gespräch mit Gleichgesinnten kommt man auf neue Ideen, zum Beispiel bei Vermarktungsfragen. Wenn ich etwa ein Artbook herausbringe, das etwas teurer ist, überlegen wir gemeinsam, was man als Gimmick dazulegen könnte, um die Leute nicht abzuschrecken. Wir kritisieren aber auch gegenseitig unsere Zeichnungen, und wir treffen uns sogar ein- bis zweimal im Monat in einem Café, um zu zeichnen.

Wie vielfältig ist denn die Mangaszene in Deutschland?
Es gibt viele Zeichner, die einen eigenen, unverwechselbaren Stil haben. Und immer mehr Künstler können vom Zeichnen leben, was mir wirklich große Freude bereitet. Andererseits fehlt mir gerade bei der jüngeren Generation die Leidenschaft für das, was sie tun. Oft geht es nur noch darum, schnell bekannt zu werden, statt sich an Vorbildern zu schulen und wirklich an sich zu arbeiten. Ich habe das Gefühl, dass man nur noch für andere zeichnet und nicht mehr für sich selbst. So was kann zu großer Frustration führen. Daher ein Rat an angehende Zeichner: Zeichnet das, was IHR wollt und nicht das, was gerade beliebt ist oder andere von euch erwarten. Kreiert etwas eigenes, das euch repräsentiert und arbeitet hart für eure Ziele.



Eva Yabai: Comics sind kleine Meisterwerke

Wie wird man Comic-Zeichner?
Indem man zeichnet, denn eine wirkliche Ausbildung zum Comic-Zeichner gibt es in Deutschland – anders als beispielsweise in Japan – nicht. Es ist schon ein Luxus, dass ich während meines Kommunikationsdesign-Studiums ein Seminar im Comic-Zeichnen besuchen konnte. Erst hier habe ich wirklich gelernt, dass Comics kleine Meisterwerke sind, die immer noch total unterschätzt werden.

Wolltest du deshalb das Hobby nie zum Beruf machen?
Man wird hierzulande mit dieser an sich guten und ehrlichen Arbeit immer noch nicht ernst genommen, was sich auch daran zeigt, dass sie nicht gut bezahlt wird.

Trotzdem gibt es ja derzeit in Deutschland einen unglaublichen Manga-Boom …
Es gibt sehr viele talentierte Künstler, die sich durch die sozialen Medien nun auch viel besser untereinander und mit ihren Fans vernetzen können. Auf der anderen Seite haben die Conventions riesigen Zulauf. Hier kann man auch beobachten, wie sich die Szene in den letzten Jahren professionalisiert hat: Heute haben nicht nur die Zeichner mit Verlagsvertrag einen schönen Stand, sondern auch diejenigen, die sich ohne Verlag im Rücken eine große Fanbase aufgebaut haben. Die Stände werden ausgebaut und mit Bannern und Plakaten ausgeschmückt, die Qualität der Druckwaren ist gestiegen und das Merchandising hat zugenommen. Ich lasse mich von diesen Entwicklungen inspirieren und werde zum Beispiel  mein Regal in diesem Jahr auch in die Höhe bauen.

Klingt nach Konkurrenzkampf …
Überhaupt nicht. Für mich sind Conventions wie große Familientreffen. Selbst wenn man keinen Tisch bekommt, geht man hin, um Freunde zu treffen und sich von der Arbeit anderer Künstler inspirieren zu lassen.

Sind Conventions eine gute Gelegenheit, um sich bei Verlagen zu bewerben?
Sicher. Man sollte dann aber darauf achten, nicht nur einzelne Illustrationen mitzubringen, sondern bereits eine gute Story und einen eigenen Stil präsentieren.

Gibt es von dir schon eine Veröffentlichung?
Nein, ich habe das in den letzten Jahren aber auch nicht ernsthaft verfolgt, denn es ist mit sehr viel Stress verbunden. Zur Manga-Comic-Con möchte ich aber in Eigenregie ein Kinderbuch drucken und habe mich dafür mit einem Texter zusammengetan. Da muss man sich als Comic-Zeichner auch ganz klar seine Grenzen eingestehen.



Sushi: Raffiniertes für jeden Geschmack

Wie sah bisher Dein Weg in die Mangaszene aus?
Ich schwimme schon länger in den Gewässern der deutschen Mangaszene und fühle mich hier sehr wohl. Angefangen hat es bei mir, wie bei vielen meiner Altersgenossen, mit Sailor Moon. Nicht nur der exotische Stil, sondern auch die Themenvielfalt und emotionale Tiefe dieser Comics haben mich begeistert. Über die Online-Plattform Animexx fand ich Gleichgesinnte und stellte zum ersten Mal meine Zeichnungen im Internet aus. Hier habe ich viele nette Leute kennen gelernt, die ich später auch im „real live“ als Freunde gewinnen konnte.

