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"Der König ist bei seinem Souper in der Laune, daß er auf alle Welt schilt; so sagt er zum alten Grafen Podewils, daß es für einen Staatsminister eine Schande sei, am hellen Tage in ein Bordell zu gehen." Fast täglich kommentiert Lehndorff prägnant die Beziehungen am Hof, die moralische Ungezwungenheit, opulente Feste und ausgiebige Reisen. Vollständiges Original von 1750 bis 1775.

Ernst Ahasverus Heinrich Graf von Lehndorff wurde 1745 von Friedrich II. an den Hof gerufen, im Alter von 19 Jahren. Als Kammerherr von Königin Elisabeth Christine und engster Vertrauter der königlichen Familie führte er ein geheimes Tagebuch, respektloser als Sophie Marie Gräfin von Voß, reicher an Details als Diodonné Thiébault.

 

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Autor: Ernst Ahaverus Heinrich Graf von Lehndorff
Herausgeber: Wieland Giebel
Verlag: Berlin Story Verlag
Erschienen: Juli 2011
ISBN: 978-3-86368-011-4
Seitenzahl: 600 Seiten

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Inhalt, Stil und Sprache
Wie ein Krimi liest sich die Einführung, in der Gisela Langfeld berichtet, wie sie an die Originalmanuskripte gelangte. Die Einleitung gibt einen Überblick über das Leben des Grafen von Lehndorff und Einblick in die enthaltenen Texte sowie die Kürzungen, die aufgrund des Umfangs des Originaltextes vorgenommen werden mussten. Diese wurden vor allem im Bereich des siebenjährigen Krieges (1756-1763) vorgenommen, sind aber erkennbar und straffen die Handlung, die der interessierte Leser auch in einem Geschichtsbuch nachlesen kann. Wichtige Ereignisse in dieser Zeit werden allerdings in Lehndorffs eigenen Worten geschildert.

Nach Jahren sortiert folgen die eigentlichen Texte. Lehndorff schreibt nicht immer täglich, sondern fasst Monate zusammen, in denen er seinen verschiedenen Pflichten am Hofe nachgekommen ist oder die aufgrund der Vorbereitungen zusammenhängen, die er für Festlichkeiten treffen muss. Mit einem launigen Unterton berichtet er von den Vorgängen bei Hofe, verschiedenen Persönlichkeiten und Begebenheiten, die er mit teils sarkastischen, teils markanten Bemerkungen versieht. Der Leser erfährt viel über das damalige Leben und die moralischen Vorstellungen der Gesellschaft. Anmerkungen wie "Der junge Prinz findet Berlin ganz nach seinem Geschmack, besonders seit ihm die Verschiedenheit der Geschlechter immer mehr zum Bewusstsein kommt." (Seite 503) werden ebenso berichtet wie Beschreibungen des Aussehens von Menschen, wobei es zu amüsiertem Lachen beim Leser kommen kann, wenn er beispielsweise liest: "Von ihrem [Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, die spätere Königin Charlotte von Großbritannien und Irland] Gesicht kann man nichts anderes sagen, als daß es nicht mißfällt." (Seite 479).
Hier wird auch ersichtlich, wie nah man als Leser den Größen der Geschichte kommt, folgt man Graf Lehndorff auf seinem Lebensweg. Er ging ein und aus bei den wichtigsten Personen der damaligen Zeit, was sich in seinen Tagebüchern niederschlägt. Eine so hautnahe Begegnung mit historischen Persönlichkeiten gab es selten. So werden auch seine Reisen unterhaltsam beschrieben, denn er beschränkt sich dabei nicht auf Landschaftsbeschreibungen. Seine Beobachtungen sind in der ihm eigenen, herrlichen Art bunt gefärbt und machen Lust, sich eingehender mit der Zeit und den auftretenden Personen zu beschäftigen.

Für ein Tagebuch typisch gibt es keinen besonderen Höhepunkt, was in diesem Fall aber nicht weiter stört, denn Lehndorffs Leben scheint zwischendurch der besten Regenbogenpresse Konkurrenz zu machen - unter anderem berichtet er beispielsweise von einer Gräfin, die inbrünstig leugnet, schwanger zu sein, bis sie schlussendlich ein Kind von einem Offizier zur Welt bringt und bei Hofe unten durch ist (s. Seite 490 f).
Der Leser verlässt Graf Lehndorff im Jahr 1775, als er seinen Abschied nimmt.


Aufmachung des Buches
Das äußerst umfangreiche Taschenbuch ist sehr stabil verarbeitet, was bei der Dicke hilfreich ist. Auf Dauer ist es ein wenig anstrengend, es zu halten. Die Seiten sind von wirklich hervorragender Qualität, der Druck übersichtlich und die Eintragungen leicht lesbar. Im Gegensatz zu einigen anderen historischen Büchern wurden hier einige Absätze eingebaut, was das Lesen erleichtert und dem Auge einen Anhaltspunkt bietet. Anmerkungen finden sich durch Fußnoten markiert hinten in einem extra Bereich des Bandes - zum Verständnis sind sie aber nicht unbedingt notwendig, was lästiges Nachblättern nicht notwendig macht. Die Editionsgeschichte, in der der Herausgeber über die verschiedenen Veröffentlichungen berichtet, sowie ein sehr hilfreiches Personen-, Orts- und Sachregister schließen das Buch ab. 


Fazit
Graf Lehndorff beweist, dass Geschichte unterhaltsam und fesselnd sein kann. Der humorvolle und informative Stil des Grafen macht das Buch zu einer großartigen Unterhaltung, die zugleich bildet - was kann man mehr von einem Buch erwarten?


5 Sterne


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