Wann hast du dich zum ersten Mal auf einer Messe präsentiert?
2006 wurde das KaKAO-Projekt auf Animexx gegründet. KaKAO steht für Karten Kunst Auflagen und Originale. Es handelt sich um liebevoll handgefertigte Künstlerkarten, die getauscht und verkauft werden können. Ich war lange Admin des ursprünglichen KaKAO- Zirkels auf Animexx, und habe für die Verbreitung und Bekanntmachung dieses Formates gewirkt h sehr viele Leute kommen und sich auch „ganz normale Besucher“ der Buchmesse in den Kreativbereich verirren: eine sehr angenehme Abwechslung.
 
Dein Künstlername lautet Sushi. Dürfen wir da auf der MCC etwa Rohes erwarten oder etwas ganz Raffiniertes?
Haha! Mein persönliche Sushi Bar hat natürlich Raffiniertes für jeden Geschmack zu bieten – will ich doch hoffen. Der Name war ursprünglich nur mein Nickname auf der Online-Community Animexx.de. Aber er ist leicht zu merken und blieb so einfach hängen. Aber klar: Sushi steht für Feinkost und eine große Auswahl – das passt tatsächlich gut zu mir, da ich mich stilistisch nie zu stark festlegen möchte.und in dieser Funktion Stände auf Conventions betreut. Inzwischen ist das ein großes Phänomen mit eigener Webseite und von keiner Convention mehr wegzudenken.

Wann hast du dich erstmals mit eigenen Zeichnungen und Produkten präsentiert?
Als sich die Künstlertische bei Cons immer mehr etablierten, habe ich erstmals selber ausgestellt – anfangs mit Zeichnerfreunden der dafür gegründeten Künstlergruppe KaBOOM! Die Künstler und Bastler der Gruppe treten eigenständig auf, gelegentlich werden aber gemeinsame Projekte auf die Beine stellt, wie ein gemeinsam gestaltetes Schwarzer Peter Spiel, unseren Adventskalender oder ganz aktuell ein gemeinsames Buchprojekt, das bald erscheinen soll. Inzwischen bin ich aber auch allein auf Messen vertreten.

Was zeigst du in Leipzig?
Neben meinem eigenen Sortiment aus Print- und Merchandiseprodukten, sowie Wunschzeichnungen vor Ort, beherberge ich an meinem Stand auch die Anthologie Vernarrt! zu der ich selber einen Beitrag beigesteuert habe. Das wird mein erster abgedruckter Manga sein, deshalb bin ich natürlich sehr aufgeregt.

Welche Bedeutung hat die MCC für die Szene?
Bevor es die MCC gab, bot die Leipziger Buchmesse nur wenig Möglichkeiten, sich als Hobbykünstler zur präsentieren. Mit der eigenen Manga-Comic-Con haben wir nun viel mehr Platz. Und eine großartige Atmosphäre. Die Leipziger Buchmesse und MCC sind ganz fett in meinem Kalender markiert. Die MCC ist eines der größten und wichtigsten Events im Con-Jahr, weil hier wirklich sehr viele Leute kommen und sich auch „ganz normale Besucher“ der Buchmesse in den Kreativbereich verirren: eine sehr angenehme Abwechslung.

Im Bereich MCC Kreativ der Halle 1 präsentiert sich neben etablierten Künstlern vor allem der kreative Nachwuchs. Gezeigt werden Fanarts, Dojinshis und eigene Comics, Poster, Sticker, Buttons, Artworks, Kakao-Karten, selbstproduziertes Merchandising wie Schlüsselanhänger, Tassen, Plüsch, Schmuck, Taschen, Shirts, Origami und vieles mehr.



Über die Manga-Comic-Con (MCC)
Die zweite Auflage der Manga-Comic-Convention 2015 verzeichnete mehr als 93.000 Besucher. Die MCC findet im Rahmen der Leipziger Buchmesse statt und ist von Donnerstag bis Sonntag zwischen 10.00 und 18.00 Uhr geöffnet. Halle 1 ist Manga, Comics, Games und Cosplay gewidmet, in Halle 2 lädt die Fantasy Leseinsel ein. Buchkunst und Grafik sind in Halle 3 zu finden, die Bereiche Graphic Novel sowie die Independent Verlage in Halle 5.

